Jm 1 Bilderbücher

Esther aus Afghanistan - Emil aus Deutschland. Elinor Sima. Ill. von Susie Bauer. Bad Wimpfen: Karoline Kinderbuch 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-9814691-5-8, geb.: 18,90 €
Emil und Esther - die Geschichte zweier Flüchtlinge.
Ein Buch - zwei Geschichten, je nachdem, welchen Buchdeckel man zuerst aufklappt. Die eine Geschichte erzählt von dem alten Mann Emil aus Deutschland, der als Kind vor der heranrückenden Front über das Haff fliehen und die Heimat verlassen musste. Als „Flüchtlingsbrut" beschimpft und immer hungrig, sind die ersten Jahre nach dem Krieg nicht einfach. Aber Emil macht seinen Weg. Er studiert, heiratet, gründet eine Familie, spielt Geige und engagiert sich später in der Flüchtlingshilfe. - Die andere Geschichte erzählt von Esther aus Afghanistan, die wegen Krieg und Terror ebenfalls ihre Heimat verlassen muss und auf gefährlichen Wegen mit ihrer Familie nach Deutschland gelangt. Dort können sie beim Onkel unterschlüpfen, aber Esther fühlt sich fremd und einsam, nur ihr gerettetes Keyboard schenkt ihr Trost. - Genau in der Mitte des Buches treffen beide mit ihren Musikinstrumenten an der Gartenmauer von Emil aufeinander. Die Musik und ihre gemeinsame Fluchtgeschichte verbinden sie.
Ein berührendes Buch, wunderbar intensiv illustriert, das Kindern verdeutlicht , dass jeder Mensch durch äußere Umstände zum Flüchtling werden kann.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Krieg | Flucht | Heimat | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Petra Schulte
Ju 3 Erzählungen für Jugendliche ab 13 Jahren

Abawi, Atia: Der geheime Himmel. Eine Geschichte aus Afghanistan. Roman. Dt. von Bettina Münch. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2015. 338 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-423-74014-2, kt.: 14,95 €
Sami und Fatima lieben sich. Aber ihre Liebe ist gefährlich und alles nur, weil sie in Afghanistan leben.
Wer glaubt Romeo und Julia hätten eine tragische Liebesgeschichte gehabt, der sollte "Der geheime Himmel" von Atia Abawi lesen. Sami und Fatima haben in ihrer Kindheit zusammen gespielt und als er einige Jahre später als junger Erwachsener von der Uni zurückkehrt, verlieben sich die beiden ineinander. Und es könnte so schön sein, wenn sie nicht in Afghanistan leben würden. Denn dort bringt man Schande über die eigene Familie, wenn man sich mit jemandem aus einem andersgläubigen Stamm einlässt. Schon bald schweben die beiden in Lebensgefahr und müssen vor fanatischen Islamisten fliehen. Diese berührende Liebesgeschichte beschäftigt sich eindrucksvoll mit dem Islam, der Bedeutung von Herkunft und der Frage, ob etwas, nur weil es zu einer Kultur gehört, auch richtig sein muss. Liebe sollte doch der Wille Gottes sein, ganz gleich in welcher Religion. Dieser Roman zeigt wie erschreckend es ist, in einer Welt zu leben, in der man nicht tun und lassen kann, was man möchte.
Eine schockierende und zugleich berührende Geschichte darüber, dass es nicht selbstverständlich ist, den Menschen lieben zu dürfen, den man möchte.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Liebe | Islam | Afghanistan
Bewertung: +++
Rez.: Cornelia Bisten

Hollingsworth, Alyssa: Einmal Pech und elfmal Glück. Ill. von Cornelia Haas. Dt. von Ann Lecker. Bindlach: Loewe 2019. 348 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-7432-0160-6, geb.: 14,95 €
Weiterleben mit Erinnerungen: Das Wiederbeschaffen der geklauten Laute hilft Sami, 12 Jahre, Paschtunen-Flüchtling, dabei.
Sami, 12, und sein „Baba“, Opa, sind in Boston, nach drei Jahren Flucht aus Afghanistan über Iran, Türkei, Griechenland. Babas Rubab, eine afghanische Laute, wird Sami geklaut – eines der wenigen Erinnerungsstücke, „die Seele“ des Konzertmusikers, der nun als Tellerwäscher jobbt. Dann bietet ein Händler das Teil für 700 Dollar an. Die Geldbeschaffung in vier Wochen in der Ramadan-Zeit ohne Babas Wissen ist der rote Faden der Story: durch Tauschhandel vom Schlüsselanhänger bis zum Laptop. Für Ich-Erzähler Sami folgt nun aufs Überleben das Einleben mit Unterstützung neuer Freunde aus Schule, Sport und Islam-Kulturzentrum. Naiv wird auch gefragt, weshalb er in vielen Ländern lebte. Er vergleicht: etwa (Gast-)Freundschaft hier und bei seinem Volk. In die „Überlebensqual“ mischen sich positive Heimat- sowie Trauma-Erinnerungen – sehr einfühlsam geschildert – an die Eltern, die bei einem Attentat umkamen. Die Autorin, 28, lebte 2011 in Afghanistan und befasste sich mit dem Volk der Paschtunen.
Spannend, sensibel erzählt, mit Anmerkungen zu Kultur und Land. Zum Vorlesen in Gruppen unterschiedlicher Herkunft empfohlen. Kann bei deutschen Jugendlichen Verständnis fördern.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Flucht | Afghanistan | Integration | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Delia Ehrenheim-Schmidt

Kriegszeiten. Eine grafische Reportage über Soldaten, Politiker und Opfer in Afghanistan. David Schraven. Ill. von Vincent Burmeister. Hamburg: Carlsen 2012. O.Pag. : überw. Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-551-78698-2, geb.: 16,90 €
Seit zehn Jahren ist Krieg und wir haben einen blinden Fleck in der Weltsicht. Hier kommen die Bilder, das zu ändern.
Gründliche Recherche, markante Texte, Bilder von berührender Kraft - ein Comic über die Bundeswehr, über deutsche Politiker und Politikerinnen und über ein rätselhaftes Land, das seit Jahrzehnten im Krieg lebt und das trotzdem niemand zu kennen scheint. Keiner versteht, was da eigentlich passiert: in Afghanistan. Gespräche mit Soldaten geben den Grundton an. Sie schildern das, was man schon ahnt, aber nicht wissen wollte: echte Gewalt, echte Tote und massenhaft Sinnlosigkeit. Bilder finden Sprache für Schrecken und Rätsel: welche Strategie verfolgen die alliierten Truppen eigentlich? Freie Fahrt für Transporter mit Dixiklos, Wasserflaschen und Verpflegung? Was hat sich in den Jahren deutscher Beteiligung an der Strategie des Kampfes geändert? Hat sich irgendwas gebessert? Oder, wie manchmal vermutet, das meiste verschlechert? Nach atemlos gespannter Lektüre und Betrachtung dieses Buches verdichtet sich die letztere Vermutung. Kunst und Wahrheit kommen zusammen.
Unbedingt lesen! Für Konfirmandenunterricht, Gottesdienst und Friedensgebet.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Krieg | Armee | Verantwortung | Afghanistan
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel
SL Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Belletristik

Aslam, Nadeem: Das Haus der fünf Sinne. Roman. Dt. von Bernhard Robben. Reinbek: Rowohlt 2010. 459 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-498-00077-6, geb.: 19,95 €
Eine afghanisch-englische Intellektuellen-Familie zwischen den Fronten von Sowjets, CIA, al-Qaida und Warlords.
Im Haus der fünf Sinne lebte der englische Arzt Marcus mit seiner afghanischen Frau Qatrina, die von den Taliban gesteinigt wurde, und ihrer gemeinsamen Tochter Zameen. Zameen wurde als junges Mädchen von einmarschierenden Sowjets entführt. Der russische Soldat Benedikt vergewaltigte und schwängerte sie. Ihr gelang die Flucht nach Pakistan, wo der CIA-Agent David sich in sie verliebte. Zameen und ihr Sohn Bihzad wurden jedoch von rivalisierenden Warlords entführt. Zameen fand den Tod, ihr Sohn wurde in Camps der al-Qaida zum Selbstmordattentäter ausgebildet. Nach dem Anschlag vom 11. September kehrt David nach Afghanistan zurück, um Terroristen aufzuspüren. In Marcus' Haus begegnet er der Russin Lara, die nach ihrem verschollenen Bruder Benedikt forscht. Außerdem gewährt Marcus einem verletzten jungen Mann Unterschlupf, der sich Casa nennt und von dem niemand ahnt, dass er in Wirklichkeit sein gesuchter Enkel ist. Menschen und ihre Kultur, zerstört durch Fundamentalismus und Krieg.
Ein Roman von aktuellem politischen Interesse. Er zeigt die Brutalität schmutziger Kriegsgeschäfte und des Fundamentalismus auf und ist Hommage an die bedrohte afghanische Kultur.
Signatur: SL
Schlagworte: Afghanistan | Politik | Familie | Liebe
Bewertung: +++
Rez.: Dr. Lotte Husung

Aslam, Nadeem: Der Garten des Blinden. Roman. Dt. von Bernhard Robben. München: Dt. Verl.-Anst. 2014. 429 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-421-04588-1, geb.: 22,99 €
Orientalische Poesie trifft auf gewaltsamen Terror und Hoffnungslosigkeit.
Pakistan, kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York in 2001. In Heer machen sich zwei junge Männer, Jeo und Mikal, auf den Weg nach Afghanistan. Jeo, weil er als junger Medizinstudent humanitäre Hilfe leisten möchte in dem Land, in dem Krieg ausgebrochen ist, die Amerikaner Jagd machen auf die Terroristen von al-Quaida und Taliban, und Mikal, weil er flüchtet vor seinen Gefühlen für Naheed, Frau seines Ziehbruders Jeo. Schnell geraten sie zwischen die Fronten, Jeo wird erschossen, Mikal von den Amerikanern gefangen genommen und gefoltert. Auch in Heer sind deutlich die Veränderungen in der islamischen Welt wahrzunehmen, die Radikalisierung greift um sich. Rohan, Vater und Ziehvater der beiden jungen Männer, hadert mit seinem Leben und seiner Religion. Fast blind, bleibt ihm nur noch der Garten seines Hauses… - Teilweise in einer poetischen, teilweise in sehr klarer Sprache taucht der Leser ab in die orientalische Welt, voller Schönheit und voller Gewalt.
Fesselnd und spannend, schockierend und aufrüttelnd ist diese authentische Geschichte. Dieses Buch kann zum Verständnis für die Hintergründe vieler Geflüchteter beitragen.
Signatur: SL
Schlagworte: Pakistan | Afghanistan | Krieg | Islam
Bewertung: +++
Rez.: Helena Schäuble

Faryar, Massum: Buskaschi. oder Der Teppich meiner Mutter. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2015. 653 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-462-04674-8, geb.: 22,99 €
Der aus Afghanistan geflohene Schaer kehrt 2008 noch einmal zurück, um seine alternde Mutter von Vergangenem erzählen zu hören.
Beim Einmarsch russischer Soldaten musste Schaer (der Name bedeutet in Dari „Dichter“) aus seiner Heimat Afghanistan fliehen. Nach Jahren im Exil kehrt er 2008 zurück, um seine demente Mutter zu sehen und ihr zuzuhören, wenn sie über die Vergangenheit spricht. Es eröffnet sich eine facettenreiche Geschichte. Erinnerungsstütze ist ein edler Teppich. In seinem Zentrum sieht man den traditionellen afghanischen Reiterwettkampf („Buskaschi“). Die Erinnerungen überspannen Jahrzehnte und schildern nicht nur das Schicksal von Schaers Familie, sondern geben einen tiefen Einblick in das von Machtkämpfen und Gier geschundene Afghanistan. Man merkt sofort, dass der Autor mit Herzblut schreibt. Die leichte Wehmut, mit der er seinen Protagonisten begleitet, ist genauso spürbar wie die Lebensfreude, die trotz Blut, Schweiß und Tränen, in Schaer und den Seinen steckt. Besonders die detaillierten, oft recht blumigen Beschreibungen freuen die, welche eine orientalisch-angehauchte Erzählkunst zu schätzen wissen.
Dieser umfangreiche Debüt-Roman ist ein kleines Juwel. Er spricht all jene an, die gerne opulente Familiengeschichten lesen und dabei viel über Afghanistan erfahren wollen.
Signatur: SL
Schlagworte: Afghanistan | Familiensaga | Erinnerung
Bewertung: +++
Rez.: Martina Mattes

Geda, Fabio: Im Meer schwimmen Krokodile. Eine wahre Geschichte. Dt. von Christiane Burkhardt. 1. Aufl. München: Knaus 2011. 186 S. ; 21 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-8135-0404-0, geb.: 16,99 €
Wahre Geschichte eines 10-jährigen afghanischen Flüchtlingsjungen, der eine Odyssee um die halbe Welt überlebt.
Eniatollah gehört zum Volksstamm der in Afghanistan verfolgten Hazara. Um ihren Sohn vor einer Verschleppung durch die Taliban zu bewahren, schmuggelt seine Mutter ihn nach Pakistan und lässt ihn dort allein zurück. Ausgestattet mit drei Lebensregeln: Nicht betrügen, nicht stehlen und niemals eine Waffe benutzen, schlägt sich Eniat alleine durch. Er arbeitet als Kindersklave für Onkel Rahin und als Verkäufer auf dem Bazar. In der Hoffnung auf ein besseres Leben im Iran vertraut er sich Schleppern an, schuftet auf dem Bau, wird mehrmals von der Polizei abgeschoben. Nach einer lebensgefährlichen Reise durch die Türkei überlebt er unvorstellbare Torturen in den Bergen, gelangt irgendwann nach Griechenland und schließlich nach Italien. Dort beginnt in einer Pflegefamilie sein zweites Leben als anerkannter politisch verfolgter Flüchtling. Das neue Leben eröffnet ihm Bildungschancen und nicht zuletzt die Möglichkeit, nach all den Jahren, endlich seine Mutter aufzuspüren.
Dieser in der Erzähltechnik des reflektierenden Dialogs zwischen dem italienischen Autor und Eniat geschriebene Roman ist allen Lesern ans Herz gelegt.
Signatur: SL | Ju 3
Schlagworte: Flucht | Afghanistan
Bewertung: +++
Rez.: Bettina Rehbein

Giordano, Paolo: Der menschliche Körper. Roman. Dt. von Barbara Kleiner. Reinbek: Rowohlt 2014. 411 S. ; 21 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-498-02525-0, geb.: 19,95 €
Einsatz in Afghanistan. Eine italienische Truppe gerät von Langenweile in Todesgefahr. Einige sterben. Fesselnd!
Ein Kriegsbuch, das die Kenntnis militärischer Ränge notwendig macht und das tiefen Eindruck hinterlässt! Ein Chor verschiedener Stimmen von Soldaten. Eine Soldatin ist auch dabei. Sie frißt sich die Nägel runter bis es blutet! Die Männer nehmen Abschied, bevor sie nach Afghanistan reisen. Für die einen ist es der erste Auslandseinsatz, für die anderen ist es fast schon Routine: Langeweile und Angst in einer Festung irgendwo zwischen schönen Bergen, vielen Steinen und Wüste. Die militärische Struktur mit ihren grausamen Schattenseiten wird schmerzhaft intensiv beschrieben. Nicht nur die Schikane, mit der ein Soldat gemobbt wird, verschlägt der Leserin die Sprache, auch die scheinbare Willkür, mit der die Truppe in den sicheren Tod geschickt wird. Widerspruch zwecklos. Die Anwesenheit einer Geheimdienstoffizierin macht die Entscheidung noch unanfechtbarer. Der Arzt, der den Einsatz begleitet, tritt als Prophet und Mensch in Erscheinung, ohne das Unheil aufhalten zu können... Grandios!
Faszinierende, aufrüttelnde Lektüre, aich geeignet für einen Literaturgottesdienst in der Passionszeit.
Signatur: SL
Schlagworte: Krieg | Menschlichkeit | Afghanistan | Angst
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

Hosseini, Khaled: Drachenläufer. Dt. von Angelika Naujokat und Michael Windgassen. Berlin: Berlin Verl. 2003. 376 S. ; 22 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 3-8270-0516-7, geb.: 22,00 €
Der Ich-Erzähler Amir muss aufgrund der Taliban-Herrschaft in Afghanistan mit seinem Vater ins amerikanische Exil gehen.
Amir und Hassan verbindet eine innige Freundschaft. Die beiden 12-jährigen Jungen wachsen wohlbehütet im Afghanistan der 1970er-Jahre heran. Amir, der Ich-Erzähler, ist priviligiert, während sein Freund einer niedrigen Dienerkaste angehört. Als Hassan in einen lebensgefährlichen Konflikt gerät, springt Amir ihm nicht helfend bei, sondern lässt ihn im Stich, was ihn seitdem bis ins Exil als Schuld verfolgt. 20 Jahre später kehrt Amir, der aufgrund der Verfolgung durch die Taliban in die USA emigriert ist, nach Afghanistan zurück. Er will seine Schuld tilgen und sich der Wahrheit stellen. - Der Autor (*1965), der 1980 mit seiner Familie als Asylant in die USA kam, verarbeitet Teile der eigenen Erfahrungen des Lebens in Afghanistan und in seiner neuen „Heimat“. Bemerkenswert, dass jede kaschierende Nostalgie dabei vermieden wird, sondern im Gegenteil intensiv die grundsätzliche Problematik einer Stammes- und Clangesellschaft zur Sprache kommt. - Den LeserInnen wird der schwer überbrückbare Gegensatz zwischen ethnisch und religiös unterschiedlichen Gesellschaften überzeugend verdeutlicht. Ein wichtiger Beitrag zum Thema Moral und Schuld und zur Mulitkulturalität und ihrer Problematik.
Ein wichtiger Titel für alle Büchereien, in denen es darauf ankäme, Darstellungen zur sog. Multikulturalität und ihrer Problematik anzubieten.
Signatur: SL
Schlagworte: Schuld | Afghanistan | USA | Exil
Bewertung: +++
Rez.: Gerhard Rademacher

Hosseini, Khaled: Tausend strahlende Sonnen. Roman. Dt. von Michael Windgassen. Berlin: Bloomsbury 2007. 381S. ; 21 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-8270-0671-4, geb.: 22,00 €
Das bewegende Schicksal zweier afghanischer Frauen inmitten von Krieg und Zerstörung.
In seinem neuen Roman erzählt der Autor des Bestsellers “Drachenläufer” (Ev. B. 04/58) wieder eine zutiefst bewegende Geschichte aus seinem Heimatland: vom Leid und der Ohnmacht, aber auch vom außergewöhnlichen Mut zweier afghanischer Frauen. Mariam ist 15, als sie mit dem 30 Jahre älteren Kabuler Schuhmacher Raschid verheiratet wird, der sie schlägt und demütigt. Zwanzig Jahre später, trifft Laila, eine junge Frau aus der Nachbarschaft, das gleiche Schicksal. Sie wächst in einem liberalen, westlich orientierten Haushalt auf. Als ihre Eltern bei einem Bombenangriff umkommen, wird Laila die Zweitfrau des alten Raschid - und verfängt sich in einer Welt aus Wut und Misstrauen. Langsam entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden Frauen, die Mutter und Tochter sein könnten, eine Freundschaft, die wärmt wie "tausend strahlende Sonnen". Während der Taliban-Herrschaft machen Bombardierungen, Hunger und physische Gewalt das Leben der Familie zur Qual. Die Not lässt die an sich so unterschiedlichen Frauen zu engen Freundinnen werden und ihre Stärke schließlich ins Übermenschliche wachsen, als sie sich endlich gegen den gewalttätigen Ehemann wehren. Der Kampf der beiden Frauen ums Überleben angesichts von Gewalt, Erniedrigung und Willkür wird feinfühlig und äußerst realistisch mit der wechselhaften Geschichte des geschundenen Landes verwoben. Hosseini spart nichts aus, weder eine öffentlichen Exekution in der Halbzeitpause eines Fußballspiels noch die sinnlose Zerstörungswut an Kulturdenkmälern.
Ein hartes, aber packendes und sehr emotionales Buch, das in keiner Bücherei fehlen sollte.
Signatur: SL
Schlagwort: Frau | Unterdrückung | Afghanistan
Bewertung: +++
Rez.: Ileana Beckmann

Meek, James: Fremdland. Dt. von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. München: Fahrenheit 2008. 344 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-940813-11-4, geb.: 19,90 €
Eine Liebe zwischen den Kriegsberichterstattern Astrid und Adam in Afghanistan und dem Irak und überall.
Es ist schon eine Sache mit der Liebe; das neue Buch von James Meek führt mitten hinein in ihre Wirrnisse dieser Tage. Von Oktober 2001 bis zum März 2003 begleitet es eindrucksvoll und nüchtern diese Geschichte von Liebe und Schuld zweier Menschen. An die Hauptkriegsorte der heutigen Zeit versetzt, gelingt es dem Autor ungemein überzeugend, den britischen Protagonisten in dessen Zuneigung zu der für ihn nicht immer leicht zu durchschauenden Amerikanerin zu beschreiben. Biographische Rückblicke und gedankliche Assoziationen zum eigenen Werdegang und zu den Grundproblemen amerikanischer Lebensphilosophie und Außenpolitik begleiten Adam Keller auf dieser Suche nach Astrid und dem eigenen Ich. Ob das interessante und gut übersetzte Buch schließlich zu einem Happy End führt, kann nur durch das Lesen dieses ungewöhnlichen Romans entdeckt werden. Und das lohnt sich auf jeden Fall.
Eine anrührende Alternative zu den vielen Artikeln und Berichten über die Kriege dieser Tage, die LeserInnen sich bei uns ausleihen können sollten.
Signatur: SL
Schlagworte: Liebe | Krieg | Afghanistan | Irak
Bewertung: +++
Rez.: Kurt Triebel

Passarlay, Gulwali: Am Himmel kein Licht. Die lange Reise eines kleinen Jungen, der allein aus Afghanistan flieht. Dt. von Jürgen Neubauer. München: Piper 2016. 414 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-492-05774-5, geb.: 20,00 €
Die Fluchtgeschichte eines 12-jährigen afghanischen Jungen aus einer Paschtunen-Familie, die durch acht unterschiedliche Länder führt und letztlich in Großbritannien endet.
Ein Tagebuch zum Zeitgeschehen führt Gulwali Passarlay, einen in der Großfamilie in Afghanistan behütet aufgewachsenen Jungen, auf die Flucht . Er erlebt Dinge mit, auf die Kinder seines Alters nicht vorbereitet sind. Seine Mutter wünscht die Ausreise nach den gewaltsamen Morden seines Großvaters und des Vaters für ihn, den Zwölfjährigen, und seinen Bruder. Gulwali beschreibt seine mehr als einjährige Irrfahrt durch die Länder des Mittleren Ostens und Europas fast minutiös und sehr genau, seine Gedanken und Sehnsüchte und Hoffnungen gehören dazu. Gelingende Grenzübertritte zu Fuß und zu Pferd, auf dem Land und im Meer, auf etlichen Fahrzeugen wechseln sich ab mit vergeblichen Versuchen, weiter zu kommen. Erfahrungen mit Grenzbehörden, Aufenthalte in Gefängnissen und an den Sammelstellen der Flüchtlinge aus vielen Ländern wechseln sich ab mit der Aufnahme durch mitfühlende Menschen. In England, das er schließlich erreicht, gelingt ihm eine Schul- und Berufskarriere Durch das ganze Tagebuch ziehen sich die Erlebnisse mit den vielfältigen Schlepperbanden, die an Leben der Menschen auf der Flucht bestimmen, weil es ihnen nur um das Geld für sog. Hilfen geht. Ein gut lesbares Buch, das einen Einblick in die Fluchtgeschichte, aber auch in das afghanische Lebensgefühl und damit in die dramatische, persönliche und religiöse Entwicklung eines jungen Mannes aus diesen geschundenen und zugleich herrlichem Land gibt.
Auch, wenn das Buch sicher keine große Literatur darstellt, sollte es sich überall in unseren Büchereien finden lassen, er trägt dazu bei, Verständnis für die Migranten dieser Tage zu empfinden.
Signatur: SL
Schlagworte: Afghanistan | Islam | Fluchtgeschehen | Neuanfänge
Bewertung: +++
Rez.: Kurt Triebel

Rahimi, Atiq: Stein der Geduld. Roman. Atiq Rahimi. Dt. von Lis Künzli. Berlin: Ullstein 2009. 167 S. ; 20 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-550-08786-8, geb.: 18,00 €
Ergreifender Roman über das Leben einer afghanischen Frau.
Irgendwo in Afghanistan liegt ein schwer verletzter Mann im Koma. Seine Frau wacht an seinem Bett. Draußen tobt der Krieg. Zu Anfang betet sie nur. Doch allmählich löst sich ihre Zunge. Sie redet. Sie spricht von ihrem Leben voller Demütigungen, Verletzungen und Einsamkeit. Das erste Mal in zehn Jahren Ehe redet sie – und er kann nicht widersprechen oder weghören. Der Mann wird zu ihrem „Stein der Geduld“, dem man laut einer persischen Sage alle Sorgen und Nöte anvertrauen kann, bis er schließlich explodiert. Wie in einem Kammerspiel wird die Aufmerksamkeit auf die Frau gebündelt. In einem verzweifelten Monolog redet sie sich Wut, Enttäuschungen, Schmerzen und Hoffnungen von der Seele. Sie gibt einen Einblick in das Leben einer Geknechteten in einem Land, das seit 30 Jahren von Kriegen der Männer zerrüttet wird. So tritt der im Pariser Exil lebende afghanische Autor für Frauen in seiner Heimat ein. Er erhielt für das französische Original 2008 den Prix Goncourt.
Minimalistische Sprache, große Wirkung: erschütternd, unter die Haut gehend. Sehr geeignet für Lesekreise.
Signatur: SL
Schlagworte: Afghanistan | Frau | Familie | Krieg
Bewertung: +++
Rez.: Kerstin Wohne

Scheuer, Norbert: Die Sprache der Vögel. Roman. München: Beck 2015. 237 S. : Ill. ; 20 cm. ISBN 978-3-406-67745-8, geb.: 18,95 €
Ein deutscher Wehrdienstleistender beobachtet in Afghanistan Vögel und verliert dabei sich selbst.
Mehrere Handlungsstränge warten auf die Leser: Im Mittelpunkt steht das Tagebuch des Sanitätsobergefreiten Paul Arimond, das mehrere Monate umfasst, die er in einem Feldlager in Afghanistan verbringt. Dann gibt es intensive Bezüge zu seiner Heimat in der Eifel, von wo er nicht nur ein familiär begründetes Trauma mitbringt, sondern wo er auch einen Autounfall verursacht hat, bei dem ein Freund irreversibel schwer verletzt wurde. Weiterhin gibt es Notizen eines Vorfahren, der im 18. Jahrhundert Afghanistan bereist hat. Außerdem wird der Fund von Arimonds Tagebuch nach dessen Tod infolge eines Anschlags thematisiert. Das klingt nach zu viel Inhalt, aber dem Autor gelingt es, daraus ein stimmiges Mosaik zu formen, auch sprachlich. Wie bei Jonathan Trouern-Trends realem "Birding Babylon: Tagebuch eines Soldaten im Irak" (Berlin-Verlag 2009) spielen Vögel als Symbole für Freiheit und Frieden eine zentrale Rolle. Für Scheuers leidenden Protagonisten wird die Ornithologie aber zu einer selbstzerstörerischen Manie.
Das attraktiv illustrierte Buch wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wird im Segment der deutschen Gegenwartsliteratur zur vorrangigen Anschaffung empfohlen.
Signatur: SL
Schlagworte: Afghanistan | Vögel | Bundeswehr | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Tobias Behnen
B Biografien, Briefe, Tagebücher

Omar, Qais Akbar: Die Festung der neun Türme. Die Geschichte meiner afghanischen Familie. Qais Akbar Omar. Dt. von Leon Mengden. München: C. Bertelsmann 2014. 511 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-570-10167-4, geb.: 19,99 €
Odyssee einer afghanischen Familie. Spannende Biographie mit Einblick in fremde Kultur- und Glaubensbereiche.
Qais, Protagonist und Ich-Erzähler (späterer Teppichknüpfer) erinnert in seiner Geschichte an eine behütete Kindheit in Kabul inmitten der Familie mit Zusammenkünften im Garten des klugen - von ihm verehrten - Großvaters, der die Geschicke der gesamten Verwandtschaft leitet. Im Kreise seiner Söhne werden Zukunftspläne geschmiedet, geprägt von der Liebe zu Kultur, Weltliteratur und traditionellen Werten. Die Frauen hingegen bilden einen separaten Zirkel in dem private, sehr persönliche Themen dominieren während in der Debattierrunde der Jugendlichen Aktualitäten, spannende Alltagsfragen erörtert werden, alles begleitet von buntem, fröhlichem Treiben, Spielen, vertrauensvoller Unbeschwertheit, purer Daseins-Freude.- Diese Idylle wird jäh zerrissen durch den Einbruch der Taliban, die Angst und Entsetzen verbreiten. Mit der Entscheidung, in den Norden zu flüchten, beginnt ein abenteuerlicher, äußerst gefährlicher Schritt in eine ungewisse Zukunft. Es müssen lebensbedrohliche Situationen gemeistert werden ehe die Beteiligten - oft durch überraschende Hilfe - in friedlicheren Gebieten landen.
Prosaisch, atmosphärisch dicht, brisant in Thema, Stil und Ausdruck. Geeignet für Interessierte dieses Genres mit hohem(aktuellem) Diskussionspotential. Empfehlung für alle (Patienten-) Büchereien.
Signatur: Bb
Schlagworte: Afghanistan | Flucht | Familie < Erinnerung
Bewertung: +++
Rez.: Brigitta Morgenstern

Rahimi, Atiq: Heimatballade. Dt. von Waltraud Schwarze. Berlin: Ullstein 2017. 189 S. : Ill. ; 20 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-550-08139-2, geb.: 18,00 €
Nachdenken über die Herkunft und das Exil als Vertreibung und Ankunft.
Atiq Rahimi, der aus Afghanistan stammt und auf Französisch schreibt, hat im Laufe seiner Wanderungen eine multikulturelle Persönlichkeit erworben. Sein Weg von Kabul führte ihn über Indien nach Paris, Orte, deren Dichtung, Religion und Philosophie sein Schreiben geprägt haben. Im Mittelpunkt seiner Erinnerungen an Vater, Mutter und Schule aber stehen die persischen Buchstaben als Elemente des ästhetischen Weltverständnisses, die Kalligrafie. Aus ihnen entwickelt der Dichter, Zeichner und Filmemacher Rahimi die „Kallimorphien“, ganz persönliche, konkrete Abbilder der Wirklichkeit. In ihnen kreuzen sich östliche und westliche Kunstauffassung. Rahimi schreibt höchst poetisch, sein Bezug zur französischen zeitgenössischen Philosophie und zur uralten persischen Dichtung, die er in seinen Betrachtungen verarbeitet und zitiert, charakterisieren eine intellektuell anspruchsvolle und immer wieder an sich selbst zweifelnde Schreibweise.
Der Reiz dieser „Heimatballade“ wird sich nur einem Leser erschließen, der bereit ist, sich in westliche, insbesondere französische, und östliche Weltanschauungen zu vertiefen.
Signatur: Bb
Schlagworte: Emigration | Kalligraphie | Religionen | persische Dichtung
Bewertung: +++
Rez.: Barbara von Korff-Schmising
E Erd-, Länder- und Völkerkunde, Reisen

Willemsen, Roger: Es war einmal oder nicht. Afghanische Kinder und ihre Welt. Frankfurt: Fischer 2013. 521 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-10-092108-6, geb.: 19,99 €
»So empfindlich ich bin, wenn man mit Kindern versucht, Mitleid zu erregen, so konnte ich doch nur kapitulieren vor der Lebensklugheit und Reife, der Liebenswürdigkeit und Vitalität dieser Kinder.«
Afghanische Kinder erzählen und zeichnen ihr Leben: Wünsche, Träume, Hoffnungen, von ihrer Kraft, ihrem Mut, ihrer Großherzigkeit - ebenso wie von ihrem schwierigen Alltag in einem geschundenen, von Krieg und Gewalt überschattetem Land, über ihre Traumata, ihre Ängste, ihre Verluste, ihr Leid. Hinzu gibt Roger Willemsen, ein Liebender Afghanistans, seine bildhafte, lebendige, eindrückliche und bewegendende Sprache, die wirkliche Kenntnis der Verhältnisse, die berührende Einfühlung in Kultur und Geschichte, die tiefe Empathie für den kulturellen Reichtum eines Landes, das er als seine blaue Blume bezeichnet. Entstanden ist nach seiner großen „Afghanischen Reise“ von 2006 ein ungewöhnliches, anrührendes, stilistisch vollendetes Buch von großer Art, das Willemsen und der Fischerverlag mit sämtlichen Verkaufserlösen dem Afghanischen Frauenverein e. V. zugute kommen lässt.
Roger Willemsens Buch ermöglicht einen ganz anderen Blick auf dieses Land, als medial sonst meist sehr einseitig vermittelt. Schon deshalb: unbedingt zu empfehlen!
Signatur: Ee | Ga 3
Schlagworte: Afghanistan | Kind | Alltag | Lebensbedingungen
Bewertung: +++
Rez.: Jana Heinig
G Geschichte, Zeitgeschichte

Weidner, Stefan: Ground Zero. 9/11 und die Geburt der Gegenwart. München: Hanser 2021. 255 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-26933-0, geb.: 23,00 €
Reflektionen über die Folgen des Anschlags vom 9/11.
Der Islamwissenschaftler und Publizist (2018: „Jenseits des Westens“) analysiert zunächst die wichtigsten Stationen, die zum islamistischen Terror führten: der westliche Kolonialismus, das Scheitern der säkular-sozialistischen Bewegungen (etwa Nasser), die westlichen und sowjetischen Interventionen (etwa in Ägypten, Afghanistan) und die islamische (schiitische) Revolution im Iran. Mit dem fragwürdigen Sieg von Bush jun. über Gore setzten sich in den USA die Neokonservativen durch, die sowohl in Afghanistan wie auch im Irak ein Desaster anrichteten, von dem später der Islamische Staat profitierte. Die Reformbewegungen im Iran und den arabischen Staaten („Arabischer Frühling“) wurden vom Westen nur verbal unterstützt. Die Fluchtbewegungen etwa aus Syrien stärkten die Rechtspopulisten. Rechtsterroristen fühlten sich ermutigt und reagierten spiegelbildlich zu den islamistischen Terroristen. Um die Polarisierung in den westlichen Gesellschaften zu korrigieren ist eine selbstkritische Haltung im Westen notwendig.
Das scharfsinnige Sachbuch, das hier nur stark verkürzt referiert werden kann, ist eine Diskussionsgrundlage für Lesegruppen zum Thema Islamismus und kann breit empfohlen werden.
Signatur: gg
Schlagworte: Islamismus | USA | Arabischer Frühling | Iran
Bewertung: +++
Rez.: Peter Bräunlein