Newsletter "Gemeinde" 09/2020
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Die liebe Familie ist nicht immer heil und lieb. Unsere Lesetipps rund um das Thema Familie beleuchten die trauten und die abgründigen Seiten des Familienlebens. Micha Friemel und Jacky Gleich zeigen die Situation des „Sandwichkindes“ zwischen jüngeren und älteren Geschwistern, Kate DiCamillo erzählt von einem Mädchen, das – von der Großmutter zurückgelassen – eine neue Familie finden muss, die Psychotherapeutin Coulin-Riegger erzählt in ihrem belletristischen Debüt von einer destruktiven Mutter-Tochter-Beziehung (mit tröstlichem Ende) und Susanne Bohne lässt eine Großmutter-Enkelin-Beziehung im Ruhrgebiet lebendig werden.
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Lulu in der Mitte. Micha Friemel. Ill. von Jacky Gleich. München: Hanser 2020. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-446-26612-4, geb.: 14,00 €
Lulu hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. Sie ist also das Kind in der Mitte ...
Lulu hat zwei Geschwister. Ihr großer Bruder Kevin kann tolle Sachen machen und wird dafür von allen bewundert. Die kleine Leonor hingegen kann fast noch nichts, aber sie ist ja so süß. Lulu ist sehr still und schnipselt am liebsten Papier und gehört mal zu den Großen, mal zu den Kleinen. Sie fühlt sich zu wenig beachtet und hält dies manchmal nicht mehr aus. Dann wird sie zornig und wird dafür von ihren Eltern geschimpft. Eines Abends kann sie nicht einschlafen und muss fürchterlich weinen. Da endlich bekommt sie die ersehnte Aufmerksamkeit von ihren Eltern und vieles klärt sich für sie auf.
Micha Friemel beschreibt in wenigen Sätzen, wie in einer Familie immer wieder um die Balance gegenüber allen, besonders den Kindern, gerungen werden muss. Jacky Gleich besticht mit einfachen Zeichnungen in wenigen Farben, dennoch lässt sich das Leben eines mittleren Kindes kaum turbulenter darstellen.
Ein witziges Bilderbuch um die Situation des mittleren Kindes, sensibel auf den Punkt gebracht.
Familien mit drei Kindern werden ihren großen Spaß an diesem Bilderbuch haben, ebenso kann man in der Kita gut auf die Situation eines Sandwichkindes eingehen. Gut geeignet auch als Geschenk.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Sandwichkind | Familie | Geschwister
Bewertung: +++
Rez.: Barbara Hildenbrand

DiCamillo, Kate: Louisianas Weg nach Hause. Roman. Dt. von Sabine Ludwig. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2020. 207 S. ; 22 cm. Aus d. amerikan. Engl. ISBN 978-3-423-76287-8, geb.: 12,95 €
Von der Großmutter in einem Motel zurückgelassen, ist Louisiana auf sich allein gestellt.
Kate Di Camillo wählt selten ganz leichte Themen für ihre Bücher. In diesem lernen wir Louisiana, eine der Protagonistinnen aus „Little Miss Florida“ besser kennen. Eines nachts wird sie von der offenbar psychisch nicht gesunden Großmutter, bei der sie lebt, aus dem Schlaf gerissen, ins Auto verfrachtet - und ab geht es über die Grenze Richtung Georgia. Sie sind auf der Flucht vor einem Fluch, der laut Granny auf der Familie lastet, seit der zaubernde Urgroßvater seine Frau entzweigesägt auf der Bühne zurückgelassen hat. Doch dann beschließt die Großmutter, sich dem Fluch zu stellen und die Enkelin in einem Motel zurückzulassen. Louisiana sieht nun nur einen Weg: Sie muss irgendwie wieder zu ihren Freundinnen nach Hause kommen. Helfen will ihr dabei Burke, ein Junge, der zwei Sandwiches macht, wenn man um eines bittet, der eine zahme Krähe und eine Familie mit einem riesengroßen Herzen hat. Louisiana eröffnet sich am Ende der Weg in ein neues, glückliches Zuhause.
Eine Geschichte, die den Leser*innen viel zutraut und die trotz aller Schwere mit leichter Hand erzählt ist. Mit einer starken Mädchenfigur, die einem schnell ans Herz wächst. Für Erwachsene mag das Happy End etwas zu leicht daherkommen, doch es versöhnt und macht sehr froh.
Signatur: Ju 2
Schlagworte: Freundschaft | Identität | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Coulin-Riegger, Ulla: Mutters Puppenspiel. Roman. Tübingen: Klöpfer, Narr 2020. 173 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-7496-1027-3, geb.: 22,00 €
Mutters Puppenspiel handelt von Menschen, die schwer zueinander kommen oder die sich nicht voneinander lösen können.
Im Zentrum steht die narzisstische Mutter, die ihre Tochter Lisette emotional missbraucht. Die Tochter, eine 38jährige emanzipierte Ärztin, durchschaut das Puppenspiel ihrer Mutter, kann sich aber nicht aus der Gefühlsübermacht der Mutter befreien. Bis Lisette sich verliebt, in einen verheirateten Mann mit Frau und Tochter. Das verärgert die Mutter maßlos. Erst als eine neue Freundin der Tochter ins Spiel kommt, eine Psychotherapeutin, gelingt es, Lisette aus der Umklammerung der Mutter herauszuholen. Ulla Coulin-Riegger, selbst Psychotherapeutin, beschreibt die Beziehungen der Personen so wahrhaftig, dass Lesende gefangen sind in den verworrenen Beziehungsstrukturen. Als Lesende möchte man der Tochter helfen, herauszukommen aus der Abhängigkeit vom Liebhaber und von der Mutter. Am Ende gibt es ein überraschendes Geheimnis, das die Lesenden erschüttert. Und dass am Ende alles glücklich endet, ist fast nicht zu glauben. Ein lesenswertes Debüt von Ulla Coulin-Riegger.
Ein aufregender, absolut fesselnder Roman für alle Mütter und Töchter und alle an Psychologie interessierten Lesenden.
Signatur: SL
Schlagworte: Psychologie | Beziehungen | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Andrea Zimmermann

Bohne, Susanne: Das schräge Haus. Roman. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl. 2020. 349 S. ; 19 cm. ISBN 978-3-499-000051-5, geb.: 15,00 €
Von Leben, die Häuser sind, von Ella als Kind und als Psychotherapeutin und von ihrer liebevollen Großmutter Mina.
Die Schrebergarten-Idylle im Ruhrpott ist für die anfangs 8-jährige Ella wie ein Zuhause. Die Großmutter Mina schenkt ihr einfühlende Liebe, die die Mutter nicht gibt. Und mit Yvonne hat Ella eine Freundin fürs Leben. Alles ist gut, bis Ella dem Tod begegnet; ein bleibender Schock.- 26 Jahre später: Ella ist Psychotherapeutin, kümmert sich um Patienten, die alle etwas „schräg“ wie Häuser sind, in die Ella versucht, hineinzusehen. Ein wunderbares Bild! Auch Ella selbst ist wie ein schräges Haus, wie Mina sagt. Unschlüssig, ewig zögernd, voller Bedenken fürchtet Ella, niemanden mehr zu finden, der zu ihr passt. Als Yvonne heiratet, kurz drauf Mina stirbt, verliert Ella eine Zeitlang jeden Halt. Doch alles wird gut! - Der Roman nimmt mit, ist sensibel, leise, voller liebenswerter, verschrobener Figuren und Lebensskizzen. Eine tiefe psychologische Weisheit, Menschen- und Milieukenntnis und der feste Glaube liegen ihm zugrunde, dass alles gut werden kann, so schräg es auch oft erscheint.
Ein Buch zum Eintauchen! Fein, sensibel, hintergründig doch locker geschrieben, verspricht es: Egal wie schräg etwas scheint, es kann sich zum Guten wenden. Für besinnliche Leser.
Signatur: SL
Schlagworte: Großmutter | Enkelin | Ruhrgebiet | Lebensweise
Bewertung: +++
Rez.: Heide Germann