Begründung der Jury
Suzu lebt zurückgezogen, nur mit ihrem Hamster Punsuke in einer winzigen Wohnung in einer japanischen Großstadt. Sie ist 25 Jahre alt und schlägt sich mit Aushilfsarbeiten durch. Sie hat keine Kontakte, vermeidet Besuche bei ihren Eltern, um deren Erwartungen an sie aus dem Weg zu gehen und auch gelegentliche Dates gehen schief. Als Suzu ihren Job in einem Familienrestaurant verliert, weil sie nicht liebreizend und gefällig genug ist, lässt sie sich in ihrer Verzweiflung auf eine eher abschreckende Tätigkeit ein: Sie wird Leichenfundortreinigerin.
Wohnungen, in denen vereinsamt gestorbene Menschen gefunden werden (Kodokushi, bei uns „Fundleichen“) müssen gereinigt, geräumt und wieder bewohnbar gemacht werden. Ausgerechnet mit dieser Tätigkeit und vor allem mit dem Team, in dem sie nun arbeitet, und dem wertschätzenden Chef Herrn Sakai, der sie manchmal zu ihrem Glück zwingt, gewinnt Suzu soziale, mitfühlende Fähigkeiten und Lebensfreude und findet so in das gesellschaftliche und familiäre Leben zurück. Liebenswerte, manchmal skurrile Menschen lehren sie, dass jeder unterschiedlich ist und damit alle wieder gleich.
Neben dem Sterben vereinsamter Menschen gibt es weitere Themen, die in diesem Roman verwoben sind: die Würde des Menschen, soziale Isolation in Großstädten, Familienleben und Erwartungshaltungen, Alleinsein und Einsamkeit, Mitgefühl und Empathie, Achtsamkeit und Hoffnung. Und nicht zuletzt der Umgang miteinander im Leben sowie im Tod.
Mit frischer, dabei sensibler und unterhaltsamer Sprache hat Milena Michiko Flašar diese wichtigen Themen so erzählt, dass sie anrührend und tiefgehend, optimistisch und würdevoll zugleich vermittelt werden. Das Ganze ist mit leicht schwarzem und trockenem Humor gewürzt. Mit feiner, umsichtiger Lebensphilosophie wird die Geschichte leicht zugänglich, aber auf prägnantem Niveau erzählt.
Über die Autorin
Milena Michiko Flašar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane »Ich nannte ihn Krawatte« und »Herr Kato spielt Familie« wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.