Newsletter "Gemeinde" 07+08/2020
Liebe Leserin! Lieber Leser!
„Wann sind wir endlich da?“ – Die meisten von uns haben diese Frage schon gehört, wenn Sie mit Kindern in den Urlaub gefahren sind (oder selbst gestellt, als Sie noch im Fond des VW-Käfers saßen). In diesem Jahr werden viele Urlaubsreisen ausfallen oder es werden ganz andere Wege gegangen. Mit unserer Sommerauswahl lassen wir Sie kinderliterarisch Reisen erleben, mit dem Hierbleiben zurechtkommen und an historischen Gipfelstürmen teilnehmen. Bei der Belletrisitk zeigt sich das Thema Generationenfolge in ganz unterschiedlicher Gestalt, immer mit sprachlicher Qualität und anhaltender Spannung: Das Nachspüren nach dem Leben der Großmutter, das Adoptieren eines verwilderten Kindes in einer Welt, die nach einem Krieg menschenleer erschien und das Innenleben eines Mannes, der mit äußeren und inneren Feinden kämpft und seine Tochter beschützen will.
Spannende Lesestunden und einen guten Sommer
Wünscht
Ihr Eliport-Team
P.S.: Wer in diesem Sommer sehr gute deutschsprachige Bücher liest, kann diese hier direkt für den Ev. Buchpreis vorschlagen.
Bewertung:
+++ = hervorragend
++ = gut
+ = möglich
Bitte beachten Sie auch unsere weiteren Serviceangebote, die Sie auf unseren Internetseiten abrufen können:
► Literaturtipps unter www.eliport.de
► Alles über den Evangelischen Buchpreis unter www.evangelischerbuchpreis.de
► Leseförderungs- und Taufprojekt unter www.willkommeningotteswelt.de
► Schulanfängerprojekt unter www.leseningotteswelt.de
► Alle Arbeitshilfen zur Bibliotheksorganisation für Mitarbeitende unserer Büchereien unter www.buechereiservice.de

Wann sind wir endlich da? Petra Postert. Ill. von Jens Rassmus. München: Tulipan 2019. O. Pag. : überw. Ill. ; 24 cm. ISBN 978-3-86429-446-4, geb.: 15,00 €
Bilderbuch über eine lange Autofahrt von Vater und Sohn, die durch Geschichten verkürzt wird.
Wer kennt das nicht? Eine endlose Autofahrt und das Kind auf dem Rücksitz nervt, weil ihm furchtbar langweilig ist: Wann sind wir endlich da? Da hilft nur eine Geschichte und so erzählt Papa hinreißend von der Ziege, die ans Meer will. Mit leichter Hand illustriert Jens Rassmus die verschiedenen Etappen der Reise. Ziege und Gans lassen sich auf einem Baumstamm im Fluss treiben, um zum Meer zu kommen. Sie segeln auf einer Wolke und erleben allerlei Abenteuer. Und immer wieder versucht der Vater, den Jungen zum Schlafen zu animieren: Wenn du schläfst, vergeht die Fahrt wie im Flug. Doch Jim hat mehr Spaß daran, die Geschichte gemeinsam mit seinem Vater weiterzuspinnen. Er ist gar nicht müde - im Gegensatz zu seinem Vater, der schließlich auf einem Rastplatz ein Nickerchen macht, während Jim auf dem Rücksitz voller Fantasie mit Gans und Ziege ein Picknick veranstaltet.
Hinreißendes Bilderbuch mit großformatigen Zeichnungen, ideal für die Ferienzeit. Eine tolle Anregung, selbst mit Kindern Geschichten zu erfinden, um die Wartezeit zu verkürzen.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Autofahrt | Fantasie | Langeweile | Vater
Bewertung: +++
Rez.: Regina Riepe

Zensius, Pierre: Gipfelstürmer. Dt. von Ebi Naumann. Stuttgart: Aladin 2020. O. Pag. : überw. Ill. ; 32 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-8489-0171-5, geb.: 15,00 €
Ein mutiger Naturforscher machte sich im 18. Jahrhundert zusammen mit seinem Hund daran, den Mont Blanc zu bezwingen.
Immer wenn der Blick des berühmte Naturforscher Horace Bénédict de Saussure, ein Naturforscher im 18. Jahrhundert, auf den Mont Blanc fiel, bemächtigte ihn ein Gefühl von Ergriffenheit. Mehrmals versuchte er erfolglos diesen Berg zu besteigen. 1787 gelang es ihm zusammen mit seinem Hund und zwanzig Bergführern den Giganten der Alpen zu bezwingen. Die Bergsteiger machten sich mit viel Gepäck und Proviant auf den Weg. Nachdem sie den weiten Wald durchquert hatten, näherten sie sich dem gigantischen Gipfel und erklommen diesen nach viel Mühsal und Anstrengung tatsächlich. - Die großflächigen Illustrationen dominieren die Seiten des Buches. Dagegen sind der Forscher, der Hund und die vielen Bergführer eher wie Strichmännchen gezeichnet. Auf jeder Seite gibt es viel Witziges zu entdecken, wie sie sich alleine oder gemeinsam mit unglaublichen Lasten auf dem Rücken den Berg hoch kämpfen. Die wenigen Sätze geben die Gedanken des Hundes wieder.
Für kleine Abenteurer, die Freude am Entdecken kleiner Einzelheiten haben und bei einer ungewöhnlichen Erstbesteigung dabei sein wollen.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Berge | Hund | Mut
Bewertung: +++
Rez.: Christine Schwendener

Kaurin, Marianne: Irgendwo ist immer Süden. Dt. von Franziska Hüther. Ill. von Friederike Ablang. Zürich: Woow 2020. 228 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Norw. ISBN 978-3-96177-050-2, geb.: 15,00 €
Was tun, wenn alle in der Klasse in die Sommerferien fahren - nur man selbst nicht? Einfach ein bisschen lügen ...
Ina ist 11. Wie es in der Schule so ist, sollen in der letzten Stunde vor den Ferien alle erzählen, was sie im Sommer machen. Alle reisen mit den Eltern ins Ausland, machen teure Fernreisen, tummeln sich in elitären Klubs. Nur Ina nicht. Dafür hat Mama kein Geld. Ina schämt sich – und erfindet eine Reise „in den Süden“, weit weg. Nun gehört sie dazu, ist Teil der Klasse. Aber dann wird sie in den Ferien vom Neuen in der Klasse, Vilmer, entdeckt. Er ist auch zu Hause, ohne Geld, aber er hat kein Problem damit. Und dann werden es grandiose Ferien, denn Vilmer kennt eine aufgegebene Dienstwohnung, in der die beiden ihre Abenteuer erleben. Wunderbare Tage, improvisiert, aufregend, spannend – und schöner als der echte Süden. Aber dann fliegt die Sache auf – und Ina verrät Vilmer. Ein Buch, das das Problem des sozialen Miteinanders und die Schwierigkeit des Muts in der Schule behandelt und die Sehnsucht als treibende Kraft nach Anerkennung, auf der Suche nach dem eigenen Platz im Leben.
Gute Schullektüre für Klasse 5./6., als Diskussionsgrundlage für Themen wie Ausgrenzung, Systemzwang, Gemeinschaft.
Signatur: Ju 2
Schlagworte: Freundschaft | Gemeinschaft | Ausgrenzung | Selbstfindung
Bewertung: +++
Rez.: Astrid van Nahl

Autissier, Isabelle: Klara vergessen. Roman. Dt. von Kirsten Gleinig. Hamburg: mare 2020. 304 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-86648-627-0, geb.: 24,00 €
Eine emotionale Suche nach der vor einem halben Jahrhundert verschwundenen Großmutter.
Er war 23, als er Rubin, seinen hartherzigen Vater, in Murmansk verließ, um eine Zukunft als Ornithologe in Nordamerika zu finden. Nun, weitere 23 Jahre später, ist Juri auf dem Weg zurück in die Heimat, zum ersten Mal, dem Ruf seines sterbenden Vaters folgend. Aber nein, keine Versöhnung, nur eine Frage, ein Auftrag ist es, den der Vater dem Sohn abverlangt: Ein Rätsel soll er lösen, das Rätsel um Juris Großmutter Klara, eine großartige Wissenschaftlerin, die 1950, in der Stalin Ära, vor den Augen ihres kleines Sohnes Rubin verhaftet wurde, um nie mehr gesehen zu werden. Was ist damals geschehen? Juri soll es endlich herausfinden, denn eines darf man nicht: „Klara vergessen“. Und Juri nimmt den Auftrag an, beginnt mit der Suche nach der ihm unbekannten Großmutter, tritt in ihre Fußstapfen, noch nicht wissend, dass es vor allem eine Reise zu sich selbst und seiner Vergangenheit sein wird. Ein großartiger Roman von hoher Literarizität, in einer nicht minder großartigen Übersetzung.
Sehr geeignete Lektüre in anspruchsvollen Literaturkreisen.
Signatur: SL
Schlagworte: Generationenroman | Familie | Russland | Geschichte
Bewertung: +++
Rez.: Astrid van Nahl

Hale, Katie: Mein Name ist Monster. Roman. Dt. von Eva Kemper. Frankfurt am Main: Fischer 2020. 379 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-10-397469-0, geb.: 22,00 €
Eine junge Frau und ein kleines Kind überleben als einzige Menschen einen Weltkrieg und schaffen neues Leben.
Monster, so nennt sich die störrische junge Frau, die während eines grausamen Kriegs in einem Saatguttresor im arktischen Spitzbergen ausharrte. In der Annahme, der einzige überlebende Mensch zu sein, macht sie sich nach Kriegsende mit einem kleinen Boot auf die Reise in Richtung Süden und landet an der schottischen Küste. Halb verdurstet und verhungert gelangt sie eines Tages auf einen abgelegenen Hof, der von da an ihr neues zu Hause wird. Nach einiger Zeit trifft sie auf einem ihrer Streifzüge in die entlegenen, verlassenen Städte auf ein kleines, verwildertes Mädchen. Völlig überwältigt von einem weiteren menschlichen Leben, sind die beiden nach kurzer Zeit unzertrennbar und stark abhängig voneinander. Als das kleine Mädchen doch dann irgendwann in die Pubertät kommt, machen sich immer mehr Differenzen zwischen den beiden Frauen auf und eine Sehnsucht des Aufbruchs kommt immer wieder hoch. Doch welche Alternativen gibt es, wenn man vermeintlich alleine auf der Welt ist?
Ein fesselnder Roman, der die Leser*innen in seinen Bann zieht. Geeignet für Jugendliche und Erwachsene!
Signatur: SL
Schlagworte: Einsamkeit | Überleben | Krieg | Mutterschaft
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Kim, Young-Ha: Aufzeichnungen eines Serienmörders. Roman. Dt. von Inwon Park. Bad Berka: cass 2020. 152 S. ; 20 cm. Aus d. Korean. ISBN 978-3-944751-22-1, geb.: 20,00 €
Der Tierarzt und „pensionierte“ Serienmörder Byongsu Kim (70) schildert sein bisheriges und gegenwärtiges, von der Alzheimer-Demenz bestimmtes Leben.
„Mein Leben lässt sich in drei Phasen teilen. Meine Kindheit, bevor ich meinen Vater umbrachte. Die frühen und die reifen Jahre als Mörder. Das friedliche, mordlose Leben.“ In der Gegenwart gilt seine Aufmerksamkeit seiner Tochter Unhi und deren Schutz vor einem vermeintlich neuen Serienmörder. Er beschließt schließlich, einen letzten Mord zu begehen, um seine Tochter zu retten. Dabei ist er immer im Kampf gegen das Vergessen, gegen die fortschreitende Demenz. Der koreanische Autor verzichtet auf die gängigen Gewaltdarstellungen. Sein Protagonist erinnert in seinem Tagebuch die einzelnen Morde eher lakonisch. Für den Leser wird dabei der Kopf frei für die Empathie des Autors, der den von Alzheimer geplagten Mörder selbst sprechen lässt: „In meinem Kopf herrscht Durcheinander. Mit dem Schwinden des Gedächtnisses weiß auch das Herz nicht mehr, wohin.“ Der Autor lässt den Mörder am Anfang und am Ende seiner Aufzeichnungen ein Gedicht zitieren, das die Auflösung all dessen, was das Ich ausmacht, in das Nichts eindrucksvoll beschreibt.
Die Geschichte überzeugt auf der vordergründigen Handlungsebene (Was ist Wirklichkeit? Was ist das subjektive Erleben des Dementen?) und der Ebene des verschwindenden Innenlebens des Protagonisten. Sehr empfohlen.
Signatur: SL
Schlagworte: Krimi | Demenz
Bewertung: +++
Rez.: Reinhold Zenke