Newsletter „Bücherei" 03/2022

Liebe Büchereimitarbeiterin! Lieber Büchereimitarbeiter!  

Draußen sprießen Krokusse und co. und bei Eliport frühlingsfrische Ideen: Wir starten nicht nur einen digitalen Leseclub, sondern möchten auch die Empfehlungsliste des Ev. Buchpreises auf neue Weise an unsere Büchereien kommunizieren. Darüber hinaus gibt es einen kreativen Bildercountdown bis zur Verleihung des Ev. Buchpreises, Literaturpodcasttipps und – last but not least – Buchempfehlungen für Ihre Büchereien!

Ihr Eliport-Team


Neues Angebot bei Eliport: „Lies mal! Der Eliport-Leseclub“

Gemeinsam über Bücher sprechen, die uns begeistert haben und das deutschlandweit oder sogar über die Landesgrenzen hinaus: Das kann man ab Mai viermal im Jahr in unserem neuen, digitalen Eliport-Leseclub! Was hat das Buch in uns ausgelöst, was gibt es Interessantes und Unterhaltsames über Autor oder Autorin zu berichten, welches Presseecho gab es auf das Buch, welche Verbindungslinien zu unserem Miteinander und Glauben lassen sich finden? Wir freuen uns auf alle Bücherfreund*innen, die gern mit uns über Dimitrij Kapitelmanns „Eine Formalie in Kiew“, erschienen bei Hanser, ins Gespräch kommen möchten! Kickoff-Termin für den Eliport-Leseclub ist der 19. Mai um 19.30 Uhr. Anmelden kann man sich unter info@eliport.de bis zum 12. Mai 2022.


Die Empfehlungsliste für Ihre Büchereien präsentiert

Die Empfehlungsliste des Ev. Buchpreises bildet immer eine spannende Auswahl vom Bilderbuch über das Sachbuch bis hin zum Roman. Darüber hinaus zeigen sich auch gesellschaftliche Entwicklungen und aktuelle Themen unseres Zusammenlebens in dieser Auslese, die das vergangene Bücherjahr 2021 widerspiegelt. Sie hätten die Auswahl, die im Juni dem aktuellen Buchberater als Plakat beiliegt, gern von der Jury noch einmal erläutert? Dann klicken Sie sich ein in unsere Präsentation der Empfehlungsliste im Mai 2022. Der genaue Termin steht noch aus, wird aber rechtzeitig kommuniziert.


„Kann man schreiben lernen?“ Bildinterview mit Nikola Huppertz

Bevor Sie das Interview mit Nikola Huppertz im kommenden Buchberater in Händen halten, gibt es auf unseren Social Media Kanälen ein kreatives Bildinterview mit der Ev. Buchpreisträgerin. Unsere Fragen hat sie – ganz schriftsteller*innenuntypisch“ - ohne Worte mit Fotos beantwortet. Ab Anfang April sind diese Bilder wöchentlich bis zur Preisverleihung am 1. Juni in Wiesbaden auf facebook und Instagram zu sehen. Viel Vergnügen damit!


Erlesene Bücher-Podcasts

Sie sind gern auf dem Laufenden, was der Büchermarkt so anbietet oder was professionelle Leser*innen begeistert hat? Ab jetzt stellen wir im Bücherei-Newsletter regelmäßig erlesene Bücher-Podcast vor. Den Anfang macht eat.READ.sleep, der Literaturpodcast des NDR:

Die Literaturredakteur*innen Katharina Mahrenholtz, Daniel Kaiser und Jan Ehlert geleiten ihre Hörer*innen durch eine genussvolle und kurzweilige Stunde mit Neuerscheinungen, Lieblingsbüchern, Bestseller-Challenge, Interviews und mehr. Den Auftakt macht immer „die literarische Vorspeise“. Nicht nur für Büchereien eine wunderbare Möglichkeit auf dem Laufenden zu bleiben und ungeahnte Einblicke in die Welt der Bücher zu bekommen.
(Abb.: © NDR/istockphoto.com Foto: Natee Meepian)


Schau mal aktuell

Jeden Monat aufs Neue lädt das Evangelische Literaturportal junge Familien und Kindergruppen ein, mit Bilderbüchern auf eine Reise in Gottes Welt zu gehen. Im Mittelpunkt des Angebots „Schau mal – Mit Bilderbüchern Gottes Welt entdecken“ stehen im April gleich zwei Bilderbücher: Ab dem 01. April „Meine liebsten Dinge müssen mit“, ein Bilderbuch, das sich gut im Zusammenhang mit dem Thema „Flucht“ einsetzen lässt und ab dem 11. April „Der Chamäleonvogel". In diesem Bilderbuch nimmt der Chamäleonvogel die Kinder mit auf eine Entdeckungsreise in das Leben, Sterben und die Auferstehung Jesu.




Buchtipps

Jc Christlicher Glaube, Religionen

Lukas und die Geschichte von Ostern. Ein Folien-Osterkalender zum Vorlesen und Gestalten eines Fensterbildes. Hanna Goldhammer. Ill. von Anna Karina Birkenstock. Lahr: Kaufmann 2022. O. Pag. : überw. Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-7806-0581-8, geheftet: 14,95 €

Passion und Ostern in zwölf Episoden für Kinder ab vier. Und das Fensterbild hilft beim Rekapitulieren.

Lukas ist ein Esel. Tiere als Vermittler zwischen Kind und biblischer Tradition einzusetzen, ist weder originell noch unumstritten. Hier aber ist es gut gemacht. Anna Karina Birkenstock hat schon Jochem Westhofs „3-Minuten-Bibel“ illustriert. Tiere wie Menschen sind sympathisch und ausdrucksstark. Lukas ist in der Rolle des Uneingeweihten. Andere Tiere erzählen ihm von Jesus, dem Sohn Gottes. Er sei gut zu den Menschen; rede von Gott, tue Wunder. Besonders die Wunder interessieren den Esel. Er will Jesus sehen. So erlebt er den Einzug in Jerusalem, eine Kindersegnung, das Abendmahl, wird Zeuge des Verrats, der Verhaftung. Von Jesu Tod hört er, am leeren Grab ist er dabei, sieht den Auferstandenen. Die Bedeutung des Abendmahls, des Prozesses oder der Kreuzigung erschließt sich nicht – und soll’s auch nicht. Hanna Goldhammer hält ihre Perspektive durch. Erzählt wird, was ein Kleiner verarbeiten kann. Da geht es um Freundschaft, Mitgefühl und Hoffnung. Kein schlechter Einstieg.

Zur Vorbereitung auf Ostern und zum gemeinsamen Begehen der Passionszeit mit Kindern daheim und im Kindergarten. Wichtig: dass die Erwachsenen auf Nachfragen eingehen können.

Signatur: Jc
Schlagworte: Jesus | Passion | Ostern | Basteln
Bewertung: ++
Rez.: Martina Steinkühler

Jm 1 Bilderbücher

Usher, Sam: Wild wie eine Katze. Dt. von Christiane Lawall. Berlin: Annette Betz Verl. 2022. O. Pag. ; 31 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-219-11957-2, geb.: 14,95 €

Ein Junge und sein Opa passen auf eine Katze auf. Irritationen sind da vorprogrammiert.

„Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war ein Auf-die-Katze-aufpassen-Tag.“ Dass das ein freudig erwarteter Tag für den Jungen ist, kann man gleich auf den ersten Blick erkennen: sein Zimmer ist mit Katzenbildern tapeziert und mit Katzen-Sachbüchern vollgestopft. Doch natürlich will die Katze gar nicht so, wie Junge und Großvater. Sie will nicht spielen, will nicht essen und gestreichelt werden will sie schon mal gar nicht. Und dann ist sie plötzlich weg! Eine aufregende Katzen-Verfolgungsjagd beginnt: Über Stock und Stein und Wasserfälle geht es mitten hinein in eine dschungelartige Landschaft. Dort wartet die Katze mit ganz vielen Freund*innen auf die beiden und es gibt eine wilde Party.

Eine weitere nette Opa-Enkel-Geschichte von Sam Usher. Für Katzenfans und abenteuerlustige Opa-Enkel-Gespanne.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Katzen | Großeltern
Bewertung: ++
Rez.: Wiebke Mandalka

Ziegler, Michaela: Hühner, Hühner, Hühner. Zürich: Atlantis 2022. O. Pag. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-7152-0839-8, geb.: 17,00 €

Ein Sachbuch für Kinder zum Thema „Hühner".


Um die Freuden der Hühnerhaltung genießen zu können, muss man nicht unbedingt auf einem Bauernhof leben! Das weiß die Illustratorin und Autorin Michaela Ziegler aus eigener Erfahrung. Ihre Familie hielt Hühner im Garten eines Mehrfamilienhauses. Wie gut Michaela Ziegler Hühner und ihre Verhaltensweisen beobachtet hat, zeigt sich in ihren lebensechten Zeichnungen, die ihr Sachbuch „Hühner, Hühner, Hühner“ zu einem ganz besonderen machen. Informiert werden ihre Leser*innen sowohl über hühnertypische Tagesabläufe und Vorlieben, Regeln des Zusammenlebens, verschiedene Hühnerrassen, Eierproduktion und Kükenaufzucht, als auch über die Geschichte des Huhns und seine Beziehung zum Menschen. Des Weiteren werden Produkte, die Hühnerfleisch oder Eier enthalten unter die Lupe genommen. Auch werden Hybridzüchtungen der konventionellen Tierhaltung kritisch beleuchtet und die Leser*innen so mit der Frage konfrontiert, ob beim Genuss von tierischen Produkten vielleicht besser „weniger und bewusster konsumiert“ werden sollte.

Ein tolles Buch, das sowohl für Kinder als auch Erwachsene spannende Infos über das Leben sowie die Bedürfnisse eines Huhns bereit hält.

Signatur: Jn
Schlagworte: Hühner | Artgerechte Tierhaltung | Urbane Hühnerhaltung | Tierschutz
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Ju 1 Erzählungen für das erste Lesealter (6-8 Jahre)

Jansen, Hanna: Hasen in der Nase. Ill. von Leonard Erlbruch. Wuppertal: Peter Hammer 2021. 114 S. : Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-7795-0658-4, geb.: 14,00 €

Jakob stellt ein typisches Kind einer alleinerziehenden Mutter dar, das von der Stadt auf's Land ziehen muss.

Jakobs Geschichte ist sehr exemplarisch für Kinder in seiner Situation: Er muss aus seiner geliebten Umgebung – der Stadt – aufs Land ziehen, den neuen Freund seiner Mutter findet er anfänglich doof, im Verlauf gewöhnen sie sich aber aneinander und nicht zuletzt vermisst er sein altes Zuhause mit Freunden. Über den Vater erfährt man nicht viel, er wir eigentlich nur in ein paar Nebensätzen erwähnt. Die Nebengeschichten die Jakob erlebt sind allesamt mit Spannungsbögen versehen, die gut auszuhalten sind. Der Schreibstil sowie die Kapitellänge, im Allgemeinen das ganze Buch ist sehr einfach und in nicht so gut lesbarem Schreibstil verfasst. Die vereinzelt angefügten Illustrationen sind in bunten Farben gezeichnet, jedoch wäre bei diesen auch eine textbezogenere Darstellungen wünschenswert.

Leider sucht man vergebens die Besonderheit oder die Würze, die das Buch zu etwas einzigartigem Lesenswerten macht. 

Signatur: Ju 1
Schlagworte: Landleben | Alleinerziehend | Umzug | Neuanfang
Bewertung: +
Rez.: Eva Wimmer

Ju 3 Erzählungen für Jugendliche ab 13 Jahren

Martin, Peer: Blut und Schokolade. Hamburg: Dressler 2021. 476 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-7513-0023-0, geb.: 20,00 €

Die 18-jährige Manal besucht ihren Onkel in der Elfenbeinküste und lernt die Schattenseiten der Kakaoproduktion kennen.

Nach dem Abitur fährt die 18-jährige Berlinerin Manal zu ihrem Onkel Mamadou, der eine Kakaofarm besitzt, um ihre Wurzeln zu suchen. Ihr Vater ist Deutscher, ihre Mutter stammt aus Côte d'Ivoire. Bei einem Spaziergang sieht sie hinter dem Stacheldrahtzaun der Nachbarplantage den gleichaltrigen Issa, der seinen kleinen Bruder Yaya befreien will. Denn dort werden verschleppte Kinder praktisch wie Sklaven gehalten und für die Kakaoernte eingesetzt. Manal beschließt zu helfen - und setzt damit eine Kette dramatischer Ereignisse in Gang. Die Handlung wird abwechselnd aus der Perspektive Manals und Issas geschildert. In einem dritten Erzählstrang erzählt Manals Vater die Familiengeschichte seiner Frau, deren Vorfahren als Sklaven nach Amerika kamen. Eine bewegende, geradlinig geschriebene Geschichte über die Schattenseite der Kakaoproduktion, die schonungslos den brutalen Umgang mit kleinen Kindern und deren Verzweiflung und Ausweglosigkeit schildert. Keine leichte Kost, aber lohnend.

Spannender Jugendroman, der eine bewegende (Liebes-)Geschichte mit einem aktuellen Thema verbindet und zum Nachdenken über unsere Konsumgewohnheiten anregt. Ju 3 Wolfgang Vetter (10.01.2022)Martin: Blut und Schokolade.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Elfenbeinküste | Afrika | Kinderarbeit
Bewertung: ++
Rez.: Wolfgang Vetter

Rabinowich, Julya: Dazwischen: Wir. München: Hanser 2022. 254 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-446-27236-1, kt.: 17,00 €

Ankommen in einer neuen Heimat braucht Zeit, Kraft und gute Freunde – davon erzählt das Tagebuch der 15-jährigen Madina.

Vor etwa 2 Jahren ist Madina mit ihrer Familie vor dem Krieg geflohen und nach Deutschland gekommen. Das Asylverfahren ist abgeschlossen, eine Wohnung und Freunde sind gefunden. Aber Madinas Familie trägt Hypotheken unterschiedlicher Art mit sich und bewältigt sie nur schrittweise. Und sie selbst? Betrauert den Weggang des Vaters und fühlt sich oft überfordert, wenn sie Aufgaben der Mutter übernehmen muss. Muss Kriegserlebnisse und Diskrepanzen zwischen altem und neuem Leben verarbeiten. Für Madina ist es immer noch ein Dazwischen.Zum Glück ist sie nicht allein: Eine einfühlsame Therapeutin, eine engagierte Lehrerin und vor allem ihre beste Freundin Laura und deren Familie stehen ihr zur Seite. Stück für Stück stellen sich Erfolgserlebnisse ein. Als dann plötzlich im Dorf Ausländerfeindlichkeit auftritt schafft Madina es sogar sich mutig gegen Ausgrenzung zu wehren. Und sie muss es nicht allein tun, sondern es gibt Menschen, die mit ihr Stellung beziehen. Ein lesenswerter Denkanstoß.

Für Jugendliche ab 14 ein Leseerlebnis, Horizonterweiterung - und ein Aufruf zu Toleranz und Zivilcourage! Aufgrund der Aktualität unbedingt auch für die Schule zu empfehlen.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Integration | Heimat | Diskriminierung | Zivilcourage
Bewertung: +++
Rez.: Katrin Hedke

SL Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Belletristik

Appelfeld, Aharon: Sommernächte. Roman. Dt. von Gundula Schiffer. Berlin: Rowohlt Berlin 2022. 221 S. ; 21 cm. Aus d. Hebr. ISBN 978-3-7371-0124-0, geb.: 22,00 €

Wie überlebt man den Krieg? Indem man stets in Bewegung ist und keine Angst hat.

Ein besorgter jüdischer Vater übergibt seinen Sohn in die Obhut eines blinden Landstreichers, um ihm im 2. Weltkrieg eine Chance des Überlebens zu ermöglichen. Der Landstreicher ist ein ehemaliger hochdekorierter Soldat, der sich des Jungen annimmt und diesen für das Leben auf der Straße ausbildet. Die beiden bewältigen den Alltag gemeinsam und werden ein ungemein eingespieltes Team, das sich mit den Problemen des täglichen Lebens auseinandersetzt. So der Plot.Es wäre aber kein Buch von Appelfeld, wenn es nicht zugleich eine Allegorie für das ewige Judentum wäre. Ein Volk, das immer auf der Wanderschaft, immer wehrhaft und zugleich bedroht ist. Ein Volk, das stets auch zwischen den anderen Völkern lebt. Das ist der subtile Stil des Autors. Ein bestechend intensives Buch, das zeigt, wie gewalttätig Krieg ist. Während die einen mit Waffen kämpfen, ringen die anderen um das Überleben und versuchen Hunger und Bedrohung zu bewältigen.

Bitte unbedingt anschaffen!

Signatur: SL
Schlagworte: Krieg | Judentum
Bewertung: +++
Rez.: Dirk Purz

Augstein, Jakob: Strömung. Roman. Berlin: Aufbau 2022. 301 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-351-03949-3, geb.: 22,00 €

Charakterstudie eines Spitzenpolitikers.

Franz Xaver Misslinger hat es bis zum Generalsekretär seiner liberalen Partei geschafft und will noch weiter nach oben. Wie sein Werdegang ihn deformiert hat, arbeitet der Autor treffend heraus. Publizist Augstein ist dem breiteren Publikum durch die brillanten TV-Politik-Battles mit seinem Kollegen Nikolaus Blome bekannt und zeigt in seinem Roman-Erstling, wie einsam, getrieben und berechnend Politiker sein können. Er schildert Misslinger als exzellenten Redner und auch dessen Abhängigkeit von einem Parteigranden. Er lässt ihn dann aber bei einem USA-Urlaub mit seiner Tochter (inkl. eines alles verändernden Ausflugs nach Montauk - Max Frisch lässt grüßen) aus der Spur geraten. Auch wenn Zeitsprünge den Text komplexer als nötig machen, liest er sich flüssig. Auflockernde Elemente sind realistische E-Mail-Dialoge und (unzitierte) Songtexte. Wie der zunehmend unter Tabletteneinfluss stehende Protagonist baut der Roman aber zum Ende hin, weil er diffuser statt prägnanter wird, etwas ab.

Da weder Titel noch Titelbild den Inhalt erahnen lassen, muss das Werk den an deutscher Gegenwartsliteratur Interessierten, besonders empfohlen werden.

Signatur: SL
Schlagworte: Politik | Gegenwartsliteratur | Männer | Heimatroman
Bewertung: ++
Rez.: Tobias Behnen

Haig, Matt: Der fürsorgliche Mr. Cave. Roman. Dt. von Sabine Hübner. München: Droemer 2022. 252 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-426-28261-8, geb.: 20,00 €

Ein Mann versucht auf krankhafte Weise seine Tochter vor den Gefahren des Lebens zu schützen.

Der Antiquitätenhändler Terence Cave ist ein Mann, dessen Leben durch herbe Verluste gekennzeichnet ist: Erst die Mutter durch Suizid, dann die geliebte Frau bei einem Überfall und nun der Sohn durch eine Mutprobe, provoziert von seinen Kumpeln. Caves Seele ist  zersprungen. Seine Obsession: seine Tochter vor den Gefahren des Lebens zu schützen, um sie nicht auch noch zu verlieren. Dabei greift er zu immer drastischeren Mitteln und merkt nicht, wie sich seine Liebe und Fürsorge in Besessenheit wandeln.So entgleitet ihm seine Tochter immer mehr, will sich aus dem goldenen Käfig befreien und in dem verzweifelten Versuch sie festzuhalten, hat er sie schon längst verloren. Geschrieben ist das Buch als eine Art Brief, der seine Tochter direkt anspricht und ihr erklärt, wie sich die Dramatik seines Handeln entwickelt.Es ist ein zumeist in leisen Tönen erzähltes Buch, das aber gleichzeitig die Depression und wahnhafte Verlustangst deutlich herausschreit.Vorsicht: Trigger- Gefahr!

Ein bedrückendes Buch, in einem faszinierendem Stil geschrieben. Nur für psychsich stabile Lesende geeignet.

Signatur: SL
Schlagworte: Verlustangst | Depression | Wahnvorstellungen | krankhafte Vaterliebe
Bewertung: ++
Rez.: Christine Stockstrom

Reza, Yasmina: Serge. Roman. Dt. von Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel. München: Hanser 2022. 205 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-446-27292-7, geb.: 22,00 €

Die Geschwister Serge, Jean und Nana reisen auf Initiative von Serge Tochter Josephine nach Auschwitz – eine jüdische Familiengeschichte in Dialogen.

Yasmina Reza stammt selbst aus einer weitverzweigten jüdischen Familie und als Theaterautorin ist sie eine Meisterin des Dialogs. Beides ist bestimmend für ihr neues Buch über das „geschichtsvergessene (Geschwister-)Trio“ und deren Familie. Nach dem Tod der Großmutter überfällt Josephine ihren Vater mit dem Wunsch, gemeinsam nach Auschwitz zu fahren und der dort ermordeten Verwandten zu gedenken. Serge, ein nicht sehr erfolgreicher Unternehmensberater, ist froh, dass sein mittlerer Bruder Jean und seine „kleine“ Schwester bereit sind mitzufahren. Diese Fahrt wird weniger zum Anlass einer differenzierten Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur oder deren Scheitern als zum Spiegel einer Familienkonstellation, die sprachlich virtuos in Szene gesetzt ist. Im Zentrum stehen die Geschwisterbeziehungen, die voller Nähe, Erinnerungen, Wut, Enttäuschung und letztlich Zusammenhalt sind. Das alles wird mal sarkastisch, mal komisch und stets in unsere Gegenwart spiegelnder Sprache erzählt und spart auch existenzielle Fragen nicht aus. „Der Sommer enthält alle Sommer, die früheren und diejenigen, die wir nie erleben werden."

Spritzig, entlarvend, einfach treffend erzählt. Gern empfohlen!

Signatur: SL
Schlagworte: Geschwister | Judentum | Abschied | Frankreich
Bewertung: +++
Rez.: Gabriele Kassenbrock

Schnalke, Christian: Louma. Roman. Zürich: Oktopus 2021. 394 S. ; 19 cm. ISBN 978-3-311-3001-3, geb.: 22,00 €

Eine schwierige Patchwork-Familiengeschichte.

Schnalke erzählt eine ungewöhnliche Familiengschichte mit viel Charme und Humor. Louma kommt sehr früh ums Leben, ihr Mann und ihr Ex-Ehemann bleiben mit den vier Kindern  zurück. Mo und Tristan sind sehr unterschiedliche Charaktere und verstehen sich keineswegs; die Kinder stehen dazwischen. Die Großen (Toni, und Fabi ) sind genervt von den beiden; die Kleinen (Fritte und Nano) leiden überaus stark am Verlust der Mutter. Tochter Fritte hat dann die rettende Idee: Damit die Kinder alle zusammenbleiben können, müssen die ungleichen Väter einfach zusammenziehen. Und während sie alle auf ihre Weise um Louma trauern, müssen sie zueinander finden. Es entsteht eine Zweck-WG, die zunehmend aber zusammenwächst zu einer chaotischen, einzigartigen Familie. Natürlich ist das kein leichter Prozess. Das verbindende Element ist dabei immer Louma, die über ihren Tod hinaus in den Seelen ihrer Vertrauten wirkt.

Ein leichter, unterhaltender Schreibstil macht den Roman für viele sehr zugänglich; ein "Pageturner", der ein ernstes Thema  unterhaltsam verpackt.

Signatur: SL
Schlagworte: Familie | Schicksal | Verantwortung | Vaterschaft
Bewertung: ++
Rez.: Christiane Spary

Sachbücher für Erwachsene

Batz, Michael: Das Haus des Paul Levy. Rothenbaumchaussee 26. Hamburg: Dölling und Galitz 2021. 560 S. : Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-86218-146-9, geb.: 32,00 €

Eine „Hausgeschichte“ der besonderen Weise.

Im Journalismus hilft der Leitspruch: „Kill your darling“, unter Historikern gilt anscheinend: „Gebe keine recherchierte Information her und wäge ihre Relevanz nicht ab“.Wäre das Buch journalistisch geschrieben worden, wäre es eine bestechende Reportage über ein beeindruckendes Haus, seine  Bewohner und ein wichtiger Beitrag zur deutschen Geschichte. Aber leider: Der Leser muss einen Wust von Namen, einen unglaublichen Reichtum und Überfluss an Informationen durchkämpfen. Die Ambivalenz liegt zwischen dem Zuviel und dem eigentlichen Interessanten. So ist das, wenn Personenregister 10 % des Buchumfanges ausmachen.Worum geht es? Um ein architektonisch gewagtes Haus in Hamburg und die Geschichte seiner Bewohner - historisch beschrieben. Damit verbunden ein Einblick in die Entwicklungsgeschichte Hamburgs zu Beginn des 20. Jhs. Und weil das dem beflissenen Autor nicht reichte: Auch die Geschichte vieler Familienmitglieder der Bewohner, wo auch immer sie sich befanden. So bleibt: It´s too much.

Anschaffen wenn Mittel und Publikum dafür vorhanden.

Signatur: Bb
Schlagworte: Hamburg | Geschichte | 20. Jh.
Bewertung: +
Rez.: Dirk Purz

Gendrot, Valentin: Bulle - Undercover in der Polizei von Paris. Dt. von Martin Bayer. Hamburg: Hoffmann & Campe 2022. 214 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-455-01158-6, geb.: 20,00 €

Undercover-Reportage über Gewalt und Rassismus in der französischen Polizei.

Der französische Journalist Valentin Gendrot hat bereits mit einer unter Pseudonym veröffentlichten Undercover-Reportage über die prekäre Arbeit im Billiglohn-Sektor Schlagzeilen gemacht. Nun widmet er sich erneut einer schlecht bezahlten Berufsgruppe, die unter prekären Bedingungen für ihren Lebensunterhalt sorgt: den französischen Hilfspolizisten, die nach einer nur drei Monate dauernden Ausbildung mit Waffen ausgestattet auf die Straßen geschickt werden. Dass die völlig überforderten Aushilfs-Flics die strukturelle Gewalt, die ihnen widerfährt, weiterreichen, schildert Gendrot nüchtern und damit umso eindrücklicher. Massive Gewalt, rassistische Diskriminierung und kriminelle Aktionen sind an der Tagesordnung. Anschaulich erzählt er von dem Dilemma, in das seine Undercover-Rolle ihn führt: Bei brutalen Übergriffen seiner Kollegen schaut er zu, deckt hinterher die Verantwortlichen und unterstützt damit genau die Strukturen, gegen die er mit seinem Buch eigentlich anschreiben will.

In der auch in Deutschland hochaktuellen Diskussion um Gewalt und Rassismus in der Polizei eine lesenswerte Perspektive aus dem Nachbarland Frankreich.

Signatur: Sc
Schlagworte: Polizeigewalt | Rassismus | Frankreich | Reportage
Bewertung: ++
Rez.: Thomas Hardtke



Bewertung:

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++        = gut
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