Im Menschen muss alles herrlich sein

Sasha Marianna Salzmann

Vielschichtiger Mütter-Töchter- und Migrations-Roman vor dem Hintergrund der 70er bis 90er Jahre im Donezk und der Gegenwart in Jena und Berlin.

In ihrem zweiten Roman stellt die bekannte Dramatikerin die anfangs kindliche Lena und deren schon in postsowjetischer Zeit geborene Tochter Edita in den Mittelpunkt. Lena wächst mit strenger Mutter, einer Chemieingenieurin, und einem weichen Lehrervater im Donezk auf. Voller Freiheit und Wärme sind die Sommer bei der Großmutter in Sotschi, wo die Haselnussernte eingebracht werden muss. Aber Lena soll etwas werden, deshalb erkämpft die Mutter einen Platz im Pioniersommerlager „Kleiner Adler“. Lena schafft es, Medizin zu studieren und praktiziert in den 90er Jahren, in einer privaten Dermatologieabteilung. Gegen ihre Vernunft lässt sie sich auf eine Affäre mit einem schönen Tschetschenen ein, heiratet aber, als Edil sie schwanger verlässt, spontan und pragmatisch den Juden Daniel, mit dem sie dann die Chance zur Ausreise nach Deutschland ergreift. Ihre erwachsene Tochter Edita blickt schonungslos auf die Migrationsgeschichte ihrer Familie, versucht sich als Journalistin fernab von „diktaturgeschädigten Jammerlappen“ und „Perestroika-Zombies“. Dieser Generationenbruch bestimmt auch die beiden weiteren Protagonistinnen Tatjana aus Mariupol, die Lenas Freundin wird, und ihre Tochter Nina, die Edita nah, aber nicht Freundin ist: „Einsamkeit gibt es wohl immer im Plural.“

Poetisch, phantasievoll, frech, traurig und voller Alltagsbeobachtungen erzählt Salzmann vom Überleben in wechselnden politischen Systemen und den Schwierigkeiten der weiblichen Identitätssuche. Großartig!

Bewertung: 3/3   

Rezension von:   
Gabriele Kassenbrock


Preisgeb.: 24,00 €
Erscheinungsjahr2021
VerlagSuhrkamp
Originalsprachedeutsch
Übersetzer:in--
Seitenzahl380 Seiten
ISBN978-3-51843010-1
SignaturSL
SchlagworteMigration / Ukraine / Judentum / Frau