Sachbücher für Erwachsene

Spatz, Christopher: Heimatlos. Friedland und die langen Schatten von Krieg und Vertreibung. Mit Fotografien von Fritz Paul. Hamburg: Ellert & Richter 2018. 224 S. : Ill. ; 24 cm. ISBN 978-3-8319-0728-1, geb.: 19,95 €
Das Lager Friedland war Hoffnungsziel für Vertriebene und Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer und Umsiedler und zugleich Zugangstor zur neuen Bundesrepublik.
Christopher Spatz hat mit diesem Sachbuch eine Lücke geschlossen. Für die Betroffenen war und ist Friedland ein Symbol für Hoffnung und Neuanfang, aber auch für Ungewissheit, Zukunftsangst. Drei große Phasen hat das Lager Friedland erlebt. Die großen Flüchtlings- und Vertriebenentransporte aus Ostpreußen, Pommern und vor allem Schlesien gingen bis Ende der vierziger Jahre zwecks Registrierung und Verteilung in die Regionen der Bundesrepublik durch Friedland, Mitte der fünfziger Jahre waren es erste Umsiedler und vor allem Kriegsheimkehrer, deren Entlassung aus russischer Gefangenschaft Adenauer verhandelt hatte, und bis heute kommen deutschstämmige Osteuropäer und andere Flüchtlinge hier an. Spatz dokumentiert, wie von Traurigkeit geprägt, wegen der verlorenen Heimat, wie hoffnungsvoll freudig erregt, wegen des möglichen Wiedersehens mit den Verwandten, und mit welchen Ängsten beladen, wegen der ungewissen Zukunft, die Menschen das Lager passierten. Das gelingt vor allem wegen der eindrucksvollen Fotografien von Fritz Paul, der in Ostpreußen geboren, später Fotograf des Göttinger Tageblattes wurde.
Das ist ein wichtiges Buch, es erinnert an Leid und Menschlichkeit, an Freude und Kummer. Es sollte gerade in unserer Zeit aufgeregter Flüchtlingsdebatten weite Verbreitung finden.
Signatur: Sb
Schlagworte: Flüchtling | Deutschland | Geschichte
Bewertung: +++
Rez.: Hans-Wolfgang Schaller

Palmer, Boris: Wir können nicht allen helfen. Ein Grüner über Integration und die Grenzen der Belastbarkeit. München: Siedler 2017. 255 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-8275-0107-3, geb.: 18,00 €
Nachdem seit 2015 hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, stellt sich die Frage: Wie kann es uns gelingen, die riesige Herausforderung der Integration zu meistern?
Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer zeigt, dass wir bei aller Hilfsbereitschaft auch offen über die Grenzen der Belastbarkeit sprechen müssen – etwa über Bildungs- und Jobchancen, über Wohnungsnot, den Umgang mit Gewalt und Abschiebung oder Fragen von Sicherheit und Ordnung. Denn gerade in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten müssen diese Probleme offen benannt werden. Palmers Analyse der Flüchtlingspolitik der vergangenen zwei Jahre hebt sich wohltuend differenziert ab vom üblichen Schwarz-Weiß-Denken in der viel zu oft von Hetze und Denkverboten geprägten Diskussion. Sein Fazit ist zugleich ein Aufruf zum Überprüfen der eigenen Position: "Nur wenn wir wissen, wer wir sind und was wir von den Menschen erwarten, die zu uns kommen, kann es gelingen, Vielfalt zu leben, ohne die eigene Identität zu verlieren." Palmer legt seine eigenen Erfahrungen als Grünen-Politiker mit kommunalpolitischer Verantwortung vor. Vom euphorischen Bejubeln der Neuankömmlinge spannt sein Buch den Bogen über tiefe kulturelle Gräben zwischen "uns" und "denen", die Fallstricke etwa bei der Planung neuer Unterkünfte bis hin zu enttäuschten Erwartungen auf beiden Seiten.
Ein wichtiges Buch, das zur Kontroverse einlädt.
Signatur: Sb
Schlagworte: Flüchtlinge | Integration | Leitkultur
Bewertung: +++
Rez.: Klaus Frieling

Willkommen in unserer Kita. Spiele und Methoden für eine gelungene Integration. Andrea Erkert, Antje Hemming, Elke Schlösser u.a. Münster: Ökotopia 2016. 87 S. : Ill. ; 27 cm. ISBN 978-3-86702-364-1, kt.: 17,99 €
Spiele und Methoden für eine gelungene Integration von Flüchtlingskindern, Spiele ohne Sprache und Bewegungsaktionen.
Die Autorinnen dieses Ratgebers und Praxisbuches sind Pädagoginnen mit viel Erfahrung in den Bereichen interkultureller Pädagogik, sprachlicher Integration von Kindern, Bewegungsförderung und Flüchtlingspädagogik. Zu Beginn geben sie Integrationsimpulse, die konkrete Anregungen geben, wie ankommende Kinder in ihrer jeweiligen Situation gefördert werden können. Auch Hintergrundinformationen zu dem Thema "Traumafolgestörungen" sind enthalten. Es folgen umfangreiche praktische Vorschläge für die Gestaltung des Morgenkreises, Bewegungsspiele, Spiele ohne Worte und Sprachförderspiele. Den Abschluss bilden Impulse für die Zusammenarbeit mit Eltern. Am besten gefällt mir der praktische Teil, der eine Vielfalt geeigneter Spiele enthält und Erzieherinnen eine große Hilfe sein kann.
Kritisch sehe ich die Informationen zum Thema "Umgang mit Traumata". Erzieher sind keine Therapeuten. Deshalb sollten sie nicht ohne fachliche Unterstützung Verhaltensweisen im Hinblick auf Traumatisierung einordnen. Bei Bedarf für Kitas empfohlen.
Signatur: Pc 3
Schlagworte: Integration|Flüchtlinge|Kinder|Pädagogik
Bewertung: ++
Rez.: Tosca Mieglitz

Baer, Udo u. Frick-Baer, Gabriele: Flucht und Trauma. Wie wir traumatisierten Flüchtlingen wirksam helfen können. Gütersloh: Gütersloher Verl. - Haus 2016. 223 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-579-08641-5, kt.: 17,99 €
Kompetent und menschlich werden Wege zur Hilfe traumatisierter Geflüchteten aufgezeigt.
Viele Menschen sind aktiv in der Flüchtlingshilfe, oft ehrenamtlich, oft ohne spezialisierte Ausbildung, einfach nur weil sie den Geflüchteten helfen wollen. Dabei treffen sie dann auf Menschen aller Altersstufen, die von ihrer Flucht und von dem Erlebten in der Heimat traumatisiert sind. Nicht nur die ehrenamtlichen, auch die professionellen Helfer stoßen bei dieser Arbeit oft an ihre Grenzen. Was ist ein Trauma, wie verläuft der Traumaprozess, wie kann man traumatisierten Geflüchteten begegnen und wie gelingt so eine Begegnung, wie geht man mit Sprachschwierigkeiten um, wie mit Rückzug? Drängende Fragen, die anhand von Fallbeispielen ehrlich beantwortet werden.Das selbst in der Flüchtlingshilfe tätige Autorenpaar bietet in diesem Buch sachgerechte Konzepte sowie Hilfestellungen, schafft Respekt für die jeweiligen Einzelschicksale und Verständnis für die unterschiedlichsten Reaktionen der Geflüchteten.
Dieses Buch sollte in jeder Kirchengemeinde vorhanden sein, um es allen in der Flüchtlingshilfe Tätigen zur Verfügung stellen zu können.
Signatur: Sb|Fd
Schlagworte: Flucht|Trauma|Hilfe
Bewertung: +++
Rez.: Helena Schäuble

Höppner, Harald u. Frenzel, Veronica: Menschenleben retten! Mit der Sea-Watch im Mittelmeer. Bearbeitete Fassung. Gelesen von Olaf Pessler. Köln: Lübbe Audio 2016. 4 CDs ; 303 Min. ISBN 978-3-7857-5338-5, : 16,99 €
Reportage über das Sea-Watch-Projekt des Autors zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer.
Sea-Watch: Das ist eine Idee, ein Projekt, ein Schiff. Der Berliner Unternehmer Höppner wollte 2014 dem Leid und Sterben von Flüchtlingen, die von Nordafrika aus versuchen, mit Booten Europa zu erreichen, nicht mehr einfach nur zusehen. Er suchte Mitstreiter, kaufte ein recht altes und kleines Schiff, die Sea-Watch, das dann ab 2015 zwischen Lampedusa und Libyen eingesetzt wurde. Für die Rettung von vielen Flüchtlingen war es zu klein. Seine Aufgabe wurde vielmehr darin gesehen, in dem großen Seegebiet zu patrouillieren, für überladene Flüchtlingsboote Rettungsinseln auszusetzen und größere Schiffe herbeizurufen, die die Flüchtlinge dann nach Italien bringen. Ganz unumstritten ist das Vorgehen und die im Hör-Buch geäußerte Grundhaltung nicht. So irritiert etwa die Aussage, dass massenhaftes Sterben Bestandteil der europäischen (Flüchtlings-)Politik war. - Olaf Pessler liest das Buch des Ich-Erzählers (die Co-Autorin, die Journalistin Veronica Frenzel, wird verschwiegen) in brillanter Weise.
Dort, wo Hörbücher zu aktuellen politischen Fragen nachgefragt werden, als Anschaffung gut denkbar.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Mittelmeer
Bewertung: ++
Rez.: Tobias Behnen

Schaffer, Ute: Einfach nur weg. Die Flucht der Kinder. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2016. 256 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-423-26119-7, kt.: 14,90 €
6 Monate lang sprach Ute Schaffer mit 12 minderjährigen Flüchtlingen, die unbegleitet nach Europa kamen.
Unter widrigsten Bedingungen, bedroht an Leib und Leben, haben sich diese jungen Menschen auf den Weg nach Europa gemacht, belastet von den Erwartungen der zurückgebliebenen Familien. Und nicht nur das Schicksal der Jugendlichen steht im Focus. Kenntnisreich und nüchtern sind die Fluchtursachen und Hintergründe recherchiert und realistisch beschrieben. So werden u.a. viele Zusammenhänge fundiert erklärt, es sind nicht nur die Bedrohungen der Terrormilizen, die die Menschen in die Flucht treiben, sondern auch die zerfallenden Staaten, die ihrer Bevölkerung weder Schutz noch Gerechtigkeit oder wirtschaftliche Perspektiven bieten können. Wer es nach Europa geschafft hat, ist schwer traumatisiert, aber es sind die Stärksten, die ankommen. Und sie sind gekommen um zu bleiben. Doch viel lieber wären sie zu Hause bei ihren Familien geblieben, aber die Möglichkeit hatten sie nicht. So sollte ihnen hier eine Chance geboten werden, bevor sie in einer Schattengesellschaft untertauchen.
Eine hervorragende Ergänzung zur bisher erschienenen Flüchtlingsliteratur, zumal hier Hintergründe hervorragend erläutert werden.
Signatur: Sb 3
Schlagworte: Flucht|Migration|Jugendliche|Hintergründe
Bewertung: +++
Rez.: Ulrike Müller-Hückstädt

Nordland, Rod: The Lovers. Wie zwei junge Liebende in Afghanistan zu Gejagten wurden. Gekürzte Lesung. Gelesen von Walter Kreye. Dt. von Michael Windgassen. Hamburg: Hörbuch Hamburg 2016. 6 CDs ; 477 Min. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-89903-935-1, : 22,50 €
Die wahre Geschichte eines afghanischen Liebespaars, das um sein Leben fürchten und vor der eigenen Familie fliehen muss.
Zakia und Ali gehören verschiedenen Volks- und Religionsgruppen an. Als sie sich ineinander verlieben, beschwören sie eine Katastrophe herauf, denn ihre Familien fühlen sich massiv in ihrer Ehre gekränkt. Zakias Vater trachtet seiner Tochter sogar nach dem Leben und so bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als mit Ali die Flucht anzutreten. Es gelingt den beiden zu heiraten, aber das erhöht ihre Sicherheit keineswegs. Nur dank der Unterstützung des Journalisten Rod Nordland von der New York Times und einiger Hilfsorganisationen gelingt es ihnen, zu überleben und nach Kabul zu gelangen. Doch Zakias Familie verfolgt sie unerbittlich und so fliehen sie schließlich nach Tadschikistan, wo sie als Analphabeten vom Regen in die Traufe kommen. Frustriert kehren sie in ihre Heimat zurück und halten sich dort mit ihrer inzwischen geborenen Tochter verborgen. Obwohl ihr Leben weiter an einem seidenen Faden hängt, sind sie durch ihren Mut für viele junge Afghanen zu Hoffnungsträgern geworden.
Ein ergreifender, sehr differenzierter Bericht, sachlich vorgetragen von Walter Kreye, der viel Diskussionsstoff bietet und in keiner Bücherei fehlen sollte.
Signatur: Bb|Ee
Schlagworte: Fanatismus|Flucht|Afghanistan
Bewertung: +++
Rez.: Elisabeth Schmitz

Rawlence, Ben: Stadt der Verlorenen. Leben im größten Flüchtlingslager der Welt. Dt. von Bettina Münch u. Kathrin Razum. München: Nagel & Kimche 2016. 409 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-312-00691-5, geb.: 24,90 €
Reportage aus dem Flüchtlingslager Dadaab im Norden von Kenia.
Die kenianische Regierung will die fünf Camps des größten Flüchtlingslagers der Welt auflösen. Diese Meldung ging im Mai 2016 um die Welt. Als Grund wurde die Infiltrierung durch die terroristische al-Shabaab-Miliz genannt. Wer den entlang von mehreren Flüchtlingsbiographien angelegten Bericht des britischen Autors gelesen hat, kann die aktuelle Situation besser einordnen. Schon zu oft wurde die Räumung der stadtähnlichen Siedlungen, die weit über 300.000 Menschen notdürftig Obdach bieten, beschlossen. Im lebensfeindlichen Steppenklima hat sich über Jahrzehnte eine problematische bauliche und gesellschaftliche Struktur herausgebildet, die viele der überwiegend aus Somalia stammenden Flüchtlinge daran denken lässt, wieder in ihr von gewalttätigen Islamisten gepeinigtes Heimatland zurückzukehren. - Es gibt einige Karten, die die Dimension der Lager verdeutlichen, Fotos fehlen aber leider völlig. Es ist auch nicht immer einfach, bei den vielen Protagonisten den Überblick zu bewahren.
Ein eindringliches und authentisches Werk, das hilft, die gegenwärtigen Flüchtlingsschicksale und -bewegungen besser zu verstehen.
Signatur: Sb|Ef
Schlagworte: Flüchtlinge|Kenia|Somalia
Bewertung: +++
Rez.: Tobias Behnen

Rietzschel, Antoine: Dreamland Deutschland? Das erste Jahr nach der Flucht. Zwei Brüder aus Syrien erzählen. München: Hanser 2016. 179 S. : Ill. ; 20 cm. ISBN 978-3-446-44818-6, kt.: 16,90 €
Zwei syrische Brüder auf der Flucht, ihre Ankunft und Integration in Deutschland.
Die Brüder Mohanad und Yousuf geben in Syrien ihr Studentenleben auf, lassen ihre Familie zurück und erreichen nach einer abenteuerlichen Flucht Deutschland. Dort werden sie herzlich willkommen geheißen, von Ehrenamtlichen unterstützt und können schließlich in eigener Wohnung für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen. Wie das gelingen konnte, welche Kraft es den Brüdern abverlangte nach gefährlicher Flucht mit der Unsicherheit leben zu müssen, ob ihr Asylverfahren anerkannt wird, wie schwer es ist mit dem Warten, der Langeweile, den Alpträumen und der Angst um die Familie in Syrien zu leben, schildert Rietzschel sehr lebensnah. Deutlich wird auch, dass die Integration ohne die Hilfe Ehrenamtlicher nicht gelungen wäre und wie schwierig es für die Brüder ist, die eigene Identität in der großen Abhängigkeit zu wahren. In einem Faktencheck vermittelt Rietzschel Hintergrundinformationen wie z.B. Umgang mit Traumata, Rolle der Pegida, Asyl etc.
Ein durch die romanhafte Erzählform und den Faktencheck sehr informatives, flüssig zu lesendes Buch, dass allen in der Flüchtlingsarbeit Tätigen und für Gesprächskreise sehr zu empfehlen ist.
Signatur: Bb|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Deutschland|Willkommenskultur|Hintergrund
Bewertung: +++
Rez.: Christine Helming

Tekkal, Düzen: Deutschland ist bedroht. Warum wir unsere Werte jetzt verteidigen müssen. Unter Mitarbeit von Ulrich Gutmair. Berlin: Berlin Verl. 2016. 223 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-8270-01328-6, kt.: 16,99 €
Ein leidenschaftlicher Aufruf zum Engagement gegen Islamismus und Fremdenfeindlichkeit.
Aufsehen erregte Düzen Tekkal zuletzt durch ihren Film "Háwar - Meine Reise in den Genozid", in dem sie die Verbrechen des "Islamischen Staates" an den im Nordirak lebenden Jesiden dokumentierte. Nun richtet die Autorin, eine in Deutschland geborene Jesidin, den Blick auf die deutsche Gesellschaft, die sie durch Islamismus und rechtspopulistische Fremdenfeindlichkeit gleichermaßen bedroht sieht. Ausführlich erzählt Tekkal aus ihrem Leben als Kind einer Gastarbeiterfamilie, von ihrer Arbeit als Journalistin und der Entstehungsgeschichte ihres Films. Politisch wirbt Tekkal zur Abwehr der "bösen Zwillinge" -oft sehr plakativ und unkritisch- für einen Patriotismus, der sich nicht an der Herkunft, sondern an gemeinsamen Werten festmacht, für ein für alle offenes Schulsystem und für ein Einwanderungsgesetz, das klare Rechte und Pflichten formuliert.
Ein anregender Diskussionsbeitrag zur Einwanderungspolitik aus politisch eher konservativer Sicht - allen zu empfehlen, die sich in der Unterstützung von Flüchtlingen engagieren.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Migration|Islamismus|Rechtspopulismus|Jesiden
Bewertung: ++
Rez.: Erhard Reschke-Rank

Jakob, Christian: Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern. Berlin: Ch. Links 2016. 255 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-86153-884-4, kt.: 18,00 €
Umfangreiche Einblicke, Hintergründe, Erklärungen, zur Entwicklung der Flüchtlingsbewegung von 1994 bis heute.
„Die“ Flüchtlinge gibt es nicht, aber eine Flüchtlingsbewegung, und das nicht erst seit Kurzem. Christian Jakob widmet sich der Zeit von 1994 bis heute. Der „taz“-Journalist erklärt verständlich (mit Quellenangaben) Entwicklungen in Politik, Gesellschaft (vom „besorgten Bürger“ bis zu Solidaritäts-Unterstützern) und bei der Situation der Kommenden. Er stellt am Beispiel von 12 Porträts Auswirkungen von Residenzpflicht, Selbstorganisation und Duldung vor: berichtet von jenem Nigerianer, der die erste Flüchtlingsprotestbewegung aufbaute, der Kindheit in der nur geduldeten Familie, der alleinerziehenden Kenianerin mit Ossietzky-Medaille und der Roma-Situation. Mit Hungerstreiks, Camps, bundesweiten Märschen kämpfen Geflüchtete um Aufmerksamkeit, bessere Gesetze und veränderten dieses Land zum Besseren, so Jakob. Weitere Akteure stellt er auch vor: Europa, Politiker, das „BAMF“-Ministerium und Geschäftemacher. Ein umfassender Überblick! Im Anhang: Glossar, kurzer Asylrechtsabriss, Lese-Hinweise und Links.
Jeder Bibliothek sofort sehr empfohlen, besonders auch Schulbüchereien. Sehr gut zu verwenden als Grundlagen-Informationshilfe.
Signatur: Sb
Schlagworte: Flüchtlingsbewegung|Deutschland|Integration|Hintergrund
Bewertung: +++
Rez.: Delia Ehrenheim-Schmidt

Schreiber, Constantin: Marhaba, Flüchtling! Im Dialog mit arabischen Flüchtlingen. Übersetzung ins Arab. von M. Abdelaziz. Hamburg: Hoffmann & Campe 2016. 144 S. ; 18 cm. ISBN 978-3-455-50411-8, geb.: 15,00 €
Zweisprachige (deutsch-arabische) Betrachtungen über das deutsche Selbstbild, aufgezeichnet von einem arabophilen Journalisten.
Anliegen des kleinen, feinen Büchleins ist es, Grundlagen und Werte der deutschen und arabischen Kultur zu erklären und dadurch den Leser zum Überdenken seiner eigenen Sichtweise anzuregen. Als Publikum wünscht sich Constantin Schreiber - Moderator und Korrespondent bei verschiedenen in- bzw. ausländischen TV-Sendern - deutsch und arabisch sprechende Leser. Zu diesem Zweck sind sämtliche Texte im Buch ins Arabische übersetzt, so dass es von zwei Seiten gelesen werden kann. Herzstück ist wohl der Teil „Deutschland in zehn Punkten“. Dort werden Aspekte wie „Politik“, „Wirtschaft“, „Recht und Ordnung“, „Männer und Frauen“, „Glaube“, „Fremdenfeindlichkeit“, „Literatur“, „Essen und Trinken“ sowie „Sprache“ trefflich thematisiert. Der Autor beleuchtet, wie Deutschland von der arabischen Welt wahrgenommen wird und macht konkrete Vorschläge, auf welche Weise die Integration arabischer Flüchtlinge gelingen kann. Ein informatives Buch, das deutschen und arabischen Lesern neue Blickwinkel eröffnet! (Für seine Sendung »Marhaba - Ankommen in Deutschland«, die von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH produziert wird, erhält Constantin Schreiber den Grimme-Preis 2016 in der Kategorie »Information & Kultur/Spezial«. Red.)
Selbst in kleineren Bibliotheken sollte dieses sehr wichtige Buch zum Verständnis aktueller demographischer Veränderungen, die jeden in Deutschland betreffen, angeboten werden.
Signatur: Sa|Se
Schlagworte: Flüchtlinge|Arabien|Völkerverständigung|Wertediskussion
Bewertung: +++
Rez.: Martina Mattes

Di Nicola, Andrea u. Musumeci, Giampaolo: Bekenntnisse eines Menschenhändlers. Das Milliardengeschäft mit den Flüchtlingen. Dt. von Christine Ammann. München: Antje Kunstmann 2015. 205 S. : Ill. ; 20 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-95614-029-7, geb.: 18,95 €
Reporter berichten über das milliardenschwere Geschäft der Menschenhändler und Schlepper, die Flüchtlinge aus vielen Ländern der Welt über verschiedene Routen nach Europa bringen.
Die Autoren, ein Kriminologe und ein Journalist, berichten von der größten kriminellen ‚Reiseagentur’ der Welt. In ihrem umfassend und gründlich recherchierten Report lassen sie Schlepper, Schleuser und Menschenhändler zu Wort kommen, die von ihrer Arbeit berichten. Sie offenbaren ein gigantisches kriminelles Netzwerk, dessen Umsatz nur noch vom internationalen Drogengeschäft übertroffen wird. Der Leser erhält tiefe und erschreckende Einblicke in das skrupellose Geschäft mit der Ware Mensch, die über die unterschiedlichsten Routen nach Europa geschleust wird. Es gibt ein breit gefächertes Angebot an ‚Dienstleistungen’ für diejenigen, die bereit und finanziell in der Lage sind, die damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen. Die Hintermänner sind praktisch nicht zu greifen und verdienen ein Vermögen, nur die kleinen Fische (z.B. der Kapitän, der ein schrottreifes Boot voller Flüchtlinge steuert) landen in den Netzen der Behörden. Berichtet wird von den allseits bekannten, aktuellen Brennpunkten im Mittelmeer (Türkei/Griechenland und Lampedusa) und an der Kanalküste (Calais).
Ein hochaktueller und erschütternder Report, der breit empfohlen wird.
Signatur: Sb|Sc
Schlagworte: Flüchtlinge|Menschenhandel|Illegal|Einwanderer
Bewertung: +++
Rez.: Wolfgang Vetter

Hartmann, Anita: Das Herz an zwei Orten. Frauen erzählen von Flucht und Neuanfang. Fotos von Heike Prüshoff. Mit einem Vorwort von Gesine Schwan. Leipzig: Ed. Chrismon 2016. 117 S. : Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-96038-001-6, geb.: 14,90 €
15 beeindruckende Porträts von Migrantinnen. Sie haben ihr Land verlassen und wollen in Deutschland eine neue Heimat finden.
Der Titel hätte nicht besser gewählt werden können: Das Herz an zwei Orten. Jede der von Anita Hartmann und Heike Prüshoff interviewten Frauen hat wohl einen Teil von sich in ihrem Geburtsland zurückgelassen bzw. zurücklassen müssen. In Deutschland versuchen sie nun, manche seit kurzem erst, manche auch seit Jahren, Fuß zu fassen, sich ein Leben in Freiheit aufzubauen und fern der Heimat glücklich zu werden. 15 Frauen verschiedener Herkunft, Religion, Bildung und unterschiedlichen Alters wurden dazu in Wort und Bild porträtiert. Freimütig geben sie Auskunft über ihre Vergangenheit, die Triebkraft, die hinter ihrem Weg nach Deutschland stand und über ihre Sehnsüchte oder Wünsche in der Zukunft. Abwechslungsreich, fesselnd, traurig oder heiter – kaum eine Emotion fehlt in den Geschichten von Nabila, Aysel, Noura, Salem und allen anderen. Der Leser selbst fühlt von der ersten Zeile mit. Die tiefen Einblicke in die verschiedenen Biografien dieser Heldinnen des Alltags bereichern sehr.
Ein ganz besonderes „Lesebuch“, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, wenn einem das Schicksal anderer besonders das von Migrantinnen nicht egal ist.
Signatur: Ba|Sb
Schlagworte: Frauen|Migrantinnen|Lebensentwürfe|Freiheit
Bewertung: +++
Rez.: Martina Mattes

El-Gawhary, Karim u. Schwabenender, Mathilde: Auf der Flucht. Reportagen von beiden Seiten des Mittelmeeres. Wien: K & S 2015. 188 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-218-00989-8, geb.: 22,00 €
Reportagen über das Flüchtlingselend auf beiden Seiten des Mittelmeeres.
Hunderttausende Flüchtlinge strömen derzeit nach Europa. Die einheimische Bevölkerung nimmt sie mittlerweile als eine bedrohliche Masse wahr, die Angst vor einer Überforderung der Gesellschaft wächst. Aus dem Blick geraten dabei die Einzelschicksale. Wer sind die Menschen, die sich unter Lebensgefahr auf den Weg über das Mittelmeer machen, die alles verloren haben und nun auf eine bessere Zukunft hoffen? Mathilde Schwabeneder und Karim El-Gawhary, Korrespondenten des ORF, holen in ihren Reportagen einige aus der Anonymität und lassen sie erzählen: von den Gräueln der Bürgerkriege in Syrien und im Irak, vom Dahinvegetieren und Sterben in den großen Flüchtlingslagern im Libanon, vom Horror der Flucht durch die Sahara und von Schiffsuntergängen. Sie berichten über die Skrupellosigkeit der Schleppermafia und von traumatisierten Rettern, die Menschen und Leichen aus dem Wasser zogen. Dies alles ist nur schwer zu ertragen, aber wie El-Gawhary schreibt: „Ein Buch kann man weglegen, die Wirklichkeit nicht.“ Das letzte Kapitel widmet sich dem oberösterreichischen Dorf Großraming, dessen Bewohner die Aufnahme von Flüchtlingen zunächst strikt ablehnten, dann aber mit großem Engagement die ehrenamtliche Betreuung der Neuankömmlinge übernahmen. Ein hoffnungsvoller Schluss in diesem bewegenden, aber düsteren Reportageband.
Für Krankenhausbüchereien geeignet.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Krieg|Hilfsbereitschaft
Bewertung: +++
Rez.: Michael Freitag

Armbruster, Jörg: Brennpunkt Nahost. Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens. Frankfurt: Westend 2013. 217 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-86489-037-6, geb.: 17,99 €
Die großen Erwartungen an den Arabischen Frühling sind durch repressive Militärs und aggressive Islamisten pulverisiert worden. Syrien ist in der Region der brutalste Kriegsschauplatz – und Ursprung der Flüchtlingswelle, die nach Europa zieht.
Jörg Armbruster hat als Krisenreporter aus der Problemregion berichtet, wurde in Aleppo von einem Heckenschützen selbst schwer verletzt. Er kann die komplexen und komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten verständlich darstellen und die brisanten Konflikte im Kontext der Protestbewegungen gegen autoritäre islamische Regime kompetent analysieren. Und er blickt auch auf die Situation der christlichen Minderheit. Armbruster schreibt aus eigenem Erleben, lässt sich aber nicht von seinen Eindrücken überwältigen und wahrt die kühle Distanz, die die Lektüre für Außenstehende eben gerade deshalb so interessant macht. Für keinen der Kontrahenten ergreift er Partei - enthemmte Gewalt erlebte er von Assad-Getreuen ebenso wie von den Gegnern des Regimes. Erhellend auch Armbrusters Abhandlung zu den türkisch-syrischen Beziehungen: Machten die Staatsmänner Erdogan und Assad noch 2008 im türkischen Badeort Bodrum gemeinsam Badeurlaub, so kam es 2011 beinahe zum offenen Krieg zwischen dem Alawiten Assad (der einen Ableger der PKK unterstützt) und der selbsternannten islamischen Leitfigur Erdogan (der kurdische Separationstendenzen fürchtet).
Ein deutliches Urteil fällt der Autor über die Haltung des Westens: Europa und die USA hätten zu lange zugeschaut und geschwiegen. Schon in seinem Buch „Der arabische Frühling“ von 2011 hatte Armbruster gemahnt, der Westen müsse von seinem hohen Ross steigen und sein Verhältnis zu den Arabern gründlich überdenken. Und er schrieb schon 2013 (dem Erscheinungsjahr des Buches), dass der Konflikt in Syrien nur dann enden werde, wenn sich die USA und Russland stärker einmischen.
Auch drei Jahre nach seinem Erscheinen ist dieses Buch lesenswert, zeigt es uns doch Ursachen der aktuellen Flüchtlingskrise auf. Wie beim ebenfalls empfehlenswerten Buch von Peter Scholl-Latour („Der Fluch der bösen Tat“) zeigt auch der langjährige TV-Korrespondent Armbruster „das Versagen des Westens“ in der arabischen Welt auf. Jetzt zwar nicht mehr auf dem letzten Stand, aber als grundlegende Information über diese wichtige Weltregion empfehlenswert.
Signatur: Ee|Sa
Schlagworte: Flüchtlinge|Nahost|Krieg|Bürgerkrieg|Islam
Bewertung: ++
Rez.: Klaus Frieling

Kursbuch 183. Wohin flüchten? Hg. von Armin Nassehi u. Peter Felixberger. Mit Beiträgen von Jochen Oltmer, Jürgen Ebach u.a. Hamburg: Murmann 2015. 192 S. ; 23 cm. ISBN 978-3-86774-425-6, kt.: 19,00 €
Ein sachlicher Diskurs zur aktuellen Flüchtlingsproblematik.
Die erstmalig in 1965 erschienene Zeitschrift "Kursbuch", die sich kritisch mit unterschiedlichen (politischen) Themen auseinandersetzte und in jungen intellektuellen Kreisen sehr populär war, wurde in 2012 wiederbelebt. Wie auch vor gut 50 Jahren werden Themen zur modernen Gesellschaft aus verschiedenen Richtungen und von Autoren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien beleuchtet. Die Ausgabe 183 befasst sich mit der Flüchtlingsproblematik. Zwölf Autoren - Soziologen, Journalisten und Migrationsforscher, betrachten die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln: Wie sehen die Träume von Flüchtlingen aus, wie hat sich die Migration historisch entwickelt, was bestimmt die europäische Flüchtlingspolitik? Antworten gibt es keine, jedoch viele Denkanstöße. In Zusammenarbeit mit dem Kölner Migrations-Audio-Archiv können per QR-Code Lebensgeschichten von Flüchtlingen abgerufen und gehört werden. - Ein sehr informatives, sachliches und mit großer Sachkunde geschriebenes Buch.
Kein Buch für die "Durchschnittsbücherei", jedoch wichtig für alle Gemeinden und Menschen, die mit der Flüchtlingsproblematik konfrontiert werden.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Integration|Asyl
Bewertung: +++
Rez.: Helena Schäuble

Richter, Michael: Fluchtpunkt Europa. Unsere humanitäre Verantwortung. Hamburg: Ed. Körber Stiftung 2015. 241 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-89684-172-8, kt.: 16,00 €
Flüchtlingspolitik als humanitäre Verantwortung.
Michael Richter, freier Autor und Regisseur der Dokumentarfilme "Fluchtpunkt Europa" und "Abschied im Morgengrauen", beschäftigt sich seit Jahren mit der deutschen und der europäischen Flüchtlingspolitik. Richter stellt dem Leser umfangreiches Recherchematerial zur Situation in den Heimatländern, den Fluchtgründen und den Fluchtrouten zur Verfügung. Er erklärt häufig benutzte Begriffe wie push-back, mare nostrum, Triton, Kartoum Prozess und füllt sie mit Leben. Richter skizziert die unerträgliche Situation von Flüchtlingen in den Auffanglagern Griechenlands, Bulgariens und Italiens, aber auch die Bedingungen in deutschen Erstaufnahmelagern, sowie die bürokratischen Hürden z. B bei der Arbeitssuche. Als Ausblick nennt der Autor Wege zur Lösung der Situation und fordert Asyl als unverhandelbares Menschenrecht ernst zu nehmen und humanitär auszugestalten.
Aufgrund der umfassenden Recherche und der guten Lesbarkeit ist das Buch allen Büchereien für alle in der Flüchtlingsarbeit Tätigen sehr zu empfehlen.
Signatur: Sa|Sc
Schlagworte: Flüchtlinge|Flüchtlingskrise|Asylgesetzgebung
Bewertung: ++
Rez.: Christine Helming

Schweizer, Gerhard: Syrien verstehen. Geschichte, Gesellschaft und Religion. Gerhard Schweizer. Stuttgart: Klett-Cotta 2015. 503 S. ; 19 cm. ISBN 978-3-608-94908-7, kt.: 9,95 €
Abriss zum Verständnis der Entwicklung in Syrien und dem Nahen Osten.
Schon seit Jahrtausenden trafen die islamische und die abendländische Welt im Nahen Osten aufeinander. Hier entwickelten sich Hochkulturen, die sich gegenseitig befruchteten, aber auch bekämpften. Wer die heutige Situation verstehen will, muss die sich im 20. Jahrhundert abzeichnende bedrohliche Entwicklung des arabischen Nationalismus und islamischen Fundamentalismus in den Blick nehmen, aber auch die so andere politische und gesellschaftliche Lage zuvor kennen. Der Kulturwissenschaftler Gerhard Schweizer, der seit Jahrzehnten in Syrien und den angrenzenden Ländern forschte, erkannte schon früh die Konfliktpotentiale, die dann 2011 im sogenannten 'Arabischen Frühling' aufbrachen und die ganze Region nach und nach erfassten. So auch Syrien, das seit Jahrtausenden ein Kulturraum an der Nahtstelle zwischen Orient und Okzident war. Doch die Vielfalt führte auch über Jahrhunderte zu Toleranz und gegenseitiger Akzeptanz. Den Wurzeln der mannigfachen kulturellen Strömungen, Unterschieden und Verzahnungen nachzugehen, Traditionen aufzuzeigen und die neuzeitigen Umbrüche zu benennen, sind das Anliegen des Autors und eine wichtige Voraussetzung zum Verständnis der gegenwärtigen Situation.
Der Band bietet einerseits eine materialreiche Dokumentation über das uralte Kulturgebiet und ist andererseits ein Schlüssel zu Verständnis der gegenwärtigen Lage im Nahen Osten.
Signatur: Ee|Gc
Schlagworte: Kulturgeschichte|Weltreligionen|Religiöse Konfliktpotentiale|Naher Osten
Bewertung: ++
Rez.: Halgard Kuhn

Heimat im Kochtopf. Rezepte von Flüchtlingen aus aller Welt. Séverine Vitali. Fotos von Ursula Markus. Zürich: Rotpunkt 2015. 271 S. : überw. Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-85869-671-7, geb.: 34,90 €
Flüchtlinge aus der ganzen Welt erzählen ihre Geschichte und bitten mit Rezepten aus ihrer Heimat zu Tisch.
Heimat im Kochtopf heißt für viele Menschen, die heute in der Schweiz leben, nach ihrer Tradition zu kochen. Es geht um Menschen aus allen Teilen der Welt wie zum Beispiel Sri Lanka, Senegal, Tibet oder Syrien. Gyatso aus Tibet wurde nach der Teilnahme an einer Demonstration verfolgt und flüchtete in einem fünfzehntägigen Fußmarsch durch die Berge nach Nepal und von dort weiter in die Schweiz. Da lebt er nun mit anderen Flüchtlingen zusammen in einer alten Schule. Er stellt Momo & Schabale, (gedämpfte und frittierte Teigtaschen mit Fleischfüllung) und Dessi (süßer Dessert-Reis) vor. Wie bei Gyatso lernt man bei allen Rezepten eine Familie und deren Geschichte kennen. Die Rezepte sind gut beschrieben und es lohnt sich das eine oder andere nachzukochen. - Sechzehn Länder, achtundvierzig Rezepte und viele, viele Geschichten - ein Buch, das man auch mal so in die Hand nehmen und darin lesen kann. In einem Glossar werden die Begriffe, die uns nicht bekannt sind, erklärt.
Für Leserinnen und Leser mit Interesse an fremden Kulturen und deren kulinarischen Traditionen bestens empfohlen. Auch für Krankenhausbüchereien gut geeignet.
Signatur: Ra 2|Sb
Schlagworte: Kochen|Flüchtlinge|Ausländische Küche|Fremde Kulturen
Bewertung: +++
Rez.: Christine Schwendener

Smith, Mike: Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats. Dt. von Ursula Pesch, Karlheinz Dürr u. Karsten Petersen. München: Beck 2015. 287 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-406-68219-3, kt.: 14,95 €
Einblicke in die Terrorgruppe Boko Haram.
Der Verfasser hat seit 2010 den Aufstieg des Terror-Kalifats für AFP (Agence France-Presse) beobachtet. Er schreibt inzwischen von Paris aus für Zeitungen und Magazine wie „State Magazine“ oder „Guardian“. Die Initiative „Bring Back Our Girls“ ist zum Symbol des Kampfes gegen Boko Haram geworden - gleichzeitig zum Symbol der Machtlosigkeit der nigerianischen Regierung. Mike Smith legt die erste umfassende Darstellung der Boko Haram-Gruppierung vor. Die Entwicklung dieses Terror-Kalifats wird beschrieben, deren Herkunft der Norden Nigerias ist: der Aufstieg der Boko Haram-Kommandeure Mohammed Yusuf und Abubakar Shekau, der Wandel der Strategien im Boko Haram zu Entführungen, Selbstmordattentaten und internationalen Kontakten und Netzwerken. Smiths Bericht stellt den Terror dieser Gruppe dar und fragt nach Antworten auf das Terror-Kalifat.
Eine gut recherchierte Studie, die in jede Bücherei gehört. Sa , Se
Signatur: Sa|Se
Schlagworte: Terrorismus|Afrika|IS|Kalifat
Bewertung: ++
Rez.: Martin Weskott

Bourcier, Beatrice: Mein Sommer mit den Flüchtlingen. Der bewegende Bericht einer freiwilligen Flüchtlingshelferin. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel 2015. 176 S. ; 24 cm. ISBN 978-3-95558-164-0, kt.: 14,90 €
Ohne Sozialromantik erzählt die Autorin von den Begegnungen, die dazu beitrugen, Vorurteile abzubauen und Verständnis zu gewinnen.
Die Betroffenheit der Autorin führt zum Handeln. Sie engagiert sich im Helferkreis einer typischen Erstaufnahmeeinrichtung in ihrem oberbayrischen Heimatdorf. Hundertausendfach sind die geflohenen Menschen hier angekommen. Die Turnhalle als Erstaufnahmeunterkunft und die Container, das bedeutet für ihr Dorf, dass 4.000 Einwohnern fast 300 Flüchtlinge gegenüberstehen. B. Bourcier schreibt ihr Erleben auf und gibt so den Helferinnen und Helfern im Land eine Stimme. Und den Flüchtlingen die Gelegenheit, möglichst vielen Menschen ihre Geschichten zu erzählen. Neben der Energie und der Dynamik des ehrenamtlichen Engagements werden aber auch die Grenzen sichtbar. Der Erfahrungsbericht zeigt das starke humanitäre Engagement mit allen Hindernissen, Konflikten mit den Flüchtlingen und der Bürokratie, den mühsamen Weg der Bildung und des Erlernens der deutschen Sprache und Lebenssituationen. Dies geschieht in einer Sprache, die mitunter etwas zu boulevardesk ist, aber dadurch auch zu Argumentationen und Fragen anregt.
Ein persönlich geprägter Erfahrungsbericht. Geeignet zur Erstinformation über Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer, zumal die Schicksale der Betroffenen nicht zu kurz kommen.
Signatur: Sb|Se
Schlagworte: Flüchtlinge|Helfer|Ehrenamt
Bewertung: ++
Rez.: Martin Weskott

Und das ist erst der Anfang. Deutschland und die Flüchtlinge. Hg. von Anja Reschke. Mit Beiträgen von Maximilian Popp, Bahman Nirumand u.a. Reinbek: Rowohlt Polaris 2015. 333 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-499-63184-9, kt.: 12,99 € €
Flüchtlinge: eine Herausforderung, der sich unsere Gesellschaft stellen muss.
26 namhafte AutorInnen wie z. B. Bahman Nirumand, Gabriele Gillen, Kristin Helberg, Norbert Mappes-Niedeck, Daniela Dahn, Stefan Buchen, Simone Schmollack, Herfried Münkler, Thomas Straubhaar und Heribert Prantl machen diesen, von Anja Reschke (ARD) herausgegebenen Band zu einem guten Überblick mit Hintergrundwissen zu einer Entwicklung, die die gesellschaftliche Diskussion prägt. Das Spektrum der Themen reicht vom Leben im Exil, über die Fluchtursachen (Syrien, Balkan, historische Verantwortung des Westens für die Flüchtlinge), Fluchtwege (Willkommenskultur, Fluchtwege in der Türkei, SeaWatch, Frauen, Kinder und Jugendliche auf der Flucht, lange Reise nach Deutschland) Deutschland und Europa (Volksfront von rechts, ökonomische Aspekte der Flüchtlingszuwanderung) und Ausblick (was jetzt zu tun ist, eine gute europäische Flüchtlingspolitik).
Dieser Band gehört in jede Bücherei. Gut ür Veranstaltungen und Diskussionsgruppen geeignet.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Europa|Deutschland|Verantwortung
Bewertung: +++
Rez.: Martin Weskott

Bislimi, Nizaqet mit Beate Rygiert: Durch die Wand. Von der Asylbewerberin zur Rechtsanwältin. Köln: DuMont 2015. 255 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-8321-9789-6, geb.: 19,99 €
In den 13 Jahren der Duldung schafft N. Bislimi gegen alle Widerstände das Jurastudium, sie arbeitet heute als Anwältin.
1993 flieht die Mutter mit 5 Kindern nach Deutschland und es beginnt eine Odyssee durch die Instanzen. Die Autorin erkämpft sich das Recht auf Bildung, trotz der immer wieder ablehnenden Bescheide und der enormen psychischen und physischen Belastung in den unterschiedlichsten Flüchtlingsunterkünften macht sie ihr Abitur und studiert Jura. Ihre Familie gehört der Ethnie der Roma an, was sie lange aus Angst vor Diskriminierung verschweigt. Viele Wege ebnen ihr vorurteilsfreie Menschen aus dem Umfeld, die sich über Jahre für sie und ihre Geschwister einsetzen. Nach 13 Jahren, Bislimi spricht bereits als Referendarin im Namen des Staates Recht, wird ihr eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Heute ist sie neben ihrer Anwaltstätigkeit Vorsitzende des "Bundes Roma Verbandes" und setzt sich vehement für Chancengleichheit ein. Ihr flammender Apell allerdings verhallt angesichts der unglaublich vielen Menschen, die heute in Deutschland Schutz suchen.
Eindringlich wird beschrieben, wie sich jahrzehntelange Ungewissheit auf Menschen auswirkt - und was mancher trotzdem erreicht!
Signatur: Bb|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Asyl|Bildung|Roma
Bewertung: +++
Rez.: Ulrike Müller-Hückstädt

Gärtner, Melanie: Grenzen am Horizont. Drei Menschen. Drei Geschichten. Drei Wege nach Europa. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel 2015. 171 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-95558-148-0, kt.: 19,90 €
Drei junge Männer sind auf dem Weg nach Europa vor Ceuta gestrandet. Aber sie schaffen es, bis nach Spanien zu kommen.
"Jeder Mensch, der seine Heimat verlässt, hat seine eigene Geschichte. Eins haben alle gemeinsam: Niemand geht ohne Grund" (S. 46). So auch Babu aus Indien, Sekou aus Mali und Cyrill aus Kamerun. Ihr Grund ist wirtschaftliches Elend. Sie stehen vor dem Zaun, das vermeintlich gelobte Land vor Augen und kommen erst einmal nicht weiter. Sie hausen unter erbärmlichsten Bedingungen im Wald, haben sich aber alle eine Art Arbeit ergattert. Die Autorin begleitet nicht nur ihren Alltag, sondern fährt in die jeweiligen Heimatländer, besucht die Familien. Sie muss feststellen, dass die Männer unter immensem Druck stehen, die Erwartungen an sie sind enorm. Schließlich schaffen es alle drei aufs Festland, ergattern auch hier wieder einen Job, nur reich werden sie nicht, die Familien können sie nicht unterstützen. Sie gingen aus der Armut in die Perspektivlosigkeit. Das Schicksal der Männer wird völlig wertfrei dargestellt, ohne Wertung oder Anklage gegen das anscheinend so hartherzige Europa.
M. Gärtner läßt keinen Zweifel daran, dass Menschen ohne jede Ausbildung in Europa keine Chance haben und die schwierige und teure Flucht eigentlich völlig vergebens war.
Signatur: Bb|Sb
Schlagworte: Flüchtlinge|Fluchtursachen|Perspektivlosigkeit
Bewertung: +++
Rez.: Ulrike Müller-Hückstädt

Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet. München: Beck 2015. 174 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-406-67749-6, kt.: 14,95 €
Eine pointierte Darstellung der Hinter- und Beweggründe der westlichen Nahostpolitik und deren katastrophale Folgen.
Dieses Buch erscheint zur rechten Zeit. Wo viele ratlos auf Flüchtlingsströme starren, lenkt Michael Lüders den Blick auf die Ursachen. Als Korrespondent der „ZEIT“ hat er die Entwicklung im Nahen Osten miterlebt und beschreibt sie kenntnisreich und detailliert. Er zeigt die unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern auf und schildert anhand von Fakten, welches Chaos der Westen und besonders die USA zur Wahrung eigener Interessen durch Geheimdienste, militärische Interventionen und wirtschaftliche Sanktionen in den einzelnen Ländern angerichtet hat. Er setzt ein bei den Ereignissen im Iran in den 50er Jahren und zeigt, dass die Westmächte aus den dort gemachten Fehlern nichts gelernt haben, sondern nach gleichem Handlungsmuster in Afghanistan und anderen Ländern vorgingen und zur Zeit in Syrien vorgehen. Für Lüders haben die USA die Grundlagen für al-Qaida, Taliban und Islamischen Staat gelegt. Wer Wind sät, wird Flüchtlinge ernten.
Eine nicht nur für politisch Interessierte unbedingt empfehlenswerte spannende Lektüre.
Signatur: Sa|Se
Schlagworte: Nahostpolitik|Islamismus|Flüchtlinge
Bewertung: +++
Rez.: Karl Foitzik

Kissler, Alexander: Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss. Alexander Kissler. Gütersloh: Gütersloher Verl. - Haus 2015. 183 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-579-07098-8, geb.: 17,99 €
Alexander Kissler lotet aus, was ein westliches Freiheitsverständnis tolerieren und wie es seine Werte verteidigen kann.
Kissler diagnostiziert die vom Terror geprägte Gegenwart. Besonderes Augenmerk legt er auf den muslimischen Antisemitismus. Er rekonstruiert den Toleranzgedanken mit Voltaire und John Locke und greift auf das Naturrechtsdenken Ciceros zurück, das elementare Menschenrechte aus der Natur begründet. Er zeigt die Strategien, die die Angriffe auf die Freiheit schön reden: Selbstzensur; Psychologische Verharmlosung der Täter; die Nicht-Kritisierbarkeit des Islams, wenn Islamkritik zu Islamophobie erklärt wird; Meaculpismus, der die Schuld für Terrorismus in der westlichen Lebensweise sieht. Kissler erinnert an die Freiheitsgeschichte Europas und zieht eine Grenze gegen Intoleranz: die Unterscheidung von Staat und Religion; Werben für Weltanschauung und Religion; Freiheit der Lebensführung. Das Menschenbild Jesu wird zum Schibboleth (Codewort) gegen einen Islam, der Freiheit nur innerhalb des Islams kennt.
Das Buch kann Anlass sein, um miteinander ins Gespräch zu kommen, sei es in Bibelstunden, interreligiösen Arbeitskreisen oder als Textauszug im Religionsunterricht.
Signatur: Sa|Cl 1
Schlagworte: Toleranz|Werte|Islamophobie
Bewertung: +++
Rez.: Martin Schulz

Bota, Alice, Pham, Khuê u. Özlem, Topcu: Wir neuen Deutschen. Wer wir sind, was wir wollen. Reinbek: Rowohlt 2012. 176 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-498-00673-0, geb.: 14,95 €
„Migranten“: starke Herausforderungen – herausfordernde Stärken.
Alle drei Autorinnen sind gerade über dreißig Jahre alt und arbeiten als Politikredakteurinnen bei der ZEIT. Die Unterschiede ihrer geografischen und sozialen Herkunft sind groß, aber es eint sie ein gemeinsames Gefühl: „Wir sind Deutsche!“ Damit, so stellen sie gleich zu Anfang heraus, sind sie nicht allein. Für rund 16 Millionen Bürger stellen sie einen Migrationshintergrund fest. Im Wechsel von gemeinsam verfassten Essays zu den verschiedenen Herausforderungen mit persönlichen Erfahrungsberichten beschreiben sie ihren besonderen Zugang zu Deutschland. Weil sie ganz offen dazu stehen, dass ihnen die „Herkunftskultur“ ihrer Eltern weiterhin wichtig ist, leiden zwar auch sie an „gespaltener Identität“, aber für sie ist diese u.a. Grundlage für zusätzliche Kreativität. Die Autorinnen achten die Leistungen ihrer Eltern und die Chancen, die sich ihnen dadurch in Deutschland eröffnet haben.
Ein positiver Akzent zu den schon vorliegenden Berichten und Analysen über die neuen Deutschen: Es muss noch viel verbessert werden, aber erste Erfolge sind eindeutig erkennbar!
Signatur: Bb|Sb
Schlagworte: Deutschland|Gesellschaft|Migranten|Interkulturalität
Bewertung: ++
Rez.: Rüdiger Sareika

Gorelik, Lena: „Sie können aber gut Deutsch!“. Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf, und Toleranz nicht weiterhilft. München: Pantheon 2012. 239 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-570-55131-8, kt.: 14,99 €
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Es kommt darauf an, eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung zu etablieren.
Mit jugendlicher Frische, (Selbst)-Ironie und gutem Faktenwissen präsentiert Lena Gorelik (Jahrgang 1981) ihre Sicht auf die gelungenen und weniger gelungenen Aspekte des „Multikultilands“ BRD. Es ist ausgesprochen erhellend, dass sie die Entwicklungen in Deutschland vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Russlanddeutsche schildert. Die Nähe und Fremde zu den anderen „Migranten“ und zu den „Einheimischen“ erfährt so eine zusätzliche, bewusst einbezogene Brechung. Ihr Fazit: „ ... diese Vielfalt ist Reichtum, anstrengend und nervenaufreibend, problematisch und großartig zugleich ... Dies ist ... unser aller Deutschland.“ Die Autorin möchte Mut machen, einen Weg zu einem Zusammenleben zu finden, dass den Besonderheiten des Landes ebenso Rechnung trägt wie denen der Menschen, die neu dazu gekommen sind. So erarbeitet sie ein Konzept eines „WIR-Deutschland“, das zu einer generellen Strategie bei der Behandlung alles „Befremdlichen“ beitragen kann.
Ein „literarisches“ Sachbuch, das Mut macht, sich an der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft auf vielerlei Weise zu beteiligen.
Signatur: Sb|Bb
Schlagworte: Integration|Deutschland|Interkulturalität
Bewertung: +++
Rez.: Rüdiger Sareika

Wolfgang Grenz, Julian Lehmann u. Stefan Keßler: Schiffbruch. Das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik. München: Knaur 2015. 205 S.; 21 cm. (Knaur Klartext). ISBN 978-3-426-78745-8, kt.: 12,99 €
Einführung in die Geschichte und den gegenwärtigen Stand der Flüchtlingspolitik in Europa und Deutschland ein mit einem Ausblick auf rechtliche Entwicklungen.
Ausgangspunkt ist das Scheitern der Flüchtlingspolitik, das mit dem Namen Lampedusa verbunden ist (Kap. 1). Die derzeitige Flüchtlingspolitik ist Folge der Flüchtlingsströme nach dem 2. Weltkrieg (Kap. 2). 1951 entsteht die Genfer Flüchtlingskonvention, deren Geltung 1967 durch ein Zusatzprotokoll über Europa hinaus ausgedehnt wird. Weltweite Flüchtlingswellen erzeugen Abwehr und rechtliche Regelungen (Kap. 3). Dublin I-III regeln die Anerkennung und Behandlung von Flüchtlingen innerhalb Europas. Abwehrmaßnahmen an Grenzen und Transitabkommen mit Zubringerstaaten bestimmen die europäische Politik (Kap. 4). Für Deutschland kritisieren die Autoren die überlange Verfahrensdauer und deren Qualität, die Unterbringung der Flüchtlinge, den mangelnden Zugang zum Arbeitsmarkt und die derzeitige Bleiberechtsregelung (Kap. 5). Im Schlusskapitel 6. wird ein differenzierter Ausblick gegeben auf die Flüchtlingspolitik als eigenes Feld, als Politik für die, die nicht fliehen können, als Legalisierung von Zugangskorridoren zu sicheren Staaten, als Resettlement, als gerechtes Verteilungssystem, als innereuropäische Gerechtigkeit, als Recht des Protests von Flüchtlingen u. a. m. - Ein klug beobachtendes Buch, das didaktisch gut aufgebaut ist und die Probleme deutlich benennt.
Kirchengemeinden können ihre Flüchtlingsarbeit gut plausibel machen und in diese Arbeit einführen; politisch Interessierte erhalten einen guten Überblick.
Signatur: Sa|Sb
Schlagworte: Flucht|Abschiebung|Flüchtlingspolitik
Bewertung: +++
Rez.: Martin Schulz

Hyun, Martin: Ohne Fleiß kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde. München: btb 2012. 318 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-442-75343-7, kt.: 14,99 €
Unter den Migranten sind die Koreaner eine Minderheit. Das Kind eines „Tigervaters“ erzählt vom Integrationsdschungel.
1979 wurde der Autor in Deutschland geboren. Seine Eltern hatten das Südkorea der Militärdiktatur von Park Chung-hee verlassen. Der Vater war als Bergarbeiter von unbedingtem Aufstiegswillen geprägt und trimmte seine Kinder auf Erfolg in Deutschland, aber auch auf Respekt vor der koreanischen Tradition. So erlebte Martin eine Kindheit voller Widersprüche, aber auch mit vielen Anregungen. In seinem Leben als Eishockeyspieler, Student der Politikwissenschaft und als Mitarbeiter von koreanischen und deutschen Politikern hat er sehr viel Erfahrung mit dem Thema Integration gesammelt. In seinen Beobachtungen vermerkt er kritisch die Unterschiede in der Wahrnehmung der Migrantengruppen untereinander und durch die „Deutschen“. Mit viel Selbstironie, aber auch mit zum Teil beißendem Spott geht er auf die jeweiligen Vorurteile ein und benennt die Defizite im Umgang miteinander.
Eine anregende Sammlung von „Streiflichtern“ über die Gefahren und Chancen unserer multikulturellen Gegenwart mit vielen Hinweisen auf die Struktur unseres politischen Systems.
Signatur: Bb
Schlagworte: Interkulturalität|Deutschland|Migranten|Korea
Bewertung: ++
Rez.: Rüdiger Sareika

Jang, Lucia mit Susan McClelland.: Ich bat den Himmel um ein Leben. Eine Mutter erzählt ihre Flucht aus Nordkorea. Dt. von Antoinette Gittinger. Mit einem Nachwort von Stephan Haggard. München: Knaur 2015. 315 S. ; 19 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-426-78739-7, kt.: 9,99 €
Eine Schicksalsbiografie über ein entbehrungsreiches Frauenleben in Nordkorea.
Der biografische Roman basiert auf Gesprächen zwischen den Autorinnen Susan McClelland und Lucia Jang, deren Leben in Nordkorea von Kindheit an bis zur Flucht nach Kanada erzählt wird. Schon ihre Kindheit ist geprägt von Missachtung innerhalb der eigenen Familie, geprägt durch das Unrechtsregime. Als junge Frau hofft sie durch Heirat auf ein besseres Leben, doch sie wird bitter enttäuscht und kehrt arm mit ihrem Sohn ins Elternhaus zurück. Ihr Kind wird ihr weggenommen und verkauft und ihr zweites will sie nicht auch noch verlieren, obwohl sie im Straflager landet. Wie durch ein Wunder gelingt ihr die Flucht über China bis hin nach Kanada. Durchgängig folgt ein Schicksalsschlag auf den nächsten, denen sich Jang unbeugsam widersetzt. Wie sich das politische System auf den Alltag ihrer Familie auswirkt und sie fliehen muss, wird eindrücklich und spannend geschildert.
Bibliotheken mit an Schicksalsromanen interessiertem Publikum empfohlen.
Signatur: Bb|Ee
Schlagworte: Frauenschicksal|Nordkorea|Flucht
Bewertung: ++
Rez.: Kathrin Vogel

Kleinschmidt, Kilian: Weil es um die Menschen geht. Als Krisenhelfer an den Brennpunkten der Welt. Berlin: Econ 2015. 349 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-430-20180-3, geb.: 19,99 €
Seit Mitte der 1990er Jahre ist der Autor weltweit in den Krisengebieten als Nothelfer für Flüchtlinge engagiert.
Als Beamter der UNO kennt Kleinschmidt die Brennpunkte dieser Welt, und das sind viele! Er wird dort als erster Nothelfer eingesetzt, wo politische Situationen eskalieren, wo Terror oder Katastrophen die Menschen aus ihrer Heimat in die Flucht treiben. Er soll mit seinen Einsätzen in Afrika, Asien und der Karibik die erste Not lindern und den Menschen zum Überleben verhelfen. Dabei ist das Elend, dem er begegnet, unfassbar. Die Organisatoren gehen oft abenteuerliche Wege um die flüchtenden Menschen überhaupt zu finden und ihnen Hilfe sowie Unterkunft - und sei sie noch so primitiv - zukommen zu lassen. Finanziert werden die Einsätze oft mit Spenden, von denen aber der größte Teil in den Organisationen verbraucht wird und nur in Bruchteilen bei den Bedürftigen ankommt. Aber er schildert auch die Zustände in den großen Lagern, wo sich schnell die hierarchischen Strukturen, vor denen die Menschen flohen, wieder etablieren. Und das ist die Regel: Jäger werden zu Opfern werden zu Jägern.
Hochaktuell, zumal Kleinschmidt praktikable Vorschläge zum Umgang mit den Flüchtlingsströmen anbietet. Sehr empfohlen, auch wenn die Lektüre wenig Hoffnung auf gute Lösungen macht.
Signatur: Se|Sa
Schlagworte: Flüchtlinge|UNHCR|Menschenwürde
Bewertung: +++
Rez.: Ulrike Müller-Hückstädt

Kowaluk, Agnieszka: Du bist so deutsch! Mein Leben in einem Land, das seine Tugenden nicht mag. München: Riemann 2014. 223 S. : 21 cm. ISBN 978-3-570-50166-5, kt.: 16,99 €
Mit Kenntnis und Einfühlung hält uns die Autorin den Spiegel vor - ein Glücksfall für unsere Selbsterkenntnis und unseren Umgang mit Fremden.
Agniezka Kowaluks Blick „von außen“ auf unsere Befindlichkeiten ist erkenntnisreich, humorvoll – und lesenswert! Wie der in Polen erfolgreiche deutsche Kabarettist Steffen Möller den Menschen in Warschau, Krakau und anderswo einen Spiegel vorhält, so notiert Autorin Kowaluk ihre Erfahrungen in unserem „Land, das seine Tugenden nicht mag“. Dass die auch als Übersetzerin tätige vielbelesene Journalistin auf einen großen Fundus literarischer gesellschaftlicher Abhandlungen zurückgreifen kann, verbreitert die philosophische Basis ihres Werks noch. Und ihre feinen Beobachtungen hierzulande und häufige Vergleiche mit dem Lebensstil in ihrer Heimat Polen zeigen, dass wir eben doch oft anders sind, als man zu wissen glaubt. Besser! Der öffentliche Raum, auf den Plätzen der Städte etwa, sei in Deutschland beispielsweise viel lebendiger als anderswo, verweist Kowaluk auf quirlige Straßencafes und bunte Wochenmärkte. Das ist durchaus eine neue Sichtweise für uns (West-) Deutsche, die wir traditionell eher nach Westen (die Boulevards in Paris) und Süden (die Straßencafes in Rom) schauen und im Vergleich mit der dortigen Kultur oft Defizite beim „Savoir vivre“ beklagen. Vom Osten des zusammenwachsenden Europas betrachtet stellt sich die Welt ein bisschen anders dar. So zeigt uns Agniezka Kowaluk Aspekte eines Lebensstils auf, den sie mag und über dessen Wert wir uns (trotz Stress, Ärger und Unzufriedenheit, die uns so oft quälen) auch im Klaren sein sollten. Die in München lebende Autorin hat eine Art Liebeserklärung an ihre Wahlheimat geschrieben, die die hier vorherrschende eher kritische Selbsteinschätzung ein wenig zurechtrückt. Wir sind entspannter, als wir denken. Gut lesbar werden hier soziologische und kulturelle Aspekte des zusammenwachsenden Europas angesprochen.
Spannend, informativ und mit positiver Lebenseinstellung hat Agnieszka Kowaluk ein Buch geschrieben, das gerade auch für kirchliche Büchereien eine lohnende Anschaffung ist.
Signatur: Sb
Schlagworte: Fremdheit|Mentalität|Toleranz
Bewertung: +++
Rez.: Klaus Frieling

Meier-Braun, Karl-Heinz: Einwanderung und Asyl. Die 101 wichtigsten Fragen. München: Beck 2015. 160 S. ; 18 cm. ISBN 978-3-406-68355-8, kt.: 10,95 €
Wer in der Flüchtlingsfrage nicht nur reden, sondern profund etwas zu sagen haben möchte, braucht dieses Informationspaket.
In 101 wichtigen Fragen wird die gesamte Situation der Flüchtlingsproblematik in Deutschland und Europa dargestellt. Ein ebenso gründlicher, wie umfangreicher Führer in diese diffizile Problematik.
Von vielen verschiedenen Seiten wird durch das Konzept der Fragen die Problematik angegangen. Es wird aufgezeigt, wie viele Menschen in Deutschland/Europa Asyl suchen und an anderer Stelle wird erörtert, warum Menschen aus ihren Heimatländern flüchten. Dadurch ist gewährleistet, dass alle relevanten Informationen aktuell zusammengetragen werden, der Leser zugleich ebenso wahrnimmt, dass man sich dieser Problematik nicht von einer Seite her annähern kann.
Der Gewinn dieses Buches liegt über die Zahlen, Daten und Fakten hinaus darin, dass er die Komplexität und die Schwierigkeiten darlegt und nachvollziehbar werden lässt. Lesenswert ist dieses Buch zugleich dadurch, dass sich der Autor nicht hinter den Informationen versteckt, sondern abgewogen die Entwicklungen kommentiert und sachkundig einschätzt.
Für alle, die sich mit den Fragen Asyl und Flüchtlingssituation auseinandersetzen wollen und müssen. Ein umfangreicher informativer Einstieg in die Materie.
Signatur: Sb|Sa
Schlagworte: Flüchtlinge|Asyl|Deutschland
Bewertung: +++
Rez.: Dirk Purz

Omar, Qais Akbar: Die Festung der neun Türme. Die Geschichte meiner afghanischen Familie. Dt. von Leon Mengden. München: C. Bertelsmann 2014. 511 S. ; 22 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-570-10167-4, geb.: 19,99 €
Odyssee einer afghanischen Familie. Spannende Biographie mit Einblick in fremde Kultur- und Glaubensbereiche.
Qais, Protagonist und Ich-Erzähler (späterer Teppichknüpfer) erinnert in seiner Geschichte an eine behütete Kindheit in Kabul inmitten der Familie mit Zusammenkünften im Garten des klugen - von ihm verehrten - Großvaters, der die Geschicke der gesamten Verwandtschaft leitet. Im Kreise seiner Söhne werden Zukunftspläne geschmiedet, geprägt von der Liebe zu Kultur, Weltliteratur und traditionellen Werten. Die Frauen hingegen bilden einen separaten Zirkel in dem private, sehr persönliche Themen dominieren während in der Debattierrunde der Jugendlichen Aktualitäten, spannende Alltagsfragen erörtert werden, alles begleitet von buntem, fröhlichem Treiben, Spielen, vertrauensvoller Unbeschwertheit, purer Daseins-Freude.- Diese Idylle wird jäh zerrissen durch den Einbruch der Taliban, die Angst und Entsetzen verbreiten. Mit der Entscheidung, in den Norden zu flüchten, beginnt ein abenteuerlicher, äußerst gefährlicher Schritt in eine ungewisse Zukunft. Es müssen lebensbedrohliche Situationen gemeistert werden ehe die Beteiligten - oft durch überraschende Hilfe - in friedlicheren Gebieten landen. Prosaisch, atmosphärisch dicht, brisant in Thema, Stil und Ausdruck.
Geeignet für Interessierte dieses Genres mit hohem(aktuellem) Diskussionspotential. Empfehlung für alle (Patienten-) Büchereien.
Signatur: Bb
Schlagworte: Afghanistan|Flucht|Familie|Erinnerung
Bewertung: +++
Rez.: Brigitta Morgenstern

Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit! Geschichten aus der Heimat. Nicol Ljubić [Hg.]. Mit Beiträgen von Lena Gorelik, Herta Müller u.a.. Hamburg: Hoffmann & Campe 2012. 205 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-455-50246-6, kt.: 18,50 €
17 Schriftsteller mit Migrationshintergrund schreiben über ihr Deutschland, ihre Heimat, Herkunft und Identität.
Geschichten von 17 deutschsprachigen Autoren, die immer wieder mit ihrer Biografie konfrontiert werden, weil sie fremd klingende Namen haben, oder weil sie dunkelhäutig sind, oder weil sie selbst oder ihre Vorfahren nicht hier geboren wurden - alles Deutsche mit Migrationshintergrund, von denen es fast neun Millionen gibt. Diese Deutschen sind mit dem ironischen Titel gemeint. - „Gewöhnt hat man sich offenbar noch nicht an sie“, erklärt Herausgeber Ljubić seine Motivation für dieses Buch angesichts der Emotionalität der Sarrazin-Debatte. Er drückt es drastisch aus: „Deutsch ist leider die einzige Sprache, die ich akzentfrei spreche..“. Unter den Autoren sind so bekannte Namen wie Zsuzsa Bánk, María Cecilia Barbetta, Herta Müller, Ijoma Mangold, Irene Dische, Petra Reski und Selim Özdogan. Herta Müller z.B. sagt: „…nicht Sprache ist Heimat, sondern das, was gesprochen wird“.
Eine auch literarisch herausragende Anthologie zu einem hochaktuellen Thema, die in keiner Bücherei fehlen sollte.
Signatur: Bb|Sb
Schlagworte: Migrationshintergrund|Anthologie|Deutschland|Interkulturalität)
Bewertung: +++
Rez.: Ileana Beckmann

Yeong Ok, Choi u. Kretschmer, Fabian: So etwas wie Glück. Acht Jahre auf der Flucht - mein langer Weg aus Nordkorea in die Freiheit. Mit Saebyul Hwang. Reinbek: Rowohlt 2015. 282 S. ; 19 cm. ISBN 978-3-499-62928-0, kt.: 9,99 €
Erschütternder Lebensbericht einer Frau, die aus Not Nordkorea, Heimat und Familie verlässt.
Uns im Westen mögen Nordkoreas Machthaber als Witzfigur erscheinen. Doch das Leben in der Volksrepublik ist alles andere als lustig, wie Choi Yeong Oks Bericht zeigt. Unfrei und bitterarm sind die meisten Menschen dank Gehirnwäsche ab Kindertagen doch treue Anhänger der Diktatorenfamilie. So auch Choi. Aber aus der Hungerkrise zu Ende der 90er sieht sie nur einen Ausweg: Sie flieht nach China und lässt ihre zwei kleinen Töchter zurück. Was als kurzer Aufenthalt zum Geldverdienen gedacht war, gerät zur achtjährigen Odyssee durch Ausbeutung und Diskriminierung. Erst spät lernt sie einen Chinesen kennen, der sie heiratet und ihre Flucht nach Südkorea unterstützt. Durch die Strapazen verliert Choi ihr Baby und ihre Freundin und büßt ihre Gesundheit ein. In Südkorea fasst sie langsam Fuß und konvertiert zum Christentum. Bald holt sie ihren Mann nach und fahndet nach ihren Töchtern. Die jüngere kommt sogar zu ihr nach Seoul. Doch ein richtiges Familienleben gelingt zu Chois Bedauern nicht mehr.
Diese Biografie einer starken Frau, schlicht und eindrücklich wiedergegeben von dem Journalisten Fabian Kretschmer, passt nicht nur sehr gut in Büchereien mit Asienschwerpunkt.
Signatur: Bb|Ee
Schlagworte: Nordkorea|Südkorea|China|Flucht
Bewertung: +++
Rez.: Kerstin Wohne
Noch nicht besprochen

Buchta, Wilfried: Terror vor Europas Toren. Der Islamische Staat, Iraks Zerfall und Amerikas Ohnmacht. Frankfurt am Main: Campus 2015. 413 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-593-50290-8, kt.: 22,90 €
Signatur:
Schlagworte: Flüchtlinge
Bewertung:
Rez.: Michael Freitag