"Der Poet der kleinen Dinge" von Marie-Sabine Roger

Literaturgottesdienst

AutorInnen: Team der Ökumenischen Bücherei Johanneskirche Wuppertal und Pfarrer Gerson Monhof

Gehalten in der Johanneskirche Wuppertal am 25.05.2014 zu dem Roman „Der Poet der Kleinen Dinge“ von Marie-Sabine Roger. Aus d. Franz. von Claudia Kalscheuer. München: dtv 2013. 240 S. ISBN 978-3-423-21432-2. kt. 9,95 €

Orgel, Klavier und Querflöte: Christine Göbel

Literaturgottesdienst zu "Der Poet der kleinen Dinge" Druckversion PDF

 

  • Übersicht/Ablauf

    Lieder          
    EG 444 „Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne“

    EG 663 „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“

    EG 395 „Vertraut den neuen Wegen“

    EG 607 „Herr, wir bitten, komm und segne uns“

     

    Eröffnung und Anrufung

    Musik zum Eingang
    Begrüßung
    Lied    EG 444 „Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne“

    Psalm 139 „Welche der Geist Gottes treibt die sind Gottes Kinder“(EG 759.1 + 2)

    Gebet

    Musik 1

     

    Vorstellen des Romans

    Inhaltsangabe

    Die handelnden Personen (einzeln evtl. in Ich-Form) [außer Marlene und Bertrand]

    1 Alex

    2 Gérard „Roswell“

    3 Olivier „Der Zackenbarsch“

    4 Cédric

    Musik 2

    5 Verhältnis von Alex und Gérard unter dem Gesichtspunkt des Sprachlichen

    Lied    EG 663 „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“

     

    Predigt

    „Begegnung von Buch und Jahreslosung“

    Lied    EG 395 „Vertraut den neuen Wegen“

    Aktion: Aphorismen

    Musik 3

     

    Kanzelabkündigungen / Fürbitte / Vater unser

    Kanzelabkündigungen

    Fürbitte

    Vater unser

  • Eröffnung und Anrufung

    Musik zum Eingang

    Begrüßung

    Lied    EG 444 „Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne“

    Psalm 139 „Welche der Geist Gottes treibt die sind Gottes Kinder“(EG 759.1 + 2)

    Gebet

    Herr, unser Gott,

    Leben, Zufriedenheit, Glück.

     

    Wir bringen vor Dich

    unser versorgtes und zuweilen üppiges Leben,

    unsere tiefe und auch durchaus lang anhaltende Zufriedenheit,

    unsere glücklichen Momente, Stunden und Zeiten und manchmal unbändiges Glück.

    Wir danken dir!

     

    Wir klagen Dir aber auch

    unser unsicheres und zuweilen geradezu verworrenes Leben,

    unsere von Enttäuschungen durchkreuzte und manchmal völlig verloren gegangene und Zufriedenheit,

    unser beschädigtes und manchmal auch zerstörtes Glück.

    Wir bitten Dich um Hilfe!

     

    Was ist das Leben?

    Was ist der Schlüssel zum Leben, zur Zufriedenheit, zum Glück?

    Was gibt uns Richtung und Bestand?

     

    Du!

    Was wären wir ohne Dich und Deine Worte, Deine Zusagen, Deine Gewissheit, Dein Tragen, Deinen Geist, Deine Liebe?

     

    Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben!

    In allen Wechselfällen des Lebens wollen wir Dir vertrauen!

    Amen.

     

    Musik 1

  • Vorstellen des Romans

    Anmoderieren z. B. mit der Rezension des Buches (Autorin: Maike Linne)

    "Wie viele Menschen abonnieren aus Versehen das Unglück und kündigen dann nie wieder?" So geht es wohl Alex, Cédric und Olivier. Alle Drei sind auf ihre Art unglücklich. Alex wird von ihrer Bindungsangst ruhelos von Ort zu Ort getrieben. Cédric trauert seiner großen Liebe hinterher und verfällt in Lethargie. Olivier, genannt der Zackenbarsch, hat ein großes Ziel im Leben: Aus leeren Bierdosen einen Staudamm bauen. Doch dann tritt Gèrard in ihr Leben. Gèrard ist stark geistig behindert, kann kaum sprechen oder laufen und strahlt doch eine solche Fröhlichkeit und Lebensfreude aus, daß etwas aufbricht in aller Leben. Zusammen machen sie sich auf und finden das Glück. - Nach ihrem Bestseller „Das Labyrinth der Wörter“ legt Marie-Sabine Roger wieder ein bezauberndes Buch vor. Die Geschichte wird abwechselnd aus Cedrics und Alex’ Perspektive erzählt, dadurch werden die Charaktere lebendig und plastisch. Die einzelnen Personen werden generell sehr liebevoll und detailreich beschrieben. Ein Buch, das Hoffnung macht und dabei erfreulich frei von Kitsch ist.“

     

    Inhaltsangabe (Autor: Wolfgang Brix)

    Die französische Schriftstellerin Marie-Sabine Rogèr hat einen Roman geschrieben, der ins Deutsche mit dem Titel “Der Poet der kleinen Dinge” übersetzt wurde.

    Die Handlung spielt in einer Kleinstadt in Nordfrankreich.

    Die 4 Hauptfiguren in diesem Roman - die sich selbst gleich noch vorstellen werden -  sind die Weltenbummlerin Alex, der körperlich und geistig Behinderte Gèrard ( auch Roswell genannt), der zur Zeit Arbeitslose Cedric und der im Geschäft seines Vaters arbeitende Olivier, genannt der Zackenbarsch. Alle 4 Personen sind um die 30 Jahre alt, ohne festen Partner und haben  ihren eigenen erfüllten Lebensweg noch nicht gefunden. Die Schriftstellerin beschreibt mit viel Einfühlungsvermögen diese Personen. Sie alle sind Suchende mit sehr viel Frust und dennoch steckt in ihnen viel Kraft.

    Die Hauptfigur Alex arbeitet vorübergehend als Aushilfskraft auf einer Hühnerfarm in der Normandie. In einem Einfamilienhaus wohnt sie zur Untermiete. Ebenso wohnen in diesem Haus auch der Vermieter mit seiner Frau und der Bruder des Vermieters. Der Bruder mit Namen Gèrard ist geistig und körperlich behindert und die Ehefrau des Vermieters versucht verbitternd, den Behinderten loszuwerden.

    Alex dagegen, die sich durch Gèrards Fröhlichkeit und dessen Liebe zur Poesie zu ihm hingezogen fühlt, und ihre beiden Freunde Cedric und Olivier arbeiten daran, wie sie dem Behinderten ein besseres Leben in Aussicht stellen können.

    Der Roman gewinnt erst langsam an Fahrt, die ersten beiden Drittel widmen sich fast komplett der Beschreibung des Ist-Zustandes. Wir lernen Alex und Gèrard näher kennen und auch, wie die Beziehungen zwischen Alex und Cedric und Olivier sich langsam entwickeln. Erst im letzten Drittel kommt die Handlung in Schwung. Dafür überschlagen sich die Ereignisse zum Schluss fast, das Ende kommt überraschend. Alex und Gèrard und die beiden Freunde unternehmen gemeinsam eine Motorradreise auf den Bauernhof einer Freundin von Alex. Die nun folgende Urlaubswoche verändert das Leben aller Beteiligten.

    In diesem Roman geht es nicht nur um Freundschaft und um Umgang mit Außenseitern, sondern es geht auch um Schwierigkeiten erwachsen zu werden und um das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung.

     

    Die handelnden Personen [außer Marlene und Bertrand]

    1. Alex (Autorin Ursula Rinke)

    Ich heiße Alex, bin 30 Jahre alt, lang und dürr, habe einen Igelschnitt und Piercings in den Augenbrauen. Meine Stimme ist rauchig und heiser, und ich sehe aus wie ein Junge. Ein paar mal habe ich Angst gehabt, nachts, wenn ich spazieren ging, aber wenn ich wie ein Kerl aussehe, gehe ich unbeschwerter, weil ich gern allein bin.

    So richtig habe ich meinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Ich ziehe lieber durchs Land und nehme anspruchslose Aushilfsjobs an. Auch eine feste Beziehung oder Bindung möchte ich nicht eingehen, das ist wie eine Fessel, und ich will meine Freiheit noch weiterhin genießen. Vielleicht bin ich noch etwas unreif und unfertig, denn, „ich bin freilaufend aufgewachsen“.

    Zur Zeit wohne ich bei Marlene, Bertrand und Gérard und arbeite in der örtlichen Hühnerfarm.

    Gérard ist der Bruder von Bertrand und stark behindert. „An dem Tag, als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, habe ich gedacht, so wie er aussieht, muss er den IQ einer Kaulquappe haben. Aber das stimmt nicht. Gérard ist intelligent. Pech für ihn. Aber er hat trotz allem Spaß und liebt das Leben. Deshalb beschämt er uns.“

    Durch Zufall hörte ich ein Gespräch zwischen Marlene und Bertrand, dass Gérard ausgesetzt werden soll, einfach so, wie ein Hund. Das habe ich nicht zugelassen. Ich habe ihm beigebracht, seinen Namen und seine Adresse zu sagen, las ihm vor, ging mit ihm spazieren und sang mit ihm. Er konnte so poetische Gedichte aufsagen, die er von seiner verstorbenen Mutter gelernt hat. Das machte uns Spaß. Ich mochte ihn immer mehr und fühlte mich für ihn verantwortlich.

    Bei einem Spaziergang mit Gérard wurden wir von zwei üblen Typen angegriffen, die Gérard als Monster bezeichneten. Aber es kam unverhofft Hilfe von zwei jungen Männern. Sie hießen Cedric und Oliver, genannt der Zackenbarsch. Das schweißt zusammen, wir lernten uns näher kennen und schlossen Freundschaft.

    Als ich von der Hühnerfarm die Kündigung erhalten habe, traf mich das nicht besonders. Ich habe schon seit längerem gespürt, dass ich wieder aufbrechen muss. Als sich meine lauwarme Beziehung aus der Türkei gemeldet hat, war das für mich wie ein Wink des Schicksals, die Ferne ruft wieder.

    Nur der Abschied von Gérard fällt mir schwer, das wird diesmal weniger einfach und lustig werden. Ich hoffe aber, dass es Gérard gut gehen wird, denn es ergab sich eine tolle Möglichkeit. Gérard wird nicht ausgesetzt werden, sondern die schreckliche Marlene und Bertrand verlassen. Er wird zukünftig auf dem Hof meiner Freundin Clo zusammen mit Cédric und dem Zackenbarsch leben als „Mann für nichts“.

    Und ich, ich habe eine Mail von meiner Affäre bekommen - die Türkei winkt, und ich werde folgen, denn „ich will leben, für immer und bis zum letzten Tag. Ich habe noch ein Stück Weg vor mir. Die Türkei ist ein schöner Anfang“.

     

    2. Gérard („Roswell“) (Autorin Ursula Schwöbel)

    Ich bin Schherard Schhanscheheff ( S.130).

    Sie haben mich nicht verstanden?  Dabei habe ich mir große Mühe gegeben richtig zu sprechen, besser kann ich es nicht.

    (S. 26) Mein Bruder Bertrand sagt, bei meiner Geburt hätten sie wohl Mist gebaut. Ein Riesenkuddelmuddel.  Er sagt, Gerard lebt in einer anderen Welt.

    Mein Anblick erschreckt Fremde, sie glauben ich sei ein Monster, weil alles an mir unförmig ist. Der Mund zu groß., der Körper viel zu dünn und krumm. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten und allein gehen, deshalb sitze ich meist in einem Rollstuhl. Ich lache mich gern halbschlapp und singe laut, wenn ich mich freue.

    Für meine Mutter war ich bis zu ihrem Tod (S.179) ihr Liebling, der Schatz ihres Lebens,. Sie hat mit mir gesungen und gelacht, mir Gedichte immer wieder vorgesprochen. Ich singe sehr gern und laut und rezitiere Gedichte. Aber wer mich verstehen will, benötigt viel Einfühlungsvermögen

    Seit meine Mutter nicht mehr lebt, wohne ich im Haushalt meines Bruders. Seine Frau versorgt mich, aber ich habe Angst vor ihr.

    Alex nennt mich Roswell, weil ich sie an einen Außerirdischen erinnere. Sie und ihre Freunde meinen es gut mit mir. Sie nehmen mich auf einen Bauernhof mit, wo sie länger bleiben wollen. ( S.231) Auch ich möchte bleiben, ich frage ob ich nicht zufällig als Mann für nichts  nützlich sein könnte.

    Meine Freude zählen meine nichtsnutzigen Talente auf: Er kann Gedichte aufsagen, grottenfalsch singen, und Popcorn zubereiten und dabei fast die Küche in Brand setzen.

    Ich lächle mein schönstes lächeln. Na dann, in der Tat.... hat Clo nachdenklich gemeint. Ich muss zugeben, dass wir wirklich niemand anderen haben, der das alles kann.

    Ganz behutsam hat sie gefragt: Du möchtest also auch wieder zurückkommen und hier leben ,ja?

    Da habe ich losgeprustet und Mmja geantwortet.

     

    3. Olivier „Der Zackenbarsch“ (Autorin Natalie Kircheis)

    Mein Name ist Olivier Zackenbart, genannt der Zackenbarsch. Mein Vater will, dass ich sein Geschäft übernehme, einen Laden für Haushaltsgeräte. Aber da pfeif ich drauf. Ich bin Bierdosenarchitekt – mein Lebenswerk soll eine Kathedrale aus selbstgeleerten, mit Wasser befüllten Bierdosen sein, die ich treffsicher in unserem Kanal versenke. Über mein Projekt führe ich genauestens Buch. Cedric leistet mir am Kanal meist Gesellschaft. Er ist einer der wenigen, die ich wirklich einen Freund nennen kann.

    Wenn andere meinen Alkoholkosum kritisieren, sage ich immer: „Nervt mich nicht wegen dem Bier! Das ist nur Gerste und Hopfen, das tut niemandem weh! Das Leben ist eh' kurz. Sch... drauf! Sterben müssen wir alle!“ (S. 40) Doch dann verändern 2 Begebenheiten mein Projektvorhaben: Cedric und ich lernen auf ungewöhnliche Weise den Verrenkungskünstler Gerard und Alex kennen und mein Onkel vererbt mir sein Motorrad, eine Yamaha XS 1100 mit Schwinggabel und Beiwagen! Plötzlich haben wir die freie Wahl, irgendwohin abzuhauen. Klar, dass Cedric und ich zusammen loswollen! Wir brauchen bloß noch ein bisschen Kohle für Futter und Sprit. (S.189)

    Unsere Pläne ändern sich, als wir mit Alex sprechen. Wir machen zusammen mit Gerard und ihr eine Tour zu ihrer Freundin Clo, die einen Bauernhof hat. Clo möchte einen Ort schaffen, der anders ist, auf dem Kinder & Erwachsene mit & ohne Behinderung zusammen leben und arbeiten und sich vor allem wohl fühlen können. Dafür kann sie männliche Unterstützung gut gebrauchen.

    Jetzt habe ich einen anderen Blickwinkel auf das Leben: Mir ist nicht mehr alles egal, ich will ein anderes Leben aufbauen, als mein Vater für mich vorgesehen hat. „Nur, weil er beschlossen hat, dass ich seinen Laden übernehme, muss ich das noch langen nicht machen. Ich bin nie gefragt worden. Er lebt nicht mein Leben. Und ich will seins auf keinen Fall.“ (S. 228) 

     

    4. Cédric (Autorin Renate Weber)

    Ich bin Cedric, 28 Jahre alt. Nach einer Ausbildung in Public Relations bin ich jetzt arbeitslos.

    Nachdem meine Freundin Lola, sie war meine große Liebe, eines Morgens mit mir Schluss gemacht hat, stand ich plötzlich auf der

    Strasse. Ich bin zu meinen Eltern zurückgekehrt und lebe wieder bei ihnen.

    Meinen Kumpel Manu habe ich auch verloren. Er ist Sonntagsmorgens gegen eine Platane gerast.

    " Und wenn ich zurückblicke, wenn ich an diesen Tag denke, weiß ich genau, das war der Wendepunkt. An dem Morgen, als ich erfahren habe, dass Manu tot war, habe ich angefangen, diesen Notstand zu empfinden, diese Leere, dieses große Nichts, von dem ich nicht wusste, wie ich es füllen sollte und womit!. Leben! Ich hatte nur dieses Wort dafür. (S. 43 ).

    Nichts als ein Wort ohne jede Erklärung, ohne irgendetwas, das mir sagt, wohin ich gehen sollte, was ich tun konnte. Wie ein dickes Buch ohne Inhaltsverzeichnis. Und gleichzeitig, weil ich es nicht wusste, wie ich es anstellen sollte, wirklich zu leben, habe ich Angstzustände bekommen. Ich hatte zuviel Leere in mir und zu wenig Leben. 

    Ich sehnte mich so sehr nach einer Leidenschaft, einem Ziel.

    Aber könnte ich wie ein Aussteiger auf dem Lande leben, Brunnenwasser trinken, mit Holz heizen, bei Kerzenlicht sitzen und Ziegen hüten" ?.

    In letzter Zeit verbringe ich meine Tage unter der Brücke und werfe Steine ins Wasser, um Forellen zu erwischen, ohne Erfolg.

    Olivier Zackenbart, genannt Zackenbarsch, leistet mir Gesellschaft.

    Als der Zackenbarsch mit mir eine Probefahrt auf dem Motorrad macht, bin ich langsam auf den Geschmack gekommen.

    Ich fühle mich gut, leicht; und das ist verdammt viel. 

    Am Anfang fehlte mir auf dem Bauernhof der Lärm der Motorräder und Autos. Nach drei Tagen hatte ich mich an die Stille gewöhnt.

    Clo hat mir vorgeschlagen, mich um die Ziegen zu kümmern. ich habe mich nicht getraut, nein zu sagen. Am Abend war ich begeistert. Es bereitete mir Spaß, sich um die Ziegen zu kümmern. Die Viecher sind echt witzig.

    Ich kann die Melkmaschine wie ein Profi bedienen. ich habe ein Gefühl für Tiere, ich kann sie lenken und weiß, wie man sie anpackt. Clo hat angeboten, mir beizubringen, wie man Ziegenkäse macht.

    "Es ist das erste Mal dass ich wirklich kapiere wozu Arbeit gut ist".

     

    Musik 2

     

    5. Verhältnis Alex-Gérard unter dem Gesichtspunkt des Sprachlichen

    Kurz bevor wir wieder auf die Straße eingebogen sind, die zum Haus zurückführt, hat Roswell gefragt:“Aleksh?“

    „Ja?“

    „Ssstimm“dass?“

    „Stimmt was?“

    „Dassich`nen Monssser bin?“

    Ich bin stehengeblieben und habe mich vor ihn gehockt. Sein Schal und der Kragen seines Parkas triefen vor Spucke. Ich habe ihn angesehen und gesagt: „Du bist bei weitem das schönste Monster, das ich kenne, du bist mein absolutes Lieblingsmonster! Hast du gesehen, wie du ihnen Angst gemacht hast?!“

    Er hat die Hände vorgestreckt,“ Grrrrr“ gemacht und sich schlappgelacht.

    Ich habe mir gesagt, ich bin feige, das ich so tue, als wäre es ein Witz. Es ist nämlich war: Er ist monströs. Aber was hätte ich denn antworten sollen?

    Außerdem finde ich ihn tatsächlich immer weniger scheußlich.

    Er ist von einer vollkommenen Hässlichkeit. Es gibt nichts an ihm, das nicht missraten, entstellt, erschreckend oder lächerlich wäre. Nichts bis auf seinen Welpenblick, der so sanft ist, dass man es gar nicht beschreiben kann. Nichts bis auf sein schallendes Lachen, voller Leben und Humor.

    Aber dieses Nichts reicht aus, um etwas in mir zu wecken, Gefühle, die ich nicht verstehe, die Lust, ihm die Flügel zu strecken, und wenn es mit Gewalt ist. Die Lust, ihm abends zuzuhören, ihn am Kanal entlang spazieren zu fahren.

    Wir werden noch mehr Leute treffen, die loslachen werden, wenn sie Roswell sehen.

    Die waren Monster sind sie.[1]

     

    Lied    EG 663 „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer „

     


    Predigt

    Begegnung von Buch und Jahreslosung Psalm 73,28: „Gott nahe zu sein ist mein Glück. / Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. / Ich will all deine Taten verkünden.“

    Liebe Gemeinde,

    1.

    Mit dem  Leben ist es „wie mit dem Rauchen: Morgen höre ich auf, morgen gehe ich weg. Morgen fange ich an zu leben. Immer morgen, morgen, nur nicht heute …“[2]. So sagt Cédric im Roman „Der Poet der kleinen Dinge“.

    Den Konfirmanden habe ich gesagt, dass sie heute zum Gottesdienst kommen sollten. Denn auch wenn die Personen in diesem Roman schon um die dreißig sind, so stecken sie doch genau in der Phase, in der auch Jugendliche sind: nämlich entscheiden zu müssen, wie die Zukunft aussehen soll. Es zu wissen und doch nicht wissen wie. Und insofern ist dieser Roman auch gerade für junge Menschen ein guter und lehrreicher.

    Mit dem  Leben ist es „wie mit dem Rauchen: Morgen höre ich auf, morgen gehe ich weg. Morgen fange ich an zu leben. Immer morgen, morgen, nur nicht heute …“.

    Ist das nur die Erfahrung von jungen Menschen? Ich glaube nicht!

    Jeder kennt dieses Aufschieben, weil Einwände sich im Kopf festgesetzt haben,

    Bedenken

    die Unsicherheit, sich auf etwas einzulassen,

    oder einfach auch „nur“ Trägheit,

    oder auch die Frage: Was werden die anderen denken?

     

    Wir kennen die Erfahrung im kleinen Alltag,

    Wir kennen sie auch im Existentiellen.

    Wir kennen sie sogar oder natürlich als unsere Lebensungewissheit,

    gerade so, wie Gérard, genannt Rosswell, sie besingt:

     

    „Und wir wissen nicht, was das Leben ist

    Und wir wissen nicht, was der Tag ist

    Und wir wissen nicht, was die Liebe ist“[3] 

    So singt Gérard. „`Unnwir wissennich wasssie Liiewe isss …´ Rosswell artikuliert so gut, wie er kann, er gibt sich Mühe, das sehe ich. Aber er nuschelt trotzdem furchtbar. Er konzentriert sich, zischt und spuckt, zerhackt die Wörter, aber ich bin mir sicher, dass er genau versteht, was er sagt, selbst wenn auch er nicht genau weiß, was das Leben ist oder der Tag.“[4]

    Wir artikulieren auch, so gut wir können, verstehen auch, was wir sagen – und wissen doch nicht so genau, was das Leben ist.

     

    2.

    Liebe Gemeinde,

    im Roman finden wir nun eine Bewegung, eine Veränderung von ziemlich unglücklichen Menschen hin zu solchen – es sind die gleichen -, deren Unglück eine Verwandlung erfährt.

     

    2.1

    Wir haben vier Hauptpersonen gerade kennen gelernt. Wir können sie uns vorstellen. Wir können uns vorstellen, dass sie und auch wie sie ihr Unglück beklagen.

    Und sie erleben ihre Misere durchaus bewusst.

    Noch einmal als Beispiel: So betrachtet einmal Cédric seinen Freund Olivier, den Zackenbarsch:

    „Mir wurde ganz unwohl dabei, zu sehen, wie seine Hundeaugen hin- und her schweiften zwischen seiner Traumwelt und seinem Bild im Spiegel an der Wand gegenüber: ein dicker Typ mit schlaffem Gesicht, fahlem Asthmatikerteint, roten Säuferaugen und einer von Monat zu Monat höher werdenden Stirn, die der Platte seines Vaters in absehbarer Zeit in nichts nachstehen würde.“[5]

    Und Cédric schließt: „Da habe ich mir gesagt, dass ich wahrscheinlich manchmal den gleichen Blick habe, sogar ziemlich oft, seit ich Lola verloren habe. Den Blick von jemandem, der seine Träume aufgegeben hat.“[6]

    Oder etwas später:

    „Ein Typ in meinem Alter sollte nicht so reden, ich weiß. Mit achtundzwanzig ist man erwachsen, da hat man abgeschlossen mit dem ganzen Blödsinn: Liebesgeschichten und Co., gutbezahlter Superjob, ein Leben wie im Traum. Lola und ich, so viel ist jetzt sicher, das war nicht fürs Leben.

     „Aber ohne sie ist es auch kein Leben.“[7]

    Solches Scheitern können wir bei allen Personen, die eine Rolle spielen, sehen. Die Selbstvorstellungen waren klar und eindeutig.

    Aber es gilt durchaus auch für Personen, die wir noch nicht kennengelernt haben. Etwa für die Schwägerin Gérards und seiner ärgsten Widersacherin Marlène.

     „Es hat Zeiten des Glücks gegeben in ihrem Leben, Zeiten, denen sie nachtrauert. Sie war einmal Miss, mit zwanzig. Um nicht zu vergessen, wie schön sie war, hat sie ihr Foto gleich im Hauseingang an die Wand gehängt: Im Bikini steht sie auf dem Siegerpodest, mit Diadem und einer Schärpe mit der Aufschrift `Miss Weinlese 90´.“[8]

    Und: „Keine Kinder zu haben ist Marlènes großes Unglück. Ihr Drama, ihr Schmerz, der Stachel in ihrem Herzen.“[9] …“

    All das Unglück, die Ungewissheit, die Abhängigkeiten der verschiedenen Personen resümierend klingt der Satz, den Alex anlässlich des Missgeschicks einer Freundin (Vanessa) entfährt: „Wie viele Menschen abonnieren aus Versehen das Unglück und kündigen dann nicht mehr?“[10]

     

    2.2

    Doch die Sehnsucht bleibt. Nicht einer, nicht eine, die den Glauben ans Leben endgültig  verloren hat. Zumindest Rudimente der Hoffnung kennen sie alle.

    Alex sagt es klipp und klar: „Da ich an das Schicksal glaube, sage ich mir, dass es irgendwo einen Plan geben muss, hoch über meinem Kopf. Dass es für das alles einen Grund geben muss.“[11]

    Oder Cédric blickt zurück: „Heute weiß ich, was mit mir los war: Ich hatte zu viel Leere in mir und zu wenig Leben.

    Ich sehnte mich so sehr nach einer Leidenschaft, nach einer starken, heftigen Sache, die einen vorwärts treibt. Einem Ziel. Ja, einem Schicksal! Wen schon, denn schon

    So sein wie die Leute, die man im Fernsehen sieht, in diesen Holt-die-Taschentücher-raus-Sendungen, wo sie dafür bezahlt werden, dass sie erzählen, wie sie im Elend versunken sind, bis sich plötzlich ihr ganzes Leben verwandelt hat und mit einem Schlag alles Friede, Freude, Eierkuchen war.“[12] 

    Oder er bemerkt an anderer Stelle: „Wenn schon kein Schicksal, dann sollte ich doch vielleicht wenigstens eine Zukunft haben.“[13] 

    Und beim „Zackenbarsch“ ist die Hoffnung ganz skurril. Er baut (wie gehört) einen Staudamm aus Bierdosen:

    „Der Zackenbarsch saß auf der Böschung, auf seinem reservierten Platz, den man leicht an den von seinem mächtigen Hintern plattgedrückten Gräsern erkennen konnte. Entmutigte Gräser, die es aufgegeben habe zu wachsen, trotz Frühling. Er hatte sein Notizheft auf den Knien und führte Buch: eine Bierdose – ein Strich. Eins, zwei, drei, vier … Und bei fünf: Querstrich.

    Er hat beschlossen sie fortlaufend zu zählen, damit er, wenn sein Staudamm endlich fertig ist, die Gesamtsumme kennt. Um eines Tages seinen Enkeln davon zu erzählen. Das ist sein Lebenswerk, wie er sagt. Seine Kathedrale.“[14]

     

    2.3

    Wir gehen einen Schritt weiter. Zwischen Misere und Hoffnung kommt es zum Wandel.

    Dafür bedarf es jeweils eines Auslösers, dem Glück auf die Spur zu kommen:

    Bei Alex ist es der Widerspruch gegen Marlène. Ihr Ansinnen, sich des behinderten Gérard zu entledigen. Der bringt sie schon früh dazu, Verantwortung für ihn zu übernehmen. Dies führt durchaus zu einer Zuneigung und Befriedigung.

    Ein Auslöser ist eine versuchte Vergewaltigung von Alex, die der Zackenbarsch durch gezielte Bierdosenwürfe verhindert. Hier beginnt die Freundschaft der vier.

    Alex berichtet: „Ich habe gedacht, jetzt ist es so weit. Dann hörte ich einen dumpfen Knall. Der Große (das ist der Vergewaltiger) hat einen tiefen Seufzer ausgestoßen und mich mit sich nach hinten gerissen. Ich habe gedacht, er will mich zu Boden werfen, damit es losgehen konnte, aber nein, er war einfach umgefallen. Wie ein Sack.

    … Ich habe mich aus den Fängen des Großen befreit, bin aufgesprungen und habe mich umgedreht. Der Dicke, ein Sixpack Kronenbourg  zu seinen Füßen, hielt noch eine Dose in der Hand. Er hat sich zu dem anderen umgedreht, der Cédric heißt: „Ha! Da siehst du mal, wofür Zielgenauigkeit gut ist!“[15]

    Eine Motorradfahrt – der Zackenbarsch hatte ein Motorrad geerbt - öffnet schließlich die Situation und schafft die Möglichkeit, frei für Neues und anderes zu werden. Alex fühlt die Wende: „Ich war fast eifersüchtig. Nicht auf das Motorrad. Aber auf diese neue Freiheit, von heute an jederzeit überall hinfahren zu können, ohne jemanden fragen zu müssen.“[16]

    Es werden Runden gedreht. Besonders eine Fahrt mit Gérard ist eindrücklich.[17]

    Und dann endlich nehmen die Träume konkrete Gestalt an: „Dann haben wir das Bier hervorgeholt, die Pizzen und die Frankreich-Karte. Alex hatte schon gegessen, aber sie hat sich trotzdem ein bisschen genommen. Sie hat einen Blick auf die Karte geworfen.

    Ich (= Cédric) habe gesagt: `Kannst du uns mal die Ecken zeigen, die du schon kennst?´

    Sie kannte alles.

    Also haben wir sie um Tipps, um ihre Meinung gebeten. Bevor sie antwortete, wollte sie etwas mehr wissen. Warum wollten wir wegfahren? Und wie lange?

    Wir haben gesagt, wir würden wegfahren, um wegzufahren, und so lange, wie es dauern würde.“[18]

     

    2.4

    Und so kommt es - das ist das Nächste - zur Wende – und zwar für alle!

    Sie deutet sich in so manchem schon an, z.B. „dass der Rhythmus, in dem er (= der Zackenbarsch) neue Bierdosen öffnete, immer langsamer wurde.“[19] Oder z..B., dass Marlène ihren Mann nicht mehr angiftet.[20] Oder z.B. dass Gérard immer mehr in die Gruppe der drei anderen als vollwertiges Mitglied aufgenommen wird. Am Anfang ist es Alex, dann der Zackenbarsch[21], die bzw. der Verantwortung übernimmt und Freundschaft schließt. Dann kommt es z.B. zu der erwähnten Fahrt Gérards im Beiwagen des Motorrads.

    Und so kann das Happyend des Romans starten.

    Nach langen Überlegungen Alex‘[22],

    nach manchem Gespräch,

    danach, dass Alex Marléne zu ihrem größten Glück, einer Reise in die Savoyer Alpen verhilft[23],

    machen sie sich auf dem Motorrad auf zu Clo, der Freundin von Alex[24].

    Und dort finden sie tatsächlich alle zu ihrem Glück. Das Land ist einem Paradies gleich.[25] Olivier und Clo werden ein Paar. Es wird ausgiebig gegessen.[26] Dem Kinderwunsch wird stattgegeben.[27] Der anfangs so träge Olivier entwickelt Leidenschaft für‘s Basteln und Reparieren.[28] Cédric bereitet es sogar Spaß, Ziegen zu hüten. „Ehrlich ich habe immer gedacht, dass ich so was hassen würde! Aber die Viecher sind echt witzig. Und es ist das erste Mal, dass ich wirklich kapier, wozu die Arbeit gut ist.“

    Und so spitzt sich zu, was kommen muss. Nach der Rückreise machen sie sich wieder auf, um bei Clo auf dem Lande zu leben:

    „Olivier hat mir (= Alex) ein Zeichen gegeben, und ich habe unsere Sachen aus dem Haus geholt … Als wir endlich startklar waren, hat sich Cédric zu uns heruntergebeugt und Roswell gefragt: Alles okay?´

    `Okeh-Scheff!´ Olivier hat uns breit angegrinst: Alles klar, dann kann’s ja losgehen!´

    Und Roswell hat gesagt: `Sssuper!´“

     

    3.

    Was ist die Quintessenz, liebe Gemeinde?

    Ich glaube, dass wir sie erfassen, wenn wir auf den sehen, der dem Buch den Titel gab, auf Gérard, genannt Roswell, den „Poeten der kleinen Dinge“.

    Der einzige wirklich durchgängig Glückliche ist der „Poet der kleinen Dinge“.  Trotz mancher Missgeschicke, Ungeschicke und in seiner ganzen schrecklichen Situation hat er im Grunde genommen genau das, was ein Mensch zum Glücklichsein braucht. Er hat die Voraussetzungen, die ihn selbst glücklich sein lassen und es bei den anderen zum Glück kommen kann.

    Und  (hier spricht ja der Pastor) darin ist er – das füge ich hier gleich hinzu - vergleichbar dem Psalmbeter des Psalm 73. Ich meine, dass Gérard und der Palmbeter des Psalms, dem die Jahreslosung entnommen ist, im Blick auf das Lebensglück einiges gemeinsam haben.

     

    3.1

    Gérard hat Liebe. „Du bist das schönste Baby der Welt. Der Stolz Deiner Mutter.“ [29] schrieb sie zu einem Kinderfoto. Sie „verhätschelte ihn, widmete ihm ihre gesamte Zeit, schrieb ihm Briefe, brachte ihm Lieder bei, Gedichte, die sie manchmal für ihn abschrieb …“[30] Als Alex das erfährt, überlegt sie: „Wie oft muss sie (die Mutter) daran gedacht haben, was ihren Sohn erwarten würde, wenn sie einmal nicht mehr da wäre.“[31] Auf jeden Fall hat sie ihm ein Fundament gelegt. 

    Die Mutterliebe, die Elternliebe, ist die Grundlage, auf der wir die von Gott an uns geübte Liebe als erstes erfahren.

    Und auch der Psalmbeter – jetzt mache ich immer wieder einmal den Vergleich zwischen dem Psalmbeter und Gérard - fühlt sich sicher wie ein geliebtes Kind. Er vergleicht sich mit einem Kind, das an der Hand geführt wird: „Du hältst mich an deiner rechten Hand!“

    Liebe Gemeinde, das ist die Grundlage, auf der wir stehen: erfahrene Liebe! Als Christen wissen wir, dass sie sich als erstes im Tun der Eltern an uns ereignet. Die Liebe Gottes ist der Weg auf dem wir gehen: diese Liebe im Herzen tragen, sich immer wieder nach ihr strecken, um sie beten, sie sich genug sein lassen.

     

    3.2

    Das Zweite ist: Gérard ist den Alltagssorgen entnommen.

    Vielen Sorgen, die an uns nagen, ist er schlicht und einfach durch seine Behinderung enthoben. So kann er offen sein, lieben, leben, was er liebt, ohne Bedingungen tun, was er tut. Er kann einstecken, was er einstecken muss. Er kann das Leben singend hinnehmen, das Leben nehmen, wie es ist, alle Hinwendung nehmen, die ihm zukommt.

    Und auch in diesem Punkt ist er sicherlich dem Psalmbeter vergleichbar.

    Der hatte – wie es Gérard eher unbewusst erlebte - sehr bewusst erfahren, dass das Leben es nicht gut mit ihm meinte, ja, dass Menschen wie nach Gérards nach seinem Leben trachteten. Aber auch er findet Halt. Auch er kann die Erfahrung machen, enthoben zu werden, enthoben zu sein, dadurch zufrieden, lebenswert leben zu können. Es ist ihm möglich.

    Dabei erkennt er allerdings weit über Gérard hinaus, dass es an Gott liegt und seinem Begleiten, das unverfügbare Leben in Bahnen gleiten zu lassen, die Erfüllung verheißen und schenken.

     

    3.3

    Das nächste Hilfreiche, wessen es zum Glück bedarf, meine ich, ist dieses:

    An Gérard und dem Psalmbeter ist zu sehen, dass das Motto von Cédrics Vater, „Du hast zwei Arme, zwei Beine, du bist gesund … dieses Glück hat nicht jeder!“[32] nicht hinreichend ist für das Gelingen des Lebens!

    Ganz im Gegenteil, das erkennt Cédric! Und er erzählt von seinem Bild von Glück, was für ihn Glück ist!

    Gérard stopfte sich fast die ganze Hand in den Mund. „Das war ein beeindruckender Anblick.

    Und ich glaube, das wird für mich das Bild des Glücks bleiben. Es mag bescheuert klingen, aber nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, kommt es mir jetzt manchmal so vor, als wäre Gérard normal und wir die Behinderten.“[33]

    Beim Psalmbeter ist es kein Bild, sondern seiner Gotteserkenntnis gemäß,  das Bekenntnis, in dem sich sein Glück widerspiegelt: „Dennoch bleibe ich an Dir, denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand. Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ „Gott nahe zu sein, ist mein Glück!“

     

    3.4

    Gérard und auch der Psalmbeter, meine ich, beide lehren uns, unsere Lebensmelodien, die uns tragen, die Klänge des Lebens, zu singen.

    „Roswell singt gern.

    Singen ist vielleicht nicht das ganz richtige Wort, aber es bezeichnet die Absicht dahinter. Wenn es ihn packt, dann schließt er die Augen, wirft den Kopf in den Nacken, zieht die Oberlippe noch ein bisschen höher als sonst und legt los.

    Es ist selten eine bekannte Melodie – zumindest kann ich keine erkennen -, und es klingt für menschliche Ohren grauenhaft falsch, aber man muss ihn dabei nur anschauen, um zu verstehen, dass es ihn beruhigt, dass es ihn glücklich macht.“

    Das ist das Geschenk des Himmels an den mehrfach behinderten Gérard, genannt Rosswell.

    Und der Psalmbeter des 73 Psalm singt auch – ich habe es schon zitiert:

     

    23 Ich aber bleibe immer bei dir, /

    du hältst mich an meiner Rechten.

    24 Du leitest mich nach deinem Ratschluss /

    und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit.

    25 Was habe ich im Himmel außer dir? /

    Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde.

    26 Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, /

    Gott ist der Fels meines Herzens / und mein Anteil auf ewig.

    2 Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück. /

    Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. / Ich will all deine Taten verkünden.[34]

     

    Schluss:

    Sie beide, liebe Gemeinde, Gérard und der Psalmbeter, der Psalmbeter und Gérard, haben ihr Glück gefunden. Es steckt  in ihnen. Sie haben es sich nicht selbst erarbeitet. Es ist ihnen geschenkt worden. Gott hat sie nicht umkommen lassen. Er lässt uns nicht.

    Das ist dann vielleicht die allerwichtigste Erkenntnis. Es mag sein, dass wir an uns arbeiten können, dass wir uns etwas erarbeiten können, Disziplin und Fleiß an den Tag legen können. Der Garant für unser Leben und unsere Zufriedenheit und unser Glück ist das aber alles nicht.

    Und darum stimmen wir ein in die Lebensmelodie des Poeten der kleinen Dinge und in das Gottesbekenntnis des Psalmisten.

    Es bedarf nicht der großen Überlegungen, nicht der Überwindung von Skepsis, sondern einfach nur des Mutes und des Einsehens und dann der Einwilligung.

    Ich glaube, dass wir das heute mitnehmen können aus diesem Gottesdienst und uns vornehmen für die kommende Woche. Denn wie sagt Alex: “Eine Woche vergeht schnell. Aber mehr ist auch nicht nötig, um ein Leben zu ändern.”[35]

     

    Amen.


    [1] S. 78

    [2]  S. 150

    [3] S. 34

    [4] Ebd.

    [5] S.88

    [6] Ebd.

    [7] S.93

    [8] S.21f

    [9] S.24

    [10] S.118

    [11] S.20

    [12] S.44

    [13] S.53

    [14] S.81

    [15] S.129f

    [16] S.145

    [17] S.193f

    [18] S.195

    [19] S.196

    [20] S.210

    [21] S.137f

    [22] S.204

    [23] Insb. S.203, 206-211

    [24] S.217-220

    [25] S.222

    [26] S.223f

    [27] S.224f

    [28] S.226

    [29] S.178

    [30] S.179

    [31] Ebd.

    [32] S.197

    [33] S.190

    [34] Nach Einheitsübersetzung

    [35] S.226

  • Abkündigungen / Fürbitte / Ausgang

    Lied    EG 395 „Vertraut den neuen Wegen“

    Aktion: Aphorismen zu „Glück“

    Musik 3

    Kanzelabkündigungen 

    Fürbitte (Autoren Wolfgang Brix, Ursula Schwöbel)

    Himmlischer Vater, wir haben soeben aus dem Buch „Der Poet der kleinen Dinge“ die Lebensgeschichten von Menschen gehört: 

    Herr, wir bitten dich für uns Menschen mit und ohne Behinderung, lass uns einen guten Platz in der menschlichen Gemeinschaft finden. Stelle besonders geistig behinderten Menschen andere Menschen zur Seite, die liebevoll und fürsorglich für sie da sind.

    Herr, wir bitten für Menschen, die noch nicht ihren eigenen erfüllten Lebensweg gefunden haben. Gebe diesen Suchenden die Kraft und Ausdauer, ihren Weg zu finden. Vor allen den vielen jungen Menschen in Europa, denen berufliche Perspektiven fehlen, mache Mut und Hoffnung, ihren Platz zu finden. Sie sollten nicht den Eindruck gewinnen, dass sie keine Chancen haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Hilf du ihnen in den schweren Zeiten der Selbstzweifel und Mutlosigkeit.

    Herr, lass Menschen, die Dir fern stehen, den Weg zu Dir finden und Deine Kraft spüren.

    Herr, wir bitten dich, zeige uns Wege auf, um die Zukunft für alle Menschen zu gestalten.

    Herr, mögen viele Menschen es als Glück empfinden, wenn sie eine neue gute Lebensperspektive gefunden haben oder wenn es ihnen besonders gut geht.

    Amen.

    Vater unser

    Lied      EG 607 „Herr, wir bitten, komm und segne uns“

    Abkündigungen

    Segen

    Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

    Musik zum Ausgang