Kanada - Gastland der Frankfurter Buchmesse 2021


Atwood, Margaret: Das Jahr der Flut. Roman. Dt. von Monika Schmalz. Berlin: Berlin Verl. 2009. 478 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-8270-0884-8, geb.: 22,00 €

„Schöne neue Welt“ angesichts Klimakatastrophe und Globalisierung.

Hoch über den Dächern der Stadt wohnt eine schrullige Gemeinschaft, die sich die „Gärtner Gottes“ nennt. Alternativ lebend, kleiden sie sich ausschließlich in natürlichen Materialien, ernähren sich, anders als die meisten anderen Menschen, hauptsächlich von Pflanzen, Pilzen und Honig. Alles wird recycelt. Sie sind überzeugt davon, dass sie mit den Gaben der Natur sorgfältig umgehen müssen. So werden z. B. die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt erst genutzt, als sie die dort hausenden Ratten umgesiedelt haben. Natürlich gibt es immer wieder Auseinandersetzungen mit den Leuten von der Straße, den sogenannten „Plebsbanden“. Als es zu einer tödlich verlaufenden Epidemie kommt, gibt es nur wenige Überlebende, die „Gärtner“ Toby, Ren, Amanda und Jimmy, die schon immer in besonderer Beziehung zu einander standen. Im „Jahr der Flut“ entwirft Atwood aufs Neue, wie schon in ihrem berühmten „Report der Magd“, eine Zukunft, deren Realität weniger fern liegt als wir uns wohlmöglich eingestehen möchten. Doch fest steht: dieser Erzählerin folgt man mit größtem Vergnügen wohin sie will, auch bis ans Ende unserer Welt.

Dieser fiktionale Roman, der die Gefahren und den Zynismus einer globalisierten Welt mit ihrem ungezügelten Konsum darstellt, der aber auch Denkanstöße für die Zukunft bietet, wird einer interessierten Leserschaft dieses Genres sehr empfohlen. In Verbindung mit der gleichnamigen, bei GoyaLit erschienenen CD (ISBN 978-3-837-2493-0) sehr gut für die Veranstaltungsarbeit und für Literaturkreise geeignet.

Signatur: SL
Schlagworte: Zukunft | Globalisierung | Umwelt | Bewahrung der Schöpfung
Bewertung: +++
Rez.: Ingeborg Vogt

Atwood, Margaret: Die Geschichte von Zeb. Roman. Dt. von Monika Schmalz. Berlin: Berlin Verl. 2014. 476 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-8270-1172-5, geb.: 22,99 €

Letzter Teil der in der Zukunft spielende Endzeit-Trilogie nach „Oryx und Crake“ (2003) und „Das Jahr der Flut“ (2009).

Nach einer Pandemie gibt es nur noch eine kleine Gruppe Menschen, die sich in einem abgelegenen Park unter ihrem Anführer Zeb gegen entmenschlichte Ex-Häftlinge und verfressene Organschweine zur Wehr setzen. Bei ihnen leben auch die künstlich erschaffenen Craker, eine friedliebende, sanfte und ein wenig naive Spezies, die gegen Krankheit, Schmerz und Kummer nur ein Mittel kennen: das Beschnurren. Toby, eine auf Pilze und heilsame Mixturen spezialisierte Gottesgärtnerin, erzählt ihnen abends die geschönte Lebensgeschichte von Zeb, ihrem Geliebten, denn den Crakers macht jede Form von Gewalt Angst, und davon hat Zeb eine Menge erdulden müssen. Als er am Ende von einer Erkundungstour nicht zurückkehrt, verlässt auch die schwerkranke Toby die Gemeinschaft, in der gerade die ersten Crakermischlings-Kinder geboren werden. Beklemmend, brutal aber auch heiter und am Ende sogar hoffnungsvoll.

Trotz Margaret Atwoods Sprachgewalt ein sehr spezielles Buch, nur zu empfehlen, falls die beiden Vorläufer bereits Zuspruch gefunden haben.

Signatur: SL
Schlagworte: Zukunft | Endzeit | Pandemie
Bewertung: ++
Rez.: Heike Nickel-Berg

Bouchard, Roxanne: Der dunkle Sog des Meeres. Roman. Dt. von Frank Weigand. Zürich: Atrium 2021. 333 S. ; 22 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-85535-113-8, geb.: 20,00 €

Ein ungeklärter Todesfall im Dörfchen und ein fremder Ermittler, der es mit den Einwohnern zu tun bekommt.

Ein kleines Dörfchen an der ostkanadischen Küste, am St.Lorenz-Strom gelegen, von Fischern und deren Familien bewohnt, skurrilen Typen, aber mit der nötigen Chuzpe ausgestattet, um die üblichen Generationskonflikte und Familiengeschichten auszuhalten. Jeder weiß von allen alles, man hält zusammen, Animosen werden gepflegt und belächelt.
In diese Idylle zieht Sergeant Morales, er wird augenblicklich mit der Aufgabe betraut, einen ungeklärten Todesfall zu untersuchen. Er selbst ist eher auf der Suche nach sich selbst, nach einer Perspektive für den Rest seines Lebens und seiner ebenfalls in die Jahre gekommenen Ehe. Im Laufe der Geschehnisse wird die Aufklärung fast zur Nebensache. Mit aller Kraft und variantenreich versuchen die Dorfbewohner, Morales von den Ermittlungen abzuhalten, können sie jedoch nicht verhindern.

Ein hinreißender, auch lyrischer Roman mit viel maritimer Sachkenntnis verfasst, voller Poesie und Liebe zu den Menschen und dem Meer. Gut geeignet für Literaturkreise, Schreibwerkstätten und als Urlaubslektüre für Segelfreunde.

Signatur: SL
Schlagworte: Krimi | Kanada | Segeln
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Weppner

Lawson, Mary: Im letzten Licht des Herbstes. Roman. Dt. von Sabine Lohmann. München: Heyne 2021. 351 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-453-27357-3, geb.: 22,00 €

Ein Mädchen wartet auf seine Schwester, ein Mann braucht eine Auszeit und eine alte Frau hütet ein Geheimnis.

In der Kleinstadt Solice wird ein junges Mädchen vermisst. Die 8-jährigen Clara wartet jeden Tag am verzweifelt auf ein Zeichen von Rose. Da zieht ins Nachbarhaus ein fremder Mann ein. Das Haus gehört eigentlich Mrs. Orchard, die für kurze Zeit im Krankenhaus liegt und auf deren Kater Clara in der Zwischenzeit aufpassen soll. Was macht dann aber dieser Mann in dem Haus? Liam hat beschlossen, für eine Weile von seinem tristen Berufsleben und einer gescheiterten Ehe eine Auszeit zu nehmen. Zuerst bekommt er nicht mit, dass sich in den Zeiten seiner Abwesenheit ein Mädchen und ein Kater in seinem Haus rumtreiben. Elizabeth liegt sterbend im Krankenhaus und denkt an ihr Leben zurück. Besonders auf eine Zeit, die ihr das größte Glück und zugleich das größte Leid beschert hat. Während Liam und Clara sich vorsichtig anfreunden, lüftet sich nach und nach das Geheimnis um die Geschehnisse vor mehr als 30 Jahren, die Elizabeth Leben grundlegend verändert haben.

Ein wunderbarer Roman von zeitloser Schönheit, zurückhaltend und doch voller Kraft. Familie, Liebe und Schuld sind die großen Themen. Die Geschichte um die verschwundene Rose geben dem Buch zusätzlich Spannung. Für Leser:innen von Celeste Ng, Elizabeth Strout und Anne Tyler. Sehr empfohlen!

Signatur: SL
Schlagworte: Familie | Liebe | Schuld | Kanada
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Munro, Alice: Liebes Leben. 14 Erzählungen. Dt. von Heidi Zerning. Frankfurt am Main: Fischer 2013. 366 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-10-048832-9, geb.: 21,99 €

16 Geschichten über Lebenseindrücke.

Alice Munro, Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2013, präsentiert im vorliegenden Band Erfahrungen und Eindrücke aus den unterschiedlichsten Epochen ihres Lebens, taucht ein in die Erinnerung, vergleicht das "Kunststück", einen Zeitungsreporter zu treffen, der sie gedanklich intensivst beschäftigt, mit einer „Flaschenpost", die ihr Ziel - irgendwann - erreicht. Ihre Geschichten sind eine Wanderung zwischen Realität und Fantasie, vermitteln „Dichtung und Wahrheit" mit familiär-historischen Einblicken. Die Ich-Erzählerin versteht es dabei meisterhaft, ihre Aussagen "vage" zu halten. Sie wird selten konkret, überläßt es dem Leser, seine - ahnungsvollen - Interpretationen zu finden. In der Abhandlung „Liebes Leben", versöhnt sich die Autorin mit der Unbill vorangegangener Generationen, persönlicher Traumata und anderer Einflüsse. Sie ist milde gestimmt, erfährt sich selbst, trotz aller Widrigkeiten als „glücklichen Menschen", gereift durch eine tiefe Lebenserfahrung mit dem Wunsch nach -globaler - Akzeptanz.

Subtil-nuancierter, teils biographischer Erzählband mit nachdenklichen Zwischentönen. Bereichernde Lektüre für alle (Patienten-)Büchereien mit bester Empfehlung.

Signatur: SL
Schlagworte: Kurzgeschichten
Bewertung: +++
Rez.: Brigitta Morgenstern

Munro, Alice: Zu viel Glück. Zehn Erzählungen. Dt. von Heidi Zerning. Frankfurt am Main: Fischer 2011. 386 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-10-048833-6, geb.: 19,95 €

10 Geschichten, die vom Glück in verschiedenen Lebenssituationen handeln.

Eine junge Frau erlebt ihr persönliches Glück, als sie nach dem Tod ihrer Kinder wieder Zugang zu ihrem Mann findet. Er hatte (im religiösen Wahn) die drei Kinder umgebracht.  - Eine einst sehr glückliche Ehefrau kann den Ehebruch ihres Mannes tolerieren und die Folgen verzeihen. - Zwei junge Frauen können das scheinbar sorglose Leben als Studentinnen genießen. - Die Mutter eines außerordentlich begabten jungen Mannes muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ihr Sohn allem weltlichen entsagt hat und sich jetzt dem spirituellen Leben zugewandt hat. - Eine todkranke Frau bekommt Besuch von einem Mörder. Sie rettet ihr eigenes Leben, indem sie ihm eine Lügengeschichte auftischt. - Ein Junge wird mit einem Muttermal auf einer Gesichtshälfte geboren. Er findet sein Pendant, eine junge Frau, die sich zunächst Farbe aufmalt, um ihm ähnlich zu sein. Dann später schlitzt sie sich die Wange auf. Später treffen sich die beiden zufällig im Krankenhaus wieder. - Ein Teenager (13) erledigt Handlangerdienste für einen an Leukämie erkrankten jungen Mann. Sie erlebt mit, wie die Ehefrau und eine weitere Betreuerin um die Gunst des Mannes buhlen. Er trifft selbst eine wichtige Entscheidung. - Ein Holzfäller verunglückt im Wald. Seine Ehefrau rettet ihn. - Zwei Mädchen verbringen den Sommer in einem Camp am See. Sie sind vertraut miteinander und werden für Zwillinge gehalten. Sie fühlen sich erheblich gestört durch Verna, einem behinderten Mädchen. In einem unbedachten Moment im Wasser drücken Marlene und Charlene Vernas Kopf unters Wasser, bis sie ertrinkt. - Die Geschichte der russischen Mathematikerin und Dichterin Sofia Kowalewskaja, wird erzählt, die Ende des 19. Jahrhunderts lebte.

Skurrile, z.T. sehr aufrüttelnde Geschichten, die die LeserInnen in den Bann ziehen. Einer anspruchsvollen Leserschaft zu empfehlen!

Signatur: SL
Schlagworte: Schicksal | Lebenssituation
Bewertung: +++
Rez.: Ingeborg Vogt

Ondaatje, Michael: Kriegslicht. Roman. Dt. von Anna Leube. München: Hanser 2018. 319 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-446-25999-7, geb.: 24,00 €

Der Krieg endet für die Menschen nicht mit dem Friedensschluss.

Unerwartet verkündeten die Eltern ihren beiden Kindern, sie müssen länger verreisen. Sie übergaben ihre Kinder in die Obhut eines Internats. Glücklicherweise wurden sie von zwei Freunden daraus befreit. Nun wuchsen sie mit deren zwielichtigen Geschäften auf und fanden Gefallen daran. In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg war es abenteuerlich aufzuwachsen, Orientierung zu finden und sich selbst zu entwickeln. Ohne Eltern ist es den beiden Protagonisten erstaunlich gut gelungen. Erst Jahrzehnte später sollten sie erfahren, dass ihre Mutter bereits im Krieg für die Spionage tätig war und danach aus deren Verstrickungen nicht herauskam. Für die Kinder war es schwer zu akzeptieren, dass es zu ihrem Schutz war, ohne ihre Mutter aufwachsen zu müssen, dass diese aber ständig für sie gesorgt hat.

Dieser Roman verlangt geduldige und aufmerksame Leser. Ondaatje entwickelt seine Story behutsam und vorsichtig. Eine vielschichtige und tiefschürfende Geschichte mit enormem Anspruch. Gehört in jede anspruchsvolle Bibliothek.

Signatur: SL
Schlagworte: 2. Weltkrieg | Spionage | Familie | England
Bewertung: +++
Rez.: Dirk Purz

Penny, Louise: Das Dorf in den roten Wäldern. Der erste Fall für Gamache. Roman. Dt. von Andrea Stumpf u. Gabriele Werbeck. Zürich: Kampa 2019. 394 S. ; 21 cm. Aus d. kanad. Engl. ISBN 978-3-311-12006-3, kt.: 16,90 €

Der Mord an der beliebten pensionierten Lehrerin Jane erschüttert das idyllische Örtchen Three Pines. Erster Band der Reihe um Inspector Gamache.

Louise Penny ist die erfolgreichste Krimiautorin Kanadas. Dank einer Neuübersetzung können nun auch deutsche Krimifans Inspector Gamache kennen lernen (zuerst veröffentlicht unter dem Titel „Denn alle tragen Schuld“, Limes 2005). Gamache ist schon seit vielen Jahren Chefinspektor und Leiter der Mordkommission bei der Sûreté du Québec. Ausgerechnet an Thanksgiving wird er in das idyllische Örtchen Three Pines gerufen, das inmitten der kanadischen Wälder liegt. Dort wurde die pensionierte, allseits beliebte Lehrerin Jane durch einen Armbrust-Schuss getötet. Ein Jagdunfall? Als Gamache und sein Team hinter die Kulissen der Idylle blicken, finden sie einige Abgründe und reichlich Verdächtige. Ein klassischer, gemütlicher Krimi ohne allzu brutales Blutvergießen, aber mit einem Ermittler in Hochform. Zugleich erhält die Leserin einen interessanten Einblick in die kanadische Gesellschaft und ihre Probleme.

Allen Cosy-Crime-Fans wärmstens empfohlen. 2018 erschien übrigens bereits der zweite Fall „Hinter den drei Kiefern“. Im englischen Original gibt es mittlerweile 15 Bände. 

Signatur:
SL
Schlagworte: Krimi | Kanada | Provinz
Bewertung: +++
Rez.: Maike Linne

Plamondon, Éric : Taqawan. Roman. Dt. von Anne Thomas. Basel: Lenos 2020. 208 S. ; 20 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-03925-004-2, geb.: 22,00 €

Lehrthriller über Gewalt und Politik sowie den Umgang mit Indigenen in Kanada.

1981: Oceane ist ein junges Mädchen und gehört zu den Mi'gmaq, die in einem Reservat in Quebec leben. Politische Streitigkeiten und Gewalt sind für sie an der Tagesordnung - und leider bleibt sie auch nicht von Gewalt verschont. Eines Tages wird sie gefunden von dem Ranger Leclerc, offenbar ist sie vergewaltigt worden. Leclerc versucht, mit der Unterstützung von William, einem Mi'gmaq, die Tat aufzuklären. Dieses Unterfangen endet mit weiterer Gewalt und Toten. Doch zuvor leiden die Leser*innen nicht nur mit Oceane, sie erfahren auch eine Menge über Geschichte, Soziologie und Biologie. Denn Éric Plamondon erschafft ein Mosaik aus Textbausteinen, die irgendwie dann doch wieder ein Ganzes werden. Kunstvoll, ja, intellektuell, aber auch durchaus flüssig zu lesen, obwohl manchmal die Spannung etwas gebremst wird, wenn mitten im Kriminalfall plötzlich von Lachsfang erzählt wird. Eine Reise in einen interkulturellen Konflikt, in Kolonialgeschichte und die Schönheit der Natur.

Wer sich für realistische Geschichten und indigenes Leben interessiert, wird diesen Roman gerne lesen.

Signatur: SL
Schlagworte: Interkulturalität | Konflikte | Indigene | Kanada
Bewertung: ++
Rez.: Marcel Lorenz

Poulin, Jacques: Volkswagen Blues. Roman. Dt. von Jan Schönherr. München: Hanser 2020. 251 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-446-26761-9, geb.: 23,00 €

Auf der Suche nach seinem Bruder reist Schriftsteller Jack zusammen mit Tramperin Pitsémine quer durch Nordamerika.

Von einer Schreibkrise geplagt bricht der mittelalte Jack von Québec in seinem klapprigen Bulli auf, um seinen seit zwanzig Jahren verschollenen Bruder Théo zu suchen. Unterwegs schließt sich ihm die junge Halb-Innu und Mechanikerin Pitsémine an, die wegen ihrer dünnen Beine die Große Heuschrecke genannt wird. Zusammen nehmen sie Théos Spur auf, sichten alte Karten und Bücher und folgen ihm vom Osten Kanadas über den ehemaligen Oregon Trail bis nach San Francisco. Während Jack mit Depressionen zu kämpfen hat, die ihn tagelang bewegungsunfähig machen können, überbrückt die Große Heuschrecke solche Zwangspausen mit Büchern und einer erstaunlichen Gelassenheit. Immer wieder schafft sie es, Jack zu motivieren und aufzuheitern. Keinen Spaß versteht sie allerdings, wenn es um Grausamkeiten geht, die den indigenen Völkern angetan wurden – und diesen Taten begegnen die beiden auf dem Oregon Trail häufig. Das wohl erfolgreichste Buch des Autors wurde bereits vor über zwanzig Jahren geschrieben.

Einfach lesenswert! Der verrückte Road Trip besticht durch Warmherzigkeit, Lebensmut und zwei liebenswerte Charaktere, die trotz ihrer Gegensätze wie füreinander geschaffen sind.

Signatur: SL
Schlagworte: Lebenskrise | Suche | Oregon Trail | Nordamerika
Bewertung: +++
Rez.: Heike Nickel-Berg

Tagaq, Tanya: Eisfuchs. Dt. von Anke Caroline Burger. Ill. von Jaime Hernandez. München: Antje Kunstmann 2020. 195 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-95614-353-3, geb.: 20,00 €

Die Geschichte über die Jugend eines jungen Mädchens in der Arktis.

„Eisfuchs“ ist das belletristische Debüt von Tanya Tagaq. Ihr Buch erzählt von den Teenager-Jahren einer jungen Inuk, die genau wie die Autorin selbst, im hohen Norden Kanadas in einem kleinen Ort am Rande des Eismeers aufwächst. Neben atemberaubender Natur und verzaubernder Mythologie erzählt Tanya Tagaq in ihrem Werk von einer Gesellschaft, die unter anderem durch westliche Einflüsse und Restriktionen immer mehr ihre Wurzeln verliert und besonders in den langen, dunklen Wintern durch Alkohol und Drogen verroht. In ihren Erzählungen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität, Phantasie und den Mythen der Inuit. Unterstützt werden einige Abschnitte des Buches von Gedichten und schwarz-weiß Zeichnungen. Gewidmet ist „Eisfuchs“ den Überlebenden der Residential Schools, den verschwundenen sowie ermordeten indigenen Frauen bzw. Mädchen Kanadas. Die Autorin thematisiert in diesem Zusammenhang sehr drastisch das Thema der sexualisierten Gewalt. Ein aufwühlender und absolut ungewöhnlicher Roman, der gleichermaßen fesselt und verstört.

Aufgrund der experimentellen Schreibweise besonders für neugierige Leser*innen zu empfehlen. Die Schilderungen sexualisierter Gewalt bedürfen allerdings einer Triggerwarnung.

Signatur: SL
Schlagwort: Inuit | Sexualisierte Gewalt | Pubertät | Arktis
Bewertung: ++
Rez.: Rosa Bömelburg

Wagamese, Richard: Das weite Herz des Landes. Roman. Dt. von Ingo Herzke. Mit einem Nachwort von Katja Sarkowsky. München: Blessing 2020. 288 S. ; 21 cm. Aus d. kanad. Engl. ISBN 978-3-89667-666-5, geb.: 22,00 €

Der Ritt eines todkranken Vaters und seines Sohnes durch die kanadische Wildnis wird zu einer Reise zu ihren Wurzeln.

Der 16jährige Frank ist bei einem Ziehvater auf einer Farm in den Weiten Kanadas aufgewachsen. Der „Alte“ hat ihn liebevoll zu einem lebenstüchtigen Menschen erzogen und ihn gelehrt, im Einklang mit der Natur zu leben. Doch seine drängenden Fragen nach dem Schicksal seiner Eltern und seinen indigenen Wurzeln lässt er unbeantwortet. Hin und wieder sucht Franks schwer alkoholkranker Vater Kontakt zu ihm, doch er enttäuscht seinen Sohn immer wieder und bleibt ein Fremder für ihn. Todkrank bittet der Vater nun Frank, ihn auf seine letzte Reise zu begleiten und ihn wie seine Vorfahren, die Krieger vom Stamm der Ojibwe, in den Bergen zu begraben. Widerstrebend lässt Frank sich darauf ein und erlebt eine Reise voller Geschichten, voller Schmerz und Wahrheit, die ihm endlich zeigt, wer er wirklich ist. Wagameses lyrische Sprache zieht die Leser tief hinein in eine spirituelle Geschichte um Identitätsfindung, Verlust, Trauer und die heilende Kraft des Geschichtenerzählens.

Wagamese, der selbst zum Stamm der Ojibwe gehört, erhebt seine Stimme für ein respektvolles Zusammenleben der Kulturen in der Interdependenz zwischen Mensch und Natur. Lesenswert!

Signatur: SL
Schlagworte: Identitätsfindung | Indigene Kulturen | Familie | Kanada
Bewertung: +++
Rez.: Christine Heymer