„Das Labyrinth der Wörter“ von Marie-Sabine Roger

Literaturgottesdienst
AutorInnen: Pfarrer Rolf Klein sowie die Mitglieder des Büchereiteams: Birgit Haeser, Annette Hinzen, Jutta Lutter, Hedi Scherzer und Jeanette Schloßmacher
Literaturgottesdienst mit dem Team der Evangelischen Öffentlichen Bücherei der Ev. Emmaus-Kirchengemeinde Willich am 17.07.2011 in der Hoffnungskirche Schiefbahn zu dem Roman „Das Labyrinth der Wörter“ von Marie-Sabine Roger. Aus d. Franz. von Claudia Kalscheuer. Hamburg: Hoffmann & Campe 2010. 205 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-455-40254-4, geb.: 18,00 €
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Übersicht / Ablauf
Lieder:
EG 452, 1-3 „Er weckt mich alle Morgen“
EG 669, 1-5 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
EG 455, 1-3 ,,Morgenlicht leuchtet“
EG 591, 168 „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“
EG 193 , 1+2 ,,Erhalt uns Herr bei deinem Wort“
EG 667 „Wenn das Brot, das wir teilen“
EG 592, 1-3 „Wort, das lebt und spricht“
EG 607, 1-4 „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“
(EG. Ausgabe für die Evangelische Kirche im Rheinland)
Eröffnung und Anrufung
Orgelvorspiel
Begrüßung
Lied EG 452, 1-3 „Er weckt mich alle Morgen“
Lesung: Psalm 119
Gebet
Lesung: Jeremia 1, 4-11
Glaubensbekenntnis
Lied EG 669, 1-3 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Einleitung zum „Labyrinth der Wörter“
Lied EG 669, 4+5 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Lesungen aus „Das Labyrinth der Wörter“
Text 1: Labyrinth der Wörter, Seite 21
Lied EG 455, 1-3 ,,Morgenlicht leuchtet“
Text 2: Labyrinth der Wörter, Seite 71
Lied EG 591, „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“
Text 3: Labyrinth der Wörter, Seite 118
Lied EG 193 , 1+2 ,,Erhalt uns Herr bei deinem Wort“
Text 4: Labyrinth der Wörter, Seite 126
Lied EG 667, 1+2 „Wenn das Brot, das wir teilen“
Text 5: Labyrinth der Wörter, Seite 181
Lied EG 667, 3-5 „Wenn das Brot, das wir teilen“
Predigt
Ausgangspunkt: Apostelgeschichte 9: Kämmerer aus dem Morgenland
Lied EG 592, 1-3 „Wort, das lebt und spricht“
Fürbitten
Vaterunser
Segen
Lied EG 607, 1-4 „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“
Abkündigungen
Orgelnachspiel
(Dauer ca. 70 Minuten)
Lieder:
EG 452, 1-3 „Er weckt mich alle Morgen“
EG 669, 1-5 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
EG 455, 1-3 ,,Morgenlicht leuchtet“
EG 591, 168 „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“
EG 193 , 1+2 ,,Erhalt uns Herr bei deinem Wort“
EG 667 „Wenn das Brot, das wir teilen“
EG 592, 1-3 „Wort, das lebt und spricht“
EG 607, 1-4 „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“
(EG. Ausgabe für die Evangelische Kirche im Rheinland)
Eröffnung und Anrufung
Orgelvorspiel
Begrüßung
Lied EG 452, 1-3 „Er weckt mich alle Morgen“
Lesung: Psalm 119
Gebet
Lesung: Jeremia 1, 4-11
Glaubensbekenntnis
Lied EG 669, 1-3 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Einleitung zum „Labyrinth der Wörter“
Lied EG 669, 4+5 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Lesungen aus „Das Labyrinth der Wörter“
Text 1: Labyrinth der Wörter, Seite 21
Lied EG 455, 1-3 ,,Morgenlicht leuchtet“
Text 2: Labyrinth der Wörter, Seite 71
Lied EG 591, „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“
Text 3: Labyrinth der Wörter, Seite 118
Lied EG 193 , 1+2 ,,Erhalt uns Herr bei deinem Wort“
Text 4: Labyrinth der Wörter, Seite 126
Lied EG 667, 1+2 „Wenn das Brot, das wir teilen“
Text 5: Labyrinth der Wörter, Seite 181
Lied EG 667, 3-5 „Wenn das Brot, das wir teilen“
Predigt
Ausgangspunkt: Apostelgeschichte 9: Kämmerer aus dem Morgenland
Lied EG 592, 1-3 „Wort, das lebt und spricht“
Fürbitten
Vaterunser
Segen
Lied EG 607, 1-4 „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“
Abkündigungen
Orgelnachspiel
(Dauer ca. 70 Minuten)
Begrüßung
Orgelvorspiel
Liebe Gemeinde,
zum Literaturgottesdienst begrüße ich Sie vor allem im Namen des Büchereiteams ganz herzlich hier in der Hoffnungskirche.
Durch den Gottesdienst und die Woche wird uns ein Wort aus Psalm 119 begleiten: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“Was ist das eigentlich ein Literaturgottesdienst? Es ist ein ,,lüsternes“ Unternehmen: geboren aus der Lust an Büchern und am Le-sen, gestaltet mit der Absicht Lust zu machen aufs Lesen. Bücher entführen uns in andere Welten. Bücher lassen uns teilhaben an den Gedanken anderer Menschen. Bücher stiften und überliefern Glauben. Bücher verbinden über Grenzen hinweg. Bücher stiften an zum Nachdenken, zu Zweifel und manchmal zu Aufbegehren und Revolution. Zu Risiken und Nebenwirkungen des Lesens studieren Sie die Klappentexte und ra-gen Sie Ihren Buchhändler oder ihre Bibliothekarin. So laden wir Sie heute ein, „Das Labyrinth der Wörter“ von Marie-Sabine Roger mit uns zu entdecken. Ich wünsche uns eine gesegnete Stunde unter Gottes Wort.
Lied EG 452, 1-3 ,,Er weckt mich alle Morgen“
Im Namen...
Unsere Hilfe...
Psalm 119
Ich verwehre meinem Fuß alle bösen Wege, damit ich dein Wort halte.
Ich weiche nicht von deinen Ordnungen; denn du lehrest mich.
Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.
Dein Wort macht mich klug; darum hasse ich alle falschen Wege.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
Ich schwöre und will's halten: Die Ordnungen deiner Gerechtigkeit will ich bewahren.
Gebet
Wir beten:
Lebendiger Gott,
durch Dein Wort hast du alles geschaffen, was ist.
Durch Dein Wort hast Du Menschen gerufen und gesandt, gestärkt und getröstet. Durch Dein Wort hast Du Deinen Namen dem Mose offenbart. Die Prophetinnen und Propheten haben Dein Wort verkündet. In Jesus Christus ist Dein Wort Mensch geworden.
Sende uns Deinen Geist, öffne uns die Augen, die Ohren und die Herzen für Dich und Dein Wort, das Leben schafft und Leben schütz.
Amen.
Lesung
Aus dem Propheten Jeremia (1, 4-11): Die Berufung des Propheten
Und des HERRN Wort geschah zu mir:
Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
Ich aber sprach: Ach, HERR, ich tauge nicht zu predigen: denn ich bin zu jung.
Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: „Ich bin zu jung“, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.
Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.
Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und ein-reißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.
Glaubensbekenntnis
Lied EG 669, 1-3 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Einleitung zum Buch: Klappentext:
Sprecherin / Sprecher:
„Germain steht nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Ohne Schulabschluss und festen Beruf haust er im Wohnwagen und züchtet im Garten Gemüse. Seine Zeit verbringt er am liebsten im Park, wo er die Tauben zählt und seinen Namen auf das Gefallenendenkmal schreibt. Eines Tages lernt er auf der Parkbank eine zierliche alte Dame kennen, die seine Faszination für die Tauben teilt.
Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten, freunden sie sich an. Zu Germains Überraschung weckt die kultivierte Margueritte seine Lust am Nachdenken und entflammt ihn für Romane, aus denen sie ihm vorliest.
Und ganz allmählich verwandelt sich Germain.
Es kommt zu Begegnung und Verständigung, zu Harmonie und Verstehen.
Es wächst eine tiefe Freundschaft und das Unglaubliche geschieht...
Die Grenzen zwischen Alt und Jung, zwischen weise und töricht werden bröcklig, verschwinden.“
Lied EG 669, 4+5 ,,Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Text 1: Seite 21
Sprecherin / Sprecher: Wir können natürlich in diesem Gottesdienst nicht das gan-ze Buch „Das Labyrinth der Wörter“ vorlesen.
Doch einige markante Auszüge wollen wir Ihnen zu Gehör bringen:
„Wörter sind wie Schachteln, in die man seine Gedanken einsortiert, um sie den anderen besser präsentieren und verkaufen zu können. Zum Beispiel gibt es Tage, wo man am liebsten auf alles und jeden einschlagen würde und dann doch nur einen Flunsch zieht. Dadurch könnten die an-deren aber glauben, dass man krank oder unglücklich ist. Wenn man stattdessen mit Worten sagt: „Geht mir bloß nicht auf den Sack, heute ist nicht mein Tag!“, dann vermeidet man solche Missverständnisse.
Oder - anderes Beispiel - ein Mädchen verdreht einem den Kopf, und man denkt den lieben langen Tag, den der Herr einem geschenkt hat, an nichts anderes, als wäre einem das Hirn in die Hose gerutscht. Wenn man ihr dann sagt: „Ich bin total in dich verliebt und so weiter, dann kann einem das ein bisschen helfen, der Sache näher-zukommen.
Wobei eigentlich nicht die Verpackung zählen sollte, sondern das, was man rein-steckt.
Es gibt wunderschöne Päckchen, wo nichts als Dreck drin ist, und andere, die unge-schickt verschnürt sind, aber wahre Schätze enthalten. Deshalb traue ich den Wör-tern nicht, verstehen Sie?“
Lied EG 455, 1-3 ,,Morgenlicht leuchtet“
Text 2: Seite 71
Sprecherin / Sprecher: Ein Mensch wird mit Wörtern konfrontiert.
Er taucht ein in die Welt der Sprache und der Bilder. Sie erscheint wie ein verwirren-des Labyrinth.
Germain, der Ich-Erzähler, berichtet:
„Margueritte hat mir Die Pest in ein paar Tagen fertig vorgelesen. Nicht alles na-türlich. Teile daraus. Und ich muss sagen, im Großen und Ganzen fand ich es richtig gut. Mit total schrägen Figuren, man fragt sich, wo Camus die aufgegabelt hat. Eins ist jedenfalls sicher: An den Tagen, wo Margueritte und ich uns Die Pest reinzogen, verging die Zeit auf der Bank schneller als sonst.
Eines Tages hat sie zu mir gesagt: „Sie sind ein echter Leser, Germain, wie ich se-he.“
Das hat mich erst mal zum Lachen gebracht, weil ich und Bücher... na ja, Sie wissen schon.
Aber sie meinte das ganz ernst. Sie hat mir erklärt, dass Lesen mit Zuhören anfängt. Ich selbst hätte eigentlich eher gedacht, mit Lesen. Aber sie hat gesagt: „Nein, nein, glauben Sie das nicht, Germain! Um Kindern das Lesen nahezubringen, muss man ihnen laut vorlesen.“ Und sie hat hinzugefügt: „Wenn man das gut macht, dann wer-den sie davon abhängig, wie von einer Droge. Später, wenn sie größer sind, brau-chen sie Bücher.“
Das hat mich überrascht, aber wenn ich es mir richtig überlegte, kam mir die Idee gar nicht so schlecht vor. Wenn man mir Geschichten vorgelesen hätte, als ich klein war, hätte ich meine Nase später vielleicht öfter in ein Buch gesteckt, statt aus bloßer Langeweile Dummheiten zu machen.
Deshalb habe ich mich an dem Tag, als sie mir das Buch dann schenkte, wirklich gefreut, auch wenn ich mich gleichzeitig schämte, denn wenn ich ganz ehrlich war, wusste ich, dass ich es nie lesen würde, weil es zu lang und viel zu kompliziert war.
Sie hat es mir einfach hingehalten, als wir gerade dabei waren, zu gehen: „Ich habe die Passagen, die wir zusammen gelesen haben, mit Bleistift angestrichen. Zur Erin-nerung.“
Ich habe mich bedankt und gesagt, dass es nett von ihr wäre. Und dass ich mich freute.
Sie hat gelächelt. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Germain, glauben Sie mir. Man darf Bücher nicht egoistisch lieben, Bücher genauso wenig, wie alles andere. Wir sind nur auf Erden, um Dinge weiterzugeben, wissen Sie ... . Zu lernen, seine Spielsachen zu teilen, ist wahrscheinlich die wichtigste Lektion, die man sich im Le-ben aneignen muss. Im Übrigen wollte ich mich erbieten, Sie bei Gelegenheit mit ein paar anderen Texten bekanntzumachen, die mir am Herzen liegen. Wenn Sie es nicht leid sind, mir zuzuhören, natürlich ... Möchten Sie?“
Es gibt Leute, denen kann man einfach nichts abschlagen. Sie schaute mich an mit ihren kleinen, freundlichen Augen, ihrem runzligen Gesicht und diesem zufriedenen Ausdruck, als hätte sie gerade einen tollen Witz gemacht.
Ich habe nur genickt. Ich fühlte mich glücklich und dumm, das geht bei mir oft zu-sammen.
Ich schaute ihr nach, wie sie die Allee entlangging. Und blieb wie angewurzelt auf der Bank sitzen, das Buch in den Händen. Es war mein erstes Buch ... ich meine: das erste, das ich geschenkt bekam.“
EG 591, „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“
Text 3: Seite 118
Sprecherin / Sprecher: Zum Wesen des Menschen gehören die Fragen.
Woher? Wohin? Wozu?
Auch Germain entdeckt in der Begegnung mit Margueritte tausend und eine Frage.
Davon berichtet der folgende Abschnitt:
„Eines Tages habe ich Margueritte von all den Fragen erzählt, die mir in letzter Zeit durch den Kopf gehen - seit ich sie kenne, glaube ich, aber das habe ich mich nicht zu sagen getraut.
Ich habe erklärt, dass ich daran nichts ändern könnte, es käme mir hoch wie der Knoblauch von der Lammkeule: lauter Wies und Warums, dass mir fast der Schädel platzt.
Margueritte hat gelächelt.
„Warum lächeln Sie?“
„Weil sie sich so viele Fragen stellen ... Das gehört zum Wesen des Menschen.“
Ich hätte fast gesagt, dass das Wesen des Menschen dann wohl vor allem bei den Frauen zu finden ist, denn die brüten zehnmal am Tag eine ganze Kiste voller Fragen aus. Aber ich wollte sie schließlich nicht beleidigen, deshalb meinte ich nur: „Na ja, solange ich Antworten finde ...“
Sie hat genickt. „Tja, Antworten werden sie nicht immer finden. Aber was zählt, sind die Fragen, meinen sie nicht auch, Germain?“
Oje, dachte ich, wenn ich jetzt meine Meinung sagen soll, kann das ja heiter werden. Aber gleichzeitig - das ist das Erstaunliche - kann man Margueritte nicht ohne Ant-wort lassen. Wenn sie sie sehen würden ... sie hat so eine Art zu warten, mit ihrem artigen Gesichtsausdruck, beide Hände flach auf ihrem Kleid, den Rücken kerzenge-rade ... eine Art zu sagen: „Meinen Sie nicht auch, Germain?“, dass man sich ge-zwungen fühlt, irgendwas zu ihrer Frage zu denken. Egal was, aber schnell, ver-dammt! Wenn man nämlich nichts sagen würde, käme man sich vor wie ein Verräter.
Wie ein unfähiger Weihnachtsmann, der am Heiligabend mit leeren Händen dasteht.
Also habe ich geantwortet: „Na ja, wenn man seine Zeit damit verbringt, sich Fragen zu stellen, ohne darauf Antworten zu bekommen, dann weiß ich nicht, was das brin-gen soll, ehrlich gesagt.“
„Aber ich bin mir sicher, dass Ihnen das schon oft so ergangen ist.“
„Was?“
,,Nun.... Hatten Sie noch nie das Gefühl, dass Sie nicht alles verstehen? In einem Gespräch, zum Beispiel?“
Volltreffer, habe ich gedacht. Sie hat also endlich kapiert, dass ich ein armer Trottel bin. Das hat mich ziemlich runtergezogen.
Sie hat hinzugefügt: „Was mich angeht, bekomme ich jedes Mal Lust, die Lösung zu finden, wenn mir das passiert. Ich habe das Syndrom des Unkrautjätens!“
„Das was?“, habe ich gefragt (wegen dem ersten Wort, Unkrautjäten kenne ich).
Sie hat gelacht. „Das Syndrom des Unkrautjätens: Sobald ich auf ein Problem stoße, versuche ich, es auszudünnen und zu vereinzeln...“
Ausdünnen und vereinzeln kenne ich auch: Ich dünne zum Beispiel meine Radies-chen aus und vereinzele sie.
„So ist das bei mir: Ich habe immer das Bedürfnis, zu verstehen“, fuhr Margueritte fort. „Und das Gleiche mache ich mit Wörtern. Ich liebe Wörterbücher!“
„Ich auch“, sagte ich, um ihr eine Freude zu machen, man ist schließlich kein Un-mensch. Aber gestimmt hat es kein bisschen. Wenn es ein Buch gibt, das mich krank macht, dann das Wörterbuch.
Sie bekam ganz große Augen: „Sie auch ...?“
Lied EG 193 , 1-2 ,,Erhalt uns Herr bei deinem Wort“
Text 4: Seite 126
Sprecherin / Sprecher: Wenn ich ein Wort suche oder es nicht kenne, schlage ich in einem Wörterbuch nach.
Auch Germain erfährt, wie hilfreich ein Nachschlagewerk sein kann.
Er erzählt:
„Ein paar Tage nach dem Gespräch über Fragen, Antworten und Wörterbücher war Margueritte schon da, als ich zu unserer Bank kam, und neben ihr lag ein Päck-chen, in hübsches Geschenkpapier eingewickelt.
Ich habe so getan, als ob nichts wäre, und mich ganz normal neben sie gesetzt.
Sie hat auf das Päckchen gezeigt und gesagt: „Das ist für Sie!“
“Für mich?“
„Aber warum?“
„Warum was?“
„Warum schenken Sie mir etwas?“
Sie hat ein überraschtes Gesicht gemacht. ,,Meinen Sie nicht, dass man jemandem ohne Grund etwas schenken kann, einfach um ihm eine Freude zu bereiten? Sie ha-ben mir doch selbst erst letzte Woche dieses entzückende Kätzchen aus Apfelbaum-holz geschenkt, ganz spontan.“
Margueritte hat irgendwie eine andere Art zu denken als die Leute sonst. Als die, die ich kenne, jedenfalls.
Weil ich dasaß, ohne ein Wort zu sagen, hat Margueritte mich gefragt: „Wollen Sie denn nicht wissen, was es ist?“
„Doch, natürlich!“
Als ich es in die Hand nahm, habe ich gleich gewusst, dass es ein Buch war. Mist. Ich habe es trotzdem aufgemacht und dabei versucht, interessiert dreinzuschauen, denn einem geschenkten Gaul ... Aber es war noch viel schlimmer als ein Buch: Es war ein Wörterbuch!
Ach du Scheiße, habe ich gedacht. Was soll ich denn damit?
Ich habe mich bei Margueritte bedankt. Aber ehrlich gesagt, es fiel mir ziemlich schwer.
Und sie, mit ihrem Gesicht, als hätte sie einen guten Aprilscherz gelandet: „Nun, ich stelle mit Erleichterung fest, dass Sie sich freuen! Ich hatte nämlich Angst, mich zu täuschen, indem ich es Ihnen schenkte.“
„Ähm ... Eine Superidee! Ich brauchte sowieso gerade ein neues.“
„Ach ja? War Ihres abgelaufen?“ Sie begann plötzlich zu lachen.
Ich mag es gern, wenn sie lacht. Gleichzeitig ist es beunruhigend. Ich habe immer Angst, dass ihr die Luft wegbleibt. So alte Leute lachen erst los, dann husten sie wie ein Dieselmotor, verschlucken sich und kratzen plötzlich ab. Um sich kaputtzulachen, braucht man Übung, sonst ist es gefährlich.
Andererseits, es gibt schlimmere Arten zu sterben.
„Germain, wissen Sie, wozu Wörterbücher wirklich gut sind?“
Ich hätte gern geantwortet: „Um einen wackligen Tisch abzustützen“, aber ich habe gesagt: „Um schwierige Wörter zu verstehen.“
„Auch, ja ... Aber nicht nur. Sie dienen vor allem dazu, zu reisen.“
„…?“
„Stellen sie sich vor, sie suchen ein Wort, ja? Ein Wort, das Sie ,schwierig‘ finden, zum Beispiel.“
Das war nicht schwer vorzustellen.
„Gut. Sie haben es also gefunden, und da sehen sie neben seiner Definition den Buchstaben S., gefolgt von einem oder mehreren anderen Wörtern. Dieses S. be-deutet, ‚siehe‘, aber es könnte auch ‚Suche nach neuen Welten‘ heißen. Es wird sie zwingen, weiterzublättern, nach neuen Hauptwörtern, Eigenschaftswörtern oder Tä-tigkeitswörtern zu suchen, die sie ihrerseits weiter auf die Reise schicken werden, hinter anderen Wörtern her . . .“
Sie war plötzlich ganz aufgeregt. Die Alten amüsieren sich anders als wir, das schwöre ich Ihnen.
Und ich meinte: ,,Ja, ja, klar, wem sagen Sie das?“ und schaute auf meine Fußspitzen.
„Ein Wörterbuch ist nicht einfach nur ein Buch, Germain. Es ist viel mehr als das. Es ist ein Labyrinth… Ein großartiges Labyrinth, in dem man sich voller Glück verirrt!“
Lied EG 667, 1+2 „Wenn das Brot, das wir teilen“
Text 5: Seite 181
Sprecherin / Sprecher: Germain wird entführt. Entführt in das Labyrinth der Wörter. Er muss sich neu orientieren, sich und die Welt neu finden. Es gelingt. Es gelingt ihm so gut, dass er Margueritte sogar eines Tages mit einem besonderen Geschenk überraschen kann. Hören wir auf einen letzten Abschnitt aus unserem Buch:
„Ich habe mir die Zeit genommen, die es brauchte, um richtig lesen zu können. In manchen Sachen bin ich ziemlich stur. Und eines Nachmittags, als sich Margueritte zu mir auf die Bank setzte, habe ich zu ihr gesagt: „Ich habe eine Überraschung für Sie!“
„Ach ja?“ Und sie hat hinzugefügt: ,,Ich liebe Überraschungen.“
„Sie sind mir ja wirklich eine echte Frau ...“
Sie hat gelacht. „Ach, sagen wir mal, ein Relikt davon.“
Sie hat es mir erklärt. Da habe ich auch gelacht.
„Also? Die Überraschung?“
„Machen Sie die Augen zu“, habe ich gesagt.
Sie dachte vielleicht, ich würde ihr ein Geschenk geben oder Pralinen, was weiß ich. Aber ich habe ihr nur gesagt: „Sie werden sehen, es ist poetisch und ergreifend.“
Dann habe ich angefangen, und - Sie werden es mir vielleicht nicht glauben - ich hat-te verdammt Schiss.
„Wie war diese schwimmende Straße entstanden? Welche Seeleute hatten sie, mit Hilfe welcher Architekten, auf der Oberfläche des offenen Atlantiks erbaut, über einer Tiefe von sechstausend Metern? ... Das sind sechs Kilometer“, habe ich erklärt.
Sie hat gelächelt, ohne die Augen zu öffnen. Also habe ich weitergelesen. Ich hatte geübt, müssen Sie wissen. Zuerst allein, nur im Kopf, dann laut. Und dann vor Annette, die mir sagte: „Warte, ja, das ist gut! Nicht ganz so laut ... ein bisschen schneller!“ - Man hätte meinen können, wir machen Liebe.
„Das Kind glaubte, es wäre das einzige kleine Mädchen auf der ganzen Welt. Aber wusste es überhaupt, dass es ein kleines Mädchen war?...“
Margueritte hörte brav zu, die Hände auf den Knien gefaltet. Es war ein komisches Gefühl, mitten im Park zu sitzen und laut zu lesen, für vierzehn Tauben und eine alte Dame.
Doch ich glaube, ich war stolz auf mich.
Auf Seite elf habe ich aufgehört.
„Wollen wir vielleicht ein anderes Mal weiterlesen?“, habe ich gefragt. „Ich muss das Buch nämlich in die Bibliothek zurückbringen. Aber ich leihe es noch mal aus, wenn Sie wollen. Ist kein Problem, kostet ja nichts.“
Margueritte hat die Augen aufgemacht und gesagt: „Germain, das war wirklich eine schöne Überraschung! Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll...“ Aber dann hat sie sofort gemeint: „Obwohl…“
Doch mehr wollen wir nicht verraten!!!
Lied EG 667, 3-5 ,,Wenn das Brot, das wir teilen
Predigtskizze
Gnade sei mit Euch… Amen.
1. These: Lesen / Leben / Glauben braucht Anleitung
Ausgangspunkt: Apostelgeschichte 9: Kämmerer aus dem Morgenland:
„Verstehst Du auch, was Du liest“ Philippus an den Kämmerer aus Äthiopien.
Seine Antwort: „Wie kann ich, wenn mich niemand anleitet.“
Lesen braucht Anleitung
- Großeltern und Eltern
- Schule (Lesen lernen)
- Kirche (Umgang mit der Bibel)
Der Umgang mit Wörtern braucht Anleitung
- Sprechen lernen
- Schreiben lernen
- Fremdsprache lernen
- Umgangsformen / Konversation lernen
- „Das sagt man nicht!“
Was ist Anleitung?
- Lust wecken
- Technik vermitteln
- Sinn erschließen
- Weitere Motivation schaffen (Lust auf mehr)
Germain braucht sehr viel Anleitung:
zum Lesen, zum Lieben, zum Leben und zum Lernen
Wozu er keine oder kaum Anleitung braucht, ist Glaube.
Germain hat sich einen kindlichen Glauben bewahrt und spricht über und zu Gott wie ein Grundschulkind
Anleitung zum Glauben; das bedeutet:
- Lust wecken: Glauben ist schön.
- Technik vermitteln: Beten, singen, Gottesdienst
- Sinn erschließen: Es macht Sinn und trägt ein Leben, wenn man auf das vertraut, was man nicht sehen kann, das aber dennoch da ist.
- Weitere Motivation schaffen (Lust auf mehr)
2. These: Wörter sind wie Labyrinthe
Germains Erfahrung: Worte verwirren
Es ist schwer sich auszudrücken
Es ist schwer manche Worte zu verstehen
Es ist (in bestimmten Kreisen) nicht üblich zu reden
Es ist (in bestimmten Kreisen) nicht üblich über bestimmte Dinge zu reden
Erfahrung von vielen Menschen heute:
Es gibt keine gute, treffende, angemessene Sprache für
- Liebe
- Beziehung
- Glaube
Erfahrung:
- Unverständliche Sprache von
- Ärzten
- Juristen
- Theologen
„Verstehst Du …?“
„Wie kann ich, wenn die (fach-)chinesisch reden.“
Gegen die „Kirchensprache“!
[Sprache und Macht]
Sprache in der Kirche muss sein:
- Deutsch
- Verständlich
- Lebendig
- Lebensnah
Aus der Fremdsprache des Glaubens muss wieder die Muttersprache der Gläubigen werden
3. These: Worte schaffen Wirklichkeit
Im Buch wird durch
- Lesen und Hören
- Reden und Hören
Neue Wirklichkeit geschaffen:
- Freundschaft Margueritte und Germain entsteht
Partnerschaft zu Germain und seiner Geliebten verändert sich
- Beziehung zur Mutter
- Beziehung zu seinen Freunden
Worte schaffen Wirklichkeit.
Die Bibel steckt voller Sätze und Geschichten dazu:
- Schöpfung: Und Gott sprach: „es werde!“ Und es ward
Gott redet zu
- Abraham
- Mose
- In 10 Geboten
- Propheten
- „Im Anfang war das Wort…“
Jesus redet und schafft neue Wirklichkeit.
- Gesundheit
- Glauben
- Beziehung
Und seine Sprache ist Klar, einfach, verständlich.
Einladung in seine Welt, die mit Anleitung kein Labyrinth mehr ist,
sondern einfach nur das
Paradies auf Erden.
Amen.
Lied EG 592, 1-3 „Wort, das lebt und spricht“
Fürbitten
- Viele Menschen leiden an Schwerhörigkeit und Taubheit. Wir bitten dich, stelle ihnen Menschen zur Seite die sie freundschaftlich unterstützen damit sie sich zurechtfinden.
- Unter uns gibt es immer noch viele Analphabeten. Wir bitten Dich um den Mut dieses Thema nicht zu tabuisieren damit die Betroffenen das Gefühl bekommen nicht ausgestoßen zu sein.
- Trotz modernster Kommunikationsmittel kommt es vor, dass Völker sich nicht verstehen. Worte werden falsch verstanden. Wir bitten dich, gib den Völkern die Einsicht, ihre Konflikte durch Worte und nicht durch Gewalt zu lösen.
- HERR, lass uns offen werden für deine Vision von Freiheit und Frieden. Wir danken dir für unsere Freiheit und unsere Würde. Wir bitten dich um Mut und Kraft für alle, die um Würde und Freiheit kämpfen müssen.
- Herr, gütiger Gott, lass uns im Umgang zwischen Jung und Alt tolerant sein. Schenk uns Geduld um auf einander zu hören, damit wir vom Anderen lernen können. Darum bitten wir dich.
Vaterunser / Segen / Abkündigungen
Lied EG 607, 1-4 „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“
Abkündigungen
Die Bücherei ist jetzt für Sie geöffnet!!!
Orgelnachspiel