Black History Month

Im Februar wird in Kanada und in den Vereinigten Staaten alljährlich der Black History Month gefeiert. Diese Feierbewegung schwarzer Geschichte in den Vereinigten Staaten wurde 1926 von Carter G. Woodson initiiert, womit er die breite Öffentlichkeit auf den Beitrag von Afroamerikanern zur Geschichte ihres Landes aufmerksam machen wollte. Woodson wählte den Februar deshalb, weil in diesem Monat Abraham Lincoln, Frederick Douglass und Langston Hughes geboren wurden.

Seit den 1990er-Jahren findet der Black History Month auch in Deutschland mehr und mehr Aufmerksamkeit. Geschichte, Kultur und Errungenschaften von Schwarzen Menschen sollen in den Blick genommen und gewürdigt werden.

Für Kinder und Jugendliche

Der Bus von Rosa Parks. Fabrizio Silei. Ill. von Maurizio A.C. Quarello. Dt. Sarah Pasquay. 1. Aufl. Berlin: Jacoby & Stuart 2011. O. Pag. : überw. Ill. ; 31 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-941787-40-7, geb.: 14,95 €

Historie, erzählt für Kinder: Der kleine Ben lernt im Museum den Ursprung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung kennen.

Ben geht mit seinem Opa in Detroit ins Museum und ist enttäuscht, als er nur einen alten Bus gezeigt bekommt. Doch dann berichtet Opa von einer historischen Begebenheit, die uns heutzutage, da ein Farbiger Präsident der USA ist, fast unglaublich erscheint. Dennoch ist es erst 66 Jahre her, als in den USA Schwarze aufzustehen hatten, sobald Weiße sich im Bus hinsetzen wollten. „Rassentrennung“ ist ein böses Wort aus dieser Zeit. Die mutige Rosa Parks saß in diesem Bus, der nun im Museum steht. Sie weigerte sich, für einen Weißen ihren Platz aufzugeben und wurde verhaftet. Dies wurde von der afroamerikanischen Gemeinschaft mit einem Boykott gegen die Busgesellschaft beantwortet – Ursprung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. - Der italienische Politologe Silei hat ein erschütterndes, von Illustrator Quarello eindrucksvoll bebildertes, Zeitdokument geschaffen. - Wegen der verstörenden Schilderung brutaler, rassistischer Gewalt des Ku-Klux-Klans sollten Kinder bei der Lektüre begleitet werden.

Geeignet sowohl für Kinder ab 8 J. zum Selberlesen als auch für den Sozialkunde- und Geschichtsunterricht und Gemeindearbeit (Konfirmationsunterricht).

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Rassismus | USA | Afroamerikaner | Zivilcourage
Bewertung: +++
Rez.: Katharina Katt

Dunlap, Shannon: We Will Fall. Eine Liebesgeschichte. Dt. von Henriette Zeltner. Frankfurt am Main: Sauerländer 2019. 365 S. ; 22 cm. Aus d. amerikan. Engl. ISBN 978-3-7373-5601-5, geb.: 17,00 €

Moderne Romeo-und-Julia-Geschichte vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Demonstrationen.

Als die 16-jährige Izzy mit ihrem Zwillingsbruder und ihren Eltern von der trendigen Lower East Side in einen Problembezirk von Brooklyn zieht, prallen zwei Welten aufeinander. Doch dann verliebt sich Izzy auf ihrer neuen Schule in den begabten Schachspieler Tristan, dessen Cousin Marcus der Anführer einer Gang ist ... Als Marcus sich ausgerechnet Izzy als neue Flamme aussucht, beginnen Tristan und sie ein riskantes Versteckspiel. Zunächst nimmt die Tragödie den zu erwartenden Verlauf, doch zum Ende wandelt sich die Handlung: Tristan wird nicht von der Gang getötet, sondern stirbt während einer Black-Lives-Matter-Demonstration, als ein Polizist in die Menge schießt.
Der Debütroman der in Brooklyn lebenden Autorin wird aus drei Perspektiven erzählt und lässt nicht nur die Liebenden zu Wort kommen, sondern auch Izzys Freundin Brianna, die selbst in ein Netz aus Eifersucht und Schuldgefühlen verstrickt ist. So entsteht ein intensiver Blick auf die jugendliche Gefühlswelt.

Im Unterricht als moderne Interpretation von Shakespeares Original einsetzbar, aber auch zum Thema Rassenungleichheit in den USA. 

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Liebe | Familie | Rassismus
Bewertung: +++
Rez.: Amelie Sareika

Reynolds, Jason u. Kendi, Ibram X.: Stamped. Rassismus und Antirassismus in Amerika. Dt. von Anja Hansen-Schmidt u. Heike Schlatterer. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2021. 251 S. ; 22 cm. (Reihe Hanser). ISBN 978-3-423-64083-1, geb.: 17,00 €

Geschichte des Rassismus in den USA und des Kampfes dagegen.

Der Kinder- und Jugendbuchautor Reynolds legt eine Version für Jugendliche des von dem amerikanischen Historiker Kendi verfassten Buches „Gebrandmarkt“ vor. Dabei wendet sich Reynolds immer wieder direkt an sein Publikum in einer gut verständlichen Umgangssprache. Den Ursprung des US-Rassismus verortet er in der europäischen Kolonialideologie, die häufig von Predigern auf die USA übertragen wurde. Frühe amerikanische Präsidenten wie Jefferson sprachen sich zwar gegen Rassismus aus, hielten aber selbst Sklaven. Auch Lincoln war anfangs kein entschiedener Gegner der Sklaverei. Ausführlich wird auf W.E.B. DuBois und Marcus Garvey eingegangen. Neben dem Bürgerrechtler Martin Luther King werden Malcolm X und Angela Davis ausführlich vorgestellt. Den Abschluss bilden Barack Obama und Black Lives Matter.
Leider fehlen Illustrationen und Karten und die Ansprache an das Publikum wirkt gelegentlich etwas kumpelhaft.

Ein umfassender Blick auf das Thema, wobei militante Vertreter stark berücksichtigt werden. Insgesamt eine gute Einführung, die breit empfohlen werden kann.

Signatur: Jg
Schlagworte: USA | Rassismus | Antirassismus | Obama
Bewertung: ++
Rez.: Peter Bräunlein

Slater, Dashka: Bus 57. Eine wahre Geschichte. Dt. von Ann Lecker. Bindlach: Loewe 2019. 390 S. ; 22 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-7432-0363-1, geb.: 18,95 €

Das Leben eines weißen, transsexuellen Jugendlichen wird mit dem eines schwarzen Jugendlichen aus ärmlichen Verhältnissen kontrastiert.

Die Journalistin und Autorin recherchierte einen Vorfall, der sich 2013 in Oakland/USA ereignete und machte daraus einen Jugendroman. Der afroamerikanische Jugendliche Richard zündet während einer Busfahrt den Rock des schlafenden weißen Jugendlichen Sasha an, der sich nach einer längeren Identitätssuche als genderneutral definiert. Nur knapp wird das Leben Sashas gerettet, der nach zahlreichen Operationen fast geheilt, eine Eliteuniversität besucht. Dagegen droht dem eigentlich freundlichen Richard anfangs eine lebenslange Haftstrafe. Richards Mutter kümmerte sich um ihn, konnte aber nicht verhindern, dass er viele Kontakte mit Kleinkriminellen hatte. Nachdem Sasha und seine Eltern Richards ehrliche Entschuldigung annehmen, erhält er nach guter Führung eine fünfjährige Haftstrafe. Seine Resozialisierungsaussichten sind gut.
Die Autorin baut in ihrem ansprechenden Roman informierende Passagen über die Situation von Jugendlichen ein, die sich jenseits von männlich und weiblich definieren, und Abschnitte über die fatale Lage vieler Schwarzer in den USA.

Ein lesenswerter Roman, der über die LGBTQ-Community und Schwarze in den USA informiert.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: USA | Gewalt | Transsexualität | Rassismus
Bewertung: ++
Rez.: Peter Bräunlein

Thomas, Angie: The Hate U Give. Dt. von Henriette Zeltner. München: cbt 2017. 508 S. ; 22 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-570-16482-2, geb.: 17,99 €

Die 16jährige Starr wird Zeugin, als ein weißer Polizist ihren Jugendfreund Khalil bei einer Verkehrskontrolle erschießt.

Starrs Leben ist zweigeteilt: Zuhause im Schwarzen-Ghetto Garden Hights ist sie Big Mavs Tochter, ihre überwiegend weißen Mitschüler kennen ein ganz anderes Mädchen. Als Kind einer afroamerikanischen Familie ist es Starr von klein auf eingebläut worden: Bleib unauffällig und verhalte dich klug, wenn du einem weißen Cop begegnest. Aber als sie im Auto mit ihrem Jugendfreund Khalil von der Polizei angehalten wird, fallen Schüsse, und sie muss hilflos zusehen, wie ihr Freund stirbt.
Als Zeugin gerät Starr zwischen alle Fronten. Soll sie aus Angst still bleiben oder aussagen, als Gerüchte, Polizeiberichte und die Presse Khalil als wertlos und schuldig am eigenen Tod darstellen? THUG LIFE – Verbrecherleben. Der abschätzige Begriff ist auch ein Akronym für “The hate u give little infants fucks everyone”. Diese Einsicht motiviert Starr, sich dafür einzusetzen, dass Kinder nicht mit diesem Hass aufwachsen, der zu Perspektivlosigkeit, Verstrickung in kriminelle Banden und Gewalt führt.
Die vom Rap geprägte Sprache des Originals nimmt viele Slang-Ausdrücke auf. Die Übersetzerin lässt klugerweise vieles davon stehen, ein Glossar am Ende des Buches ist hilfreich.

Ein unbedingt empfohlenes Buch, das differenziert amerikanische Ghetto-Realität darstellt und gleichzeitig überzeugend vom Erwachsenwerden eines jungen Mädchens erzählt. Ab 14 J. 

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Rassismus | Ghetto | Erwachsenwerden
Bewertung: +++
Rez.: Birgit Schönfeld

Thomas, Angie: On The Come Up. Dt. von Henriette Zeltner. München: cbj 2019. 508 S. ; 22 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-570-16548-5, geb.: 18,00 €

Die 16-jährige afro-amerikanische Rapperin Bri wehrt sich gegen den alltäglichen Rassismus in den USA.

Die 16-jährige Bri will die größte Rapperin aller Zeiten werden. Talentiert ist sie und in Rap-Battles schlägt sie sich hervorragend, dennoch stehen ihre Chancen auf den großen Durchbruch schlecht, denn sie ist schwarz. Als ihre alleinerziehende Mutter ihren Job verliert, stapeln sich plötzlich Rechnungen und Kündigungen, Gas und Strom werden abgestellt, der Kühlschrank ist leer und Bri erkennt, dass sie den Durchbruch nicht nur schaffen will, sondern muss.
Thomas‘ zweiter Roman zeigt mit klaren Worten emotional und authentisch die aktuelle Situation schwarzer Bevölkerungsteile US-Amerikas. Bri lebt in einem verarmten Viertel und begegnet Vorurteilen beim Einkaufen, Rassismus bei Kontrollen durch Sicherheitsbeamte und offenem Hass durch abfällige Bemerkungen. Waffen, Drogen, Arbeitslosigkeit und Verschuldung spiegeln die Armut und Perspektivlosigkeit wider, aus der die Protagonistin auszubrechen versucht. Mit Leidenschaft, Wut, Schmerz und Angst stellt sie sich gegen die Ungerechtigkeit.

Berührender Gesellschaftsroman für Leser*innen ab 14, der die Realität, aber auch Rap als Instrument, zeigt, um die Stimme zu erheben. Auch als Schullektüre zum Thema „race relations“ geeignet.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Gesellschaftskritik | Rassismus | Vorurteile | Armut
Bewertung: +++
Rez.: Anne Tebben

Wer die Nachtigall stört.... Harper Lee. Ill und bearb. von Fred Fordham. Dt. von Claire Malignon. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verl. 2018. 272 S. : überw. Ill. ; 24 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-499-21822-4, geb.: 20,00 €

Würdige Comicadaption des großen amerikanischen Klassikers über Rassismus und soziale Ungleichheit.

Die Graphic-Novel Adaption des amerikanischen Klassikers von Harper Lee erzählt die Geschichte des Geschwisterpaares Scout und Jem im Alabama der Dreißigerjahre. Im klassischen Format eines gebundenen Romans gehalten und mit sehr schönen, detaillierten Zeichnungen versehen, erlebt man auf 300 voluminösen Seiten eine Jugend in den amerikanischen Südstaaten zur Zeit der Wirtschaftskrise. Der Clou an der Erzählung ist hierbei die Erzählperspektive der siebenjährigen Scout, die die Gesellschaft um sich herum entdeckt und zu begreifen versucht. Dabei werden Themen wie soziale Ungleichheit, Politik, Armut und die Geschlechterfrage aufgenommen. Das wichtigste, sich durch das ganze Buch ziehende Thema, ist allerdings der Rassismus innerhalb der Südstaatengesellschaft. So ist einer der Höhepunkte, der Gerichtsprozess gegen einen Afroamerikaner, den Scouts Vater Atticus vertritt. Eine würdige Comicadaptionen eines der besten amerikanischen Romane aller Zeiten.

Für junge Erwachsene und alle interessierten Erwachsenen eine schöne Ergänzung zum Roman, der in keiner Bücherei fehlen sollte.

Signatur:
Ju 3 | SL
Schlagworte: Rassismus | USA | Südstaaten
Bewertung: +++
Rez.: Christian Prange

Für Erwachsene

Bennett, Brit: Was fange ich bloß mit guten weißen Menschen an. Dt. von Amelia Umuhire. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl. 2021. 110 S. ; 17 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-499-00841-2, geb.: 10,00 €

Essays zum alltäglichen Rassismus in den USA.

Mit ihren Romanen „Die Mütter“ (2016) und „Die verschwindende Hälfte“ (2020) hat die Autorin Bestseller über das gefährdete Leben von Schwarzen in den USA geschrieben. Nun sind acht ihrer seit 2014 in verschiedenen Medien veröffentlichten Essays zum Thema Rassismus in deutscher Übersetzung erschienen. Barnett nimmt die Tötung von zwei Schwarzen in 2014 zum Anlass, um mit ihren Interpretationen der gesellschaftlichen Spannungen zwischen Weißen und Schwarzen in den USA zu beginnen. Sie bezieht sich auf Michael Brown, der in Ferguson, Missouri, bei einer Polizeikontrolle erschossen wurde und auf Eric Gardner der in New York durch einen widerrechtlich angewandten Würgegriff eines Polizisten ums Leben kam. Wie in ihren anderen Essays kontrastiert sie diese Gewalttaten mit dem durchaus vorhandenen Bemühen der Weißen, die Schwarzen „zu verstehen“ und „zu integrieren“. Diese paternalistische Haltung versteht sie als einen Grund für die Fortdauer der massiven Auseinandersetzungen.

Ein in der Kürze umfassender Einblick in die Hintergründe der Spaltung der Gesellschaft in den USA. Sowohl zur Einführung als auch zur Vertiefung geeignet.

Signatur: Sb
Schlagworte: Rassismus | Emanzipation
Bewertung: +++
Rez.: Rüdiger Sareika

Eddo-Lodge, Reni: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Dt. von Anette Grube. Stuttgart: Tropen 2019. 263 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-608-50419-4, kt.: 18,00 €

Analytisches und kämpferisches Buch über Rassismus.

Weiße Lesende seien gewarnt: es ist schmerzhaft dieses Buch zu lesen, aber es ist wichtig. Die preisgekrönte Journalistin und Bloggerin setzt sich darin mit dem strukturellen, systemimmanenten Rassismus in westlichen Gesellschaften auseinander. Auslöser war ein blogpost, den sie 2014 veröffentlichte und in dem sie eben die im Titel übersetzte Äußerung tat. Die Empörung war immens, dabei wollte sie doch nur klarstellen, dass die Kommunikation zwischen Schwarzen und Weißen immer von Machtverhältnissen und Ungleichheit geprägt ist. Natürlich stoßen ihre Thesen auf Widerspruch, auch die Rezensentin hat sich bisher nicht als Rassistin gesehen. Und tatsächlich will das Buch ja genau das Gegenteil des Titels, nämlich ein Angebot für eine ehrliche Kommunikation sein. Systematisch blättert sie die verschiedenen Felder des strukturellen Rassismus auf: die britische Geschichte mit Kolonialismus, Sklaverei und Migration, das System der vermeintlichen Farbenblindheit, die Polizeiwillkür gegenüber people of color, die Privilegien Weißer, die Angst vor einem schwarzen Planeten (Können Sie sich z.B. eine schwarze Hermine Granger im Harry Potter-Film vorstellen?), die Feminismusfrage und die Überschneidung zweier Arten von Diskriminierung bei Frauen (Intersektionalität) und die Frage nach Hautfarbe und sozialer Klasse.

Das gut lesbare und aufwühlende Buch sei allen sehr empfohlen. Es berührt die Identität eines jeden Lesenden, weil es zeigt, wie tief Rassismus noch verwurzelt ist. 

Signatur: Sa
Schlagwort: Rassismus | Kommunikation
Bewertung: +++
Rez.: Gabriele Kassenbrock

Evaristo, Bernardine: Mädchen, Frau etc. Roman. Dt. von Tanja Handels. Stuttgart: Tropen 2021. 507 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-608-50484-2, geb.: 25,00 €

Zwölf Lebensgeschichten afrikanisch-britischer Frauen und Familien, die alle miteinander verwoben sind.

Sie sind Bloggerin, Bäuerin oder Bankerin, aufmüpfig, angepasst oder wütend. Und sie sind lesbisch, trans oder queer: Zwölf Frauen und ihre Familien mit afrikanisch-britischen Biografien: Sie alle kennen sich, laufen sich irgendwann in ihrem Leben über den Weg. Was sie eint: das Ringen um Anerkennung und einen Platz in der Gesellschaft. Dem Episodenroman liegen (vermeintlich) schwere Themen wie Feminismus, Rassismus und die Genderdebatte zugrunde. Evaristo zeigt, wie trotz all politischer (Un)Korrektheit ein kurzweiliges, witziges und warmherziges Werk entstehen kann, das die Lesende kaum aus der Hand legen möchte. Mit Amma, der schwarzen, lesbischen Regisseurin beginnt der 500-Seiten Roman, mit der Premiere ihrer Inszenierung endet er. Schon früh stößt Amma mit ihrer Forderung nach diverseren Rollenbesetzungen bereits auf der Schauspielschule auf taube Ohren. „wie gemacht zur Sklavin, hatte ein Regisseur einmal zu ihr gesagt, als sie kam, um für ein Stück über Sklavenbefreiung vorzusprechen / worauf sie gleich wieder kehrtmachte“. Für ihr Buch wurde Evaristo 2019 als erste schwarze Schriftstellerin mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet. Sehr zu Recht!

Vielseitig einsetzbar: Zum Schmökern ebenso zu empfehlen wie für die Gemeinde- und Bildungsarbeit zu Themen wie Vielfalt, Rassismus und Feminismus.

Signatur: SL
Schlagworte: Feminismus | Rassismus | Afro-britisch | Identität
Bewertung: +++
Rez.: Dagmar Paffenholz

Gyasi, Yaa: Ein erhabenes Königreich. Roman. Dt. von Anette Grube. Köln: DuMont 2021. 298 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-8321-8132-1, geb.: 22,00 €

Die junge, traumatisierte Forscherin Gifty ist zwischen Glaube und Wissenschaft hin- und hergerissen.

Gifty hat ihr Leben der Wissenschaft gewidmet, um ein Heilmittel gegen Drogensucht zu finden, an der ihr Bruder gestorben ist. Sorgsam hat sie die Traumata ihrer Kindheit in ihrem Inneren vergraben: den Rassismus, den sie als Kind ghanaischer Eltern in der aus weißen Mitgliedern bestehenden Kirchengemeinde in Alabama ertragen musste, den Verlust des Vaters, der die Familie verlassen hat, die Härte ihrer fast rund um die Uhr arbeitenden Mutter, den Tod des Bruders und die anschließende Depression der Mutter, die das Bett nicht mehr verlässt und einen Selbstmordversuch unternimmt. Nun drängen all diese Erinnerungen wieder an die Oberfläche, denn die Mutter verfällt erneut in eine Depression, und Gifty nimmt sie bei sich auf. Wie soll sie all das ertragen? Ihren Glauben hat sie schon als Kind verloren, weil er ihr zu unberechenbar erschien, und die Wissenschaft, durch die sie ihn ersetzt hat, bietet keinen Platz für Gefühle. Doch letztlich findet Gifty ihren eigenen Weg.

Ein großartiges, gesellschaftskritisches Buch, hochaktuell in einer Welt, die kaum noch Halt und Orientierung bietet.

Signatur: SL
Schlagworte: Rassismus | Familie | Glaube | Wissenschaft
Bewertung: +++
Rez.: Elisabeth Schmitz

Hasters, Alice: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. München: hanserblau 2019. 223 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-26425-0, kt.: 17,00 €

Autobiografie einer jungen schwarzen Journalistin, die in Köln geboren wurde und heute in Berlin lebt.

Alice Hasters beschreibt und analysiert anhand fünf ausgewählter Bereiche (Alltag, Schule, Körper, Liebe und Familie) persönliche Erlebnisse, die Alltagsrassismus aufdecken. Aus dieser Betroffenheitsperspektive heraus vermag sie eindringlich zu erläutern, was latenter Alltagsrassismus eigentlich ist. Sie beabsichtigt nicht, Weißen mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen zu begegnen, sondern nimmt den nichtschwarzen Leser mit hinein in einen Perspektivenwechsel, um die Sichtweise des Betroffenen zu vermitteln und damit einen einfühlsamen gegenseitigen Umgang zu erzielen. Sie verdeutlicht, dass Rassismus nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft anzutreffen ist, sondern sich erstaunlicherweise schon in gar nicht böse gemeinten Fragen und Verhaltensweisen offenbaren kann. So nötigt das Buch geradezu, das eigene Verhalten, das bisherige Denken und Handeln bezüglich Rassismus ehrlich und selbstkritisch zu hinterfragen. Im Anhang befindet sich ein ausführliches Glossar zur Thematik. Zahlreiche aktuelle Literatur-Empfehlungen vermögen tiefer in die Problematik einzuführen.     

Der provokant formulierte Titel sollte nicht abschrecken. Das Buch ist in leicht verständlicher Sprache geschrieben, so dass schon Jugendgruppen angesprochen sein könnten.

Signatur: Bb | S
Schlagworte: Diskriminierung | Fremdenfeindlichkeit | Biographie | Deutschland
Bewertung: ++
Rez.: Margot Rickers

Kuhnke, Jasmina: Schwarzes Herz. Roman. Hamburg: Rowohlt Hundert Augen 2021. 204 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-498-00254-1, geb.: 20,00 €

Die erschütternde Geschichte einer jungen Frau, die mit Rassismus und häuslicher Gewalt kämpfen muss.

Als Tochter einer kroatisch-deutschen Mutter und eines Senegalesen wächst die Ich-Erzählerin in der Nähe von Duisburg auf. Ihr leiblicher Vater hat ihre Mutter noch während der Schwangerschaft verlassen und ihr gewalttätiger Stiefvater lässt das Mädchen ihre Andersartigkeit stets spüren. Die Schullaufbahn der Erzählerin ist von Alltagsrassismus geprägt, dazu belastet sie eine Autoimmunerkrankung von Kindheit an. Einziger Zufluchtsort ist ein Sportverein, in dem sie für ihr Lauftalent Anerkennung erhält. Doch eine Sportkarriere bleibt ihr aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme versagt. Als junge Frau gerät sie dann in eine Ehe mit einem gewalttätigen Mann, aus der sie erst nach zwei gemeinsamen Kindern entfliehen kann. Das Buch endet trotz aller Gefährdungen mit einem Hoffnungsschimmer: Wie vorher ihre Mutter findet auch die Erzählerin einen zweiten, liebevollen Ehemann und blickt gestärkt in eine selbstbestimmte Zukunft.  

Die Inhaltswarnung zu Beginn des Buches ist durchaus berechtigt, denn manche Ausdrücke und Themen sind für den normalen Leser schwer zu ertragen.

Signatur: SL
Schlagworte: Rassismus | Gewalt | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Amelie Sareika

Morrison, Toni: Gott, hilf dem Kind. Roman. Dt. von Thomas Piltz. Reinbek: Rowohlt 2017. 203 S. ; 21 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-498-04531-9, geb.: 19,95 €

Souverän erzähltes Drama um Hautfarbe, Liebe und Vertrauen.

Die große Erzählerin Toni Morisson kann aus der banalsten Szene des Lebens Stoff für einen sagenhaften Roman machen. Und sie kann so erzählen, dass die Sprache Wucht entwickelt und ins Staunen versetzt. In diesem knappen Buch ist es Bride, die so schwarz geboren wird, dass ihre Mutter sie am liebsten aussetzen würde. Ihre Hautfarbe ist ihr Fluch von Stund an. Ihre Kindheit bleibt kalt und ohne Zärtlichkeit. Was soll aus ihr werden? Zu Disziplin und Selbsthass erzogen, wird sie Karriere machen. Aber auch Bride bleibt nicht schuldlos. Auch sie ist Teil des Dramas um Liebe und Wertschätzung. Als erfolgreiche Kosmetikdesignerin wird sie von einem Mann verlassen, den sie - wie sie nach einigen Turbulenzen entdecken muss (oder darf) - geliebt hat. Sie überwindet ihre Angst und vermag sich diese Liebe einzugestehen und erlaubt sich, um sie zu kämpfen. Auf der Suche nach diesem Mann begegnet sie Menschen, die ihr durch Ehrlichkeit und Demut neue Perspektiven öffnen. Am Ende siegt die Liebe.

Für eine Toni-Morrison-Nacht. Auch für Literaturkreise und das eigene Lesevergnügen!

Signatur: SL
Schlagworte: Rassismus | Frauenhass | Verlangen | Mut
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

Rebellische Frauen - Women in Battle. 150 Jahre Kampf für Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit. Marta Breen. Ill. von Jenny Jordahl. Dt. von Nora Pröfrock. München: Elisabeth Sandmann 2019. 119 S. : überw. Ill. ; 28 cm. Aus d. Norw. ISBN 978-3-945543-65-8, geb.: 25,00 €

Comic zur Geschichte der Frauenbewegung von den Anfängen bis heute.

Die Autorin und die Illustratorin Jenny Jordahl aus Norwegen legen einen großformatigen Band vor, der mit der Geschichte der Abolitionismus-Bewegung in den USA beginnt und schwarze Frauen wie Harriet Tubman einbezieht. Sie verbanden den Kampf gegen die Sklaverei mit dem Einsatz für Frauenrechte. Ein weiterer Schwerpunkt sind die englischen Suffragetten um Emmeline Pankhurst, die sich auch mit militanten Mitteln für das Frauenwahlrecht einsetzten. Auch auf die sozialistische Frauenbewegung um Clara Zetkin wird eingegangen. Der Kampf um legale Verhütung und gegen die Kriminalisierung der Abtreibung sind weitere Aspekte. Die Legalisierung der Homosexualität und der lesbischen Liebe sind Errungenschaften der letzten Dekaden, die in vielen Ländern noch nicht erreicht wurden. Die Unterdrückung der Frau durch religiöse Fundamentalisten wird am Beispiel von Malala Yousafzai geschildert. Die knappen Texte werden durch ausdrucksstarke comicartige Zeichnungen anschaulich. Wegen des begrenzten Platzes kann nur ein kleiner Teil der Geschichte der Frauenbewegung geschildert werden.

Der gelungene erste Überblick über die Frauenbewegung informiert und regt zu Diskussionen an.

Signatur: Sb
Schlagwort: Frauenbewegung | Suffragetten | Malala | Schwarze Frauen
Bewertung: ++
Rez.: Peter Bräunlein

Reid, Kiley: Such a Fun Age. Roman. Dt. von Corinna Vierkant. Berlin: Ullstein 2021. 351 S. ; 21 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-550-20124-0, geb.: 22,00 €

Eine Geschichte über den Umgang mit Privilegien.

Emira ist Babysitterin bei Familie Chamberlain. Zwar möchte sie eigentlich endlich auch einen sozialversicherungspflichtigen Job so wie ihre Freundinnen, doch ist dieser gut bezahlt und irgendwie muss sie sich schließlich ihre Miete finanzieren. Als Alix Chamberlain sie eines Nachts bittet aufgrund eines Notfalls einzuspringen, kommt Emira extra von einer Party zurück und vertreibt sich die Zeit mit der kleinen Briar Chamberlain in einem Supermarkt um die Ecke. Doch plötzlich wird sie dort verdächtigt, Briar entführt zu haben. Zwar klärt sich das Missverständnis im Laufe der Nacht, doch erwachen durch diesen rassistisch motivierten Vorfall bei Alix Chamberlain traumatische Erfahrungen. Sie verirrt sich in einem komplexen Gewirr aus Privilegienscham und Schuldgefühlen. Als auch noch heraus kommt, dass Emiras Freund Alix‘ Exfreund ist, eskaliert die Situation. Aus gut gemeinten Ratschlägen werden irrwitzige und grenzüberschreitende Aktionen, die am Ende zu einem heftigen „Cut“ führen.

Ein schmerzhafter Roman über Rassismus und Klassismus und die damit tief verwurzelten Schuld- und Schamgefühle von Gesellschaft und Individuum.

Signatur: SL
Schlagwort: Privilegien | Rassismus | Klassismus | Privilegienscham
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Smith, Zadie: Swing Time. Roman. Dt. von Tanja Handels. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2017. 626 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-462-04947-3, geb.: 24,00 €

Der Traum vom Tanzen verbindet zwei Londoner Mädchen mit jamaikanischen Wurzeln ein Leben lang.

Als einzige farbige Mädchen im Ballettunterricht, im armen Londoner Nordwesten der achtziger Jahre, fühlen sich die namenlose Ich-Erzählerin und Tracey sofort zueinander hingezogen. Beide entstammen einem ähnlichen Milieu und doch haben die Mütter völlig unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft ihrer Töchter. Die eine glaubt an Bildung als Eintrittskarte in ein besseres Leben, die andere setzt ihre ganze Hoffnung in eine Tanzkarriere ihrer Tochter. Von Anfang an besteht eine starke Konkurrenz zwischen den Mädchen. Während die eine tatsächlich studiert und anschließend als Assistentin einer Popsängerin um die Welt reist , bleibt die andere im Viertel und macht eine begrenzte Tanzkarriere. Am Ende scheitern beide. Die Autorin beschreibt sehr authentisch die  besonderen Schwierigkeiten der Identitätsfindung bei doppeltem kulturellem Hintergrund.  Die Fülle der Themen, die sie dabei nebenbei anreißt, bremst hier und da den Fluss der Handlung.

Ein facettenreicher Roman, sehr zu  empfehlen für LeserInnen, die sich gern gründlich in Themenkomplexe vertiefen.

Signatur: SL
Schlagwort: Freundschaft | Integration | England | Tanz
Bewertung: +++
Rez.: Susanne Brenner