Newsletter "Gemeinde" 01/2021
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Auch im neuen Jahr gilt: Literatur und Lesen laden ein zum Perspektivwechsel und zur Horizonterweiterung. In unserem ersten Gemeinde-NL geht es ganz ausdrücklich um das Leben in zwei Kulturen. Es melden sich Autorinnen und Autoren zu Wort, die zur zweiten Generation der Migrantinnen und Migranten gehören. Oder wir erfahren durch einen Roman aus Kanada von indigenen Kulturen und deren Tradition des Geschichtenerzählens.
Lassen Sie sich entführen.
Mit guten Wünschen für das neue Jahr
Ihr eliport-Team
Bewertung:
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++ = gut
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Bosse, Ayşe: Pembo - Halb und halb macht doppelt glücklich! Ill. von Ceylan Beyoğlu. Hamburg: Carlsen 2020. 272 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-551-65039-9, geb.: 10,00 €
Pembo zieht mit ihren Eltern von der Türkei nach Deutschland. Eine gefühlvolle Geschichte über einen großen Umbruch.
„Manchmal sind zwei Hälften mehr als ein Ganzes." Bis Pembo zu dieser Erkenntnis gelangt, liegt eine aufwühlende Zeit hinter ihr. Die 11 Jahre ihres Lebens hat sie in einem Küstenstädtchen in der Türkei verbracht, mit ihrem türkischen Vater, der deutschen Mutter, Familie und Freunden, mit Sonne, Wärme und dem Meer. Das alles muss sie nun für ein Leben im kalten Hamburg aufgeben, und der Start ist alles andere als glücklich. Der Frisörsalon, den ihr Vater übernehmen wollte, entpuppt sich als Hundesalon. Schwierig, wenn man eine Hundephobie hat! Geldsorgen lassen die Eltern streiten. Pembo steckt voller überbordender Gefühle, aber sie ist vor allem stark. In der neuen Schule wird Jung-min Paul, ebenfalls ein „Halbling" wie sie, schnell ihr bester Freund. Völlig verzweifelt schmiedet Pembo mit ihm schließlich einen Plan, um ihrem Vater zu helfen. Dabei erfahren sie eine große Solidarität, und Pembo erkennt, dass sie sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland zu Hause sein kann.
Ein kraftvolles, positives Buch über das Leben in zwei Kulturen. Eine Vokabelliste und die Erwähnung typischer Speisen laden dazu ein, mehr über die Türkei zu erfahren. Gut für einen interkulturellen Austausch mit Kindern ab 9 Jahren einsetzbar.
Signatur: Ju 2
Schlagworte: Migration | Heimat | Kulturen | Solidarität
Bewertung: +++
Rez.: Katja Henkel

El-Maawi, Samira: In der Heimat meines Vaters riecht die Erde wie der Himmel. Roman. Basel: Zytglogge 2020. 136 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-7296-5049-7, geb.: 26,00 €
Berührender Roman über eine afrikanisch-schweizer Familie aus der Sicht eines 10-jährigen Mädchens.
Wenn der Vater kocht, strömen die Düfte seiner Heimat Sansibar durch die Wohnung. Alle genießen das Essen und fühlen sich gut miteinander, eine liebevolle Familie. Die Ich-Erzählerin des Romans beschreibt in einer poetischen Sprache Gerüche und Gefühle, ihre Gedanken und Erlebnisse. Die Schweiz ist ihre Heimat, Mutter und Großmutter stammen von hier. Doch der Vater kommt aus Sansibar. "Ich bin überall und immer die andere", sagt sie von sich, hadert mit ihrer braunen Haut und dem schwarzen krausen Haar. Auch wenn sie sich ihrem Vater nahe fühlt, so weiß sie wenig über ihn und seine Geschichte. Als der Vater seine Arbeit verliert, steht die Familie vor einer Zerreißprobe. Jede im Alltag erfahrene Demütigung zerstört den Zusammenhalt. Wie soll das Mädchen ihre Identität finden und sich selbst bejahen, wenn ihr "afrikanischer Teil" so negativ betrachtet wird? Wenn der Vater sich auf seine eigene Insel, inmitten der Schweiz zurückzieht? Stoff zum Nachdenken und miteinander diskutieren!
Einfühlsame, gut geschriebene Geschichte über die Schwierigkeiten des Erwachsen-werdens und den Alltagsrassismus in einer weißen Welt, auch für junge Leser*innen ab 14 J. zu empfehlen.
Signatur: SL
Schlagworte: Rassismus | Erwachsenwerden | Familie | Schweiz
Bewertung: +++
Rez.: Regina Riepe

Kiyak, Mely: Frausein. München: Hanser 2020. 126 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-26746-6, geb.: 18,00 €
Die Geschichte der Tochter einer Familie, die als Gastarbeiter*innen aus der Türkei nach Deutschland kamen.
Warmherzig und mitreißend erzählt die Autorin Mely Kiyak von Schlüsselmomenten aus ihrer Kindheit und Jugend. Neben Lust und Neugier begleiten sie auch Scham und Zeiten der Einsamkeit auf ihrem Weg zum Erwachsen werden und „Frausein“. Ihre Eltern, die als Gastarbeiter*innen nach Deutschland gekommen sind, arbeiten hart und müssen nicht selten über die eigenen Grenzen gehen. Immer in der Hoffnung, dass ihre Kinder es einmal besser haben werden. Bei Mely Kiyak geht ihr Wunsch in Erfüllung. Trotz einiger Hürden und Umwege gelingt es ihr das zu tun, was sie liebt. Sie bekommt einen Studienplatz an einer Schreibschule, beginnt zu schreiben und würde am liebsten nie wieder damit aufhören. Als ihre Augen immer schlechter werden und sie eines Tages fast ihr Augenlicht verliert, wird sie auf eine harte Probe gestellt. - Aus der Innenperspektive berichtet Mely Kiyak vom Spagat zwischen Ländern, Kulturen sowie Klassen und lässt ihre Leser*innen auf intime Art und Weise daran teilhaben.
Dieses Buch sensibilisiert seine Leser*innen für Migrationsgeschichten und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen.
Signatur: Bb | SL
Schlagworte: Migration | Biographie | Generationskonflikte | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Pitts, Johny: Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa. Dt. von Helmut Dierlamm. Berlin: Suhrkamp 2020. 461 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-518-42941-9, geb.: 26,00 €
Ein Reisebericht über afropäische Kultur.
Fünf Monate lang hat sich Johny Pitts in Europa auf die Suche nach einer aus der Vermischung afrikanischer mit europäischer Kultur entstandenen afropäischen Kultur begeben. Aufgewachsen in Sheffield und aus einer Arbeiterfamilie stammend, hatte der Autor schon in der Zeit seines Erwachsenwerdens einiges an afropäischer Kultur direkt vor seiner Haustür beobachten können. Vieles blieb aber auch ihm noch verborgen. In seinem Reisebericht erfährt man etwas über die Geschichte einzelner Städte oder ganzer Länder in Europa und ihr afropäisches Leben. Pitts schildert dabei nicht nur bunte Märkte, tolle Musik oder schöne Literatur, sondern wirft einen Blick auf tragische Geschichte und Geschichten ganzer Gruppen und einzelner Personen. Das Buch lebt von spannenden Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen, die zum Teil an Stadträndern in surreal wirkender Armut leben, zu Unzeiten arbeiten müssen und immer wieder auch alltäglichen Rassismus erleben.
Ein umfassendes Bild über ein vielen sicher noch unbekanntes Afropa. Sehr zu empfehlen!
Signatur: SL
Schlagworte: Kultur | Afrika | Europa | Rassismus
Bewertung: +++
Rez.: Benjamin Brokmeier

Wagamese, Richard: Das weite Herz des Landes. Roman. Dt. von Ingo Herzke. Mit einem Nachwort von Katja Sarkowsky. München: Blessing 2020. 288 S. ; 21 cm. Aus d. kanad. Engl. ISBN 978-3-89667-666-5, geb.: 22,00 €
Der Ritt eines todkranken Vaters und seines Sohnes durch die kanadische Wildnis wird zu einer Reise ihren Wurzeln.
Der 16jährige Frank ist bei einem Ziehvater auf einer Farm in den Weiten Kanadas aufgewachsen. Der „Alte“ hat ihn liebevoll zu einem lebenstüchtigen Menschen erzogen und ihn gelehrt, im Einklang mit der Natur zu leben. Doch seine drängenden Fragen nach dem Schicksal seiner Eltern und seinen indigenen Wurzeln lässt er unbeantwortet. Hin und wieder sucht Franks schwer alkoholkranker Vater Kontakt zu ihm, doch er enttäuscht seinen Sohn immer wieder und bleibt ein Fremder für ihn. Todkrank bittet der Vater nun Frank, ihn auf seine letzte Reise zu begleiten und ihn wie seine Vorfahren, die Krieger vom Stamm der Ojibwe, in den Bergen zu begraben. Widerstrebend lässt Frank sich darauf ein und erlebt eine Reise voller Geschichten, voller Schmerz und Wahrheit, die ihm endlich zeigt, wer er wirklich ist. Wagameses lyrische Sprache zieht die Leser tief hinein in eine spirituelle Geschichte um Identitätsfindung, Verlust, Trauer und die heilende Kraft des Geschichtenerzählens.
Wagamese, der selbst zum Stamm der Ojibwe gehört, erhebt seine Stimme für ein respektvolles Zusammenleben der Kulturen in der Interdependenz zwischen Mensch und Natur. Lesenswert!
Signatur: SL
Schlagworte: Identitätsfindung | Indigene Kulturen | Familie | Kanada
Bewertung: +++
Rez.: Christine Heymer