Newsletter "Gemeinde" 12/2021
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Die Zeit zwischen den Jahren ist kostbare Lesezeit zu der wir im letzten Gemeinde-Newsletter des Jahres noch einmal spannende, bewegende und inspirierende Leseempfehlungen geben möchten, die sich natürlich auch noch bestens für den Gabentisch eignen. Noch immer hält die Pandemie die Welt in Atem und uns viel zu Hause. Bücher sind da treue Begleiter, Freudebringer und guter Gesprächs- und Vorlesestoff. Viele gute Stunden mit Alina Bronsky, Edgar Selge und der gestohlenen Weihnachtsgans!
Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Ihr Eliport-Team
Bewertung:
+++ = hervorragend
++ = gut
+ = möglich
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Die gestohlene Weihnachtsgans. Johanna Lindemann. Ill. von Andrea Stegmaier. Berlin: Annette Betz Verl. 2021. O. Pag. : überw. Ill. ; 28 cm. ISBN 978-3-219-11899-5, geb.: 14,95 €
Bei den Weihnachtsvorbereitungen verschwindet plötzlich die Weihnachtsgans. Wer hat sie gestohlen?
An Weihnachten soll diesmal alles perfekt sein. Doch schon beim Schmücken des Baumes fangen Emmas Eltern an zu streiten und bei den Vorbereitungen für das Weihnachtsessen stellt Emmas Mutter fest, dass die Gans nicht in den Bräter passt. Wegen ihrer Größe wird die Gans über Nacht im kühlen Hausflur deponiert, doch am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Keiner der Nachbarn hat etwas gesehen und die Geschäfte haben schon geschlossen. Jetzt muss es an Weihnachten Spaghetti mit Tomatensoße geben! Gäbe es da nicht die tollen Nachbarn ...
Johanna Lindemann erzählt eine berührende Weihnachtsgeschichte, in der nicht alles planmäßig verläuft und es ziemlich stressig wird. Das vermitteln ihre Texte gut und der Leser kann auf diese Weise besonders an dem Geschehen teilhaben. Andrea Stegmeier setzt die ganze Aufregung mit wunderbar farbigen und großflächigen Bildern in Szene, und wer genau hinschaut, entdeckt ab der zweiten Buchhälfte immer wieder einen Fuchs. Ob er etwas weiß?
Ein wundervolles Buch für Kinder ab vier Jahren. Ich empfehle es für die Kita, für Spielgruppen und für Büchereien.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Weihnachten | Aufregung | Nachbarschaftshilfe
Bewertung: +++
Rez.: Barbara Hildenbrand

Die Eisreise. Thomas Tidholm. Ill. von Anna-Clara Tidholm. Dt. von Anu Stohner. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2021. 46 S. : überw. Ill. ; 28 cm. Aus d. Schwed. ISBN 978-3-423-64085-5, geb.: 14,95 €
Die abenteuerliche Reise dreier Kinder auf einer abgebrochenen Eisscholle, in drei Kapiteln ...
Drei Kinder zu Winterende auf dem Weg zum Vogelbeerbach (Kap. 1), auf dem noch ein bisschen Eis treibt – große Eisschollen (wie die Kinder erzählen), und mit einer treiben sie davon: den Fluss entlang, in das Meer hinaus, und dann auf festes Eis, von dem aus man das Nordlicht beobachten kann. Winter und Dunkelheit (Kap. 2), in der es zu überleben gilt; eine alte halb verfallene Hütte bietet ihnen Schutz und Wärme, ein paar Konservendosen – und ein altes Tagebuch, geschrieben von den Polarentdeckern Nansen und Shackleton. Hier verbringen sie den Winter, erforschen die Region. Bis sie im Frühjahr (Kap. 3) wieder auf See gehen, in ihrem selbstgebauten Boot, bis sie wieder auf dem Vogelbeerbach sind … Eine traumhaft schöne, poetische und zeitlose Geschichte, wie sie vielleicht nur Schweden schreiben können, über kindliche Fantasie und Schöpferkraft, Freundschaft und Zusammenhalt, Abenteuer und Mut, wunderbar in Illustrationen festgehalten, meisterhaft in der Übersetzung von Anu Stohner.
Besonders für fantasiebegabte Kinder ab 6 J., gut einsetzbar in Gruppenarbeit, um ein eigenes Abenteuer nachzuspielen.
Signatur: Ju 1
Schlagworte: Abenteuer | Polarforscher | Reisen
Bewertung: +++
Rez.: Astrid van Nahl

Labor Ateliergemeinschaft: Das wird bestimmt ganz toll! Wenn ich groß bin .... Weinheim: Beltz & Gelberg 2021. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-407-75601-5, geb.: 16,00 €
Wie könnte die Zukunft aussehen? Großartige Visionen für Kinder.
Lauter Best-Case-Szenarien. Anstelle einer schnöden Wasserhahnarmatur in der Küche ein Schokoladenhahn! Ein Dino als Haustier! Eine Pistole, deren Munition Liebe ist! Die Frankfurter Laborgemeinschaft bietet Kindern ein vielfältiges Kaleidoskop an Visionen, was man machen könnte oder wie das so ist, wenn sie groß sind bzw. ganz individuell „wenn ich groß bin“. Von „Ich glotze den ganzen Tag aufs Handy“ (soll ja mitunter magische Faszination auf noch nicht Nutzer*innen haben), über „Die Fiesen haben ihren eigenen Planeten“ (wieso, wird das noch nicht praktiziert?) bis zu sauberem Trinkwasser an jedem Ort der Welt („Ich mach mir trotzdem lecker Brausepulver rein!“). Dazwischen auch Platz zum Ankreuzen und/oder Zeichnen möglicher eigener Erfindungen/ Berufe/ Wesensarten. Egal, welche Gedankenspielerei hier präsentiert wird, alle werden in der Gewissheit vermittelt: „Das wird bestimmt ganz toll!“ – so auch der Titel dieses genialen Werks.
Die sieben Illustrator*innen haben das Buch der Stunde vorgelegt. Konzentriert und vielgestaltig in Text und Bild. Mit unaufhaltsamen Klimawandel und nach so langer Coronazeit fällt ein positiver Blick auf die Zukunft schwer. Umso wichtiger, Kinder darin zu bestärken, von ihr zu träumen. Ein Muss!
Wenn Sie dieses Jahr nur ein Buch für die Bücherei/ für Kinder anschaffen könnten, würde ich Ihnen zu diesem raten.
Signatur: Ju 1
Schlagworte: Zukunft | Erwachsensein | Humor | Selbstbild
Bewertung: +++
Rez.: Anna Winkler-Benders

Acevedo, Elizabeth: Soul Food. Dt. von Anne Brauner. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl. 2021. 399 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-499-00354-7, kt.: 16,00 €
Teenager-Mutter und talentierte Köchin – Emoni geht entschlossen ihren Weg.
Emoni ist früh Mutter geworden und jongliert nun mit Highschool, Nachmittagsjob und ihrer kleinen Tochter Emma. Mit dem Vater Tyrone ist sie nicht mehr zusammen, doch kümmert dieser sich an festen Wochenenden um die Kleine. Zudem hat sie ihrer Großmutter, bei der sie lebt und die ihr eine wichtige Ratgeberin und Stütze ist. Emonis große Leidenschaft ist das Kochen, für das sie auch ein besonderes Talent besitzt. Instinktiv weiß sie, welche Zutat ein einfaches Essen zu etwas ganz Besonderem macht. Als in ihrer Schule ein Kochkurs angeboten wird, der mit einer Exkursion nach Spanien verbunden ist, schlägt ihr Herz natürlich höher. Aber ob sie sich die Reise wird leisten können? Und das ist nicht ihre einzige Baustelle: Tyrones Mutter möchte gerne das Sorgerecht für Emma bekommen, Tyrone stellt sich als echter Wachhund, was Emonis Kontakte zum männlichen Geschlecht betrifft, heraus und dann ist da noch Malachi, der süße Typ aus ihrem Kochkurs, der sie ganz offensichtlich für sich gewinnen will …
Soul Food ist literarisches Seelenfutter: Leicht und fluffig zu lesen, mit einigen nachdenkenswerten Themen gewürzt (Teenagerschwangerschaft, Emanzipation, Rassismus) und mit einer guten Portion Küchenzauber und Kribbeln im Bauch abgerundet.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Liebe | Kochen | Rassismus | Gesellschaft
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Bronsky, Alina: Barbara stirbt nicht. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2021. 255 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-462-00072-6, geb.: 20,00 €
Eine anrührende und gleichzeitig urkomische Geschichte über die Beziehung eines alten Paares.
„Barbara stirbt nicht“, das ist für Rentner Walter Schmidt in Stein gemeißelt. Obwohl es für seine Frau Barbara, die nach einem nächtlichen Sturz im Bad bettlägerig ist, offensichtlich nicht gut aussieht, hält er an dieser Annahme fest. Doch dass Barbara gar nicht isst, das stört ihn gewaltig. So wird der Gatte, der der Küche jahrzehntelang fern blieb, mit Hilfe einer Bäckereiverkäuferin und des Fernsehkochs Medinski nach und nach zu einem ganz passablen Hausmann. Kinder und Bekannte staunen nicht schlecht. Auch in Bezug auf pflegerische Tätigkeiten und liebevolle Zuwendung macht Walter stetig Fortschritte. Ohne dass Barbaras genaue Diagnose im Zentrum steht, schildert Alina Bronsky, was in einer alten und sehr traditionellen Ehe noch alles möglich ist, wenn die Frau unerhörter Weise einfach ausfällt. Der Roman ist kurzweilig, gut lesbar, manchmal bitterböse, manchmal lustig und sehr berührend. Sein Ende bringt noch einmal eine überraschende Wendung.
Absolut empfehlenswert für Literaturkreise und alle, die ein Herz und Geduld für alte, weiße Männer mit Potenzial haben.
Signatur: SL
Schlagworte: Ehe | Alter | Neuanfang | Patriarchat
Bewertung: +++
Rez.: Marie Varela

Kuhlendahl, Susanne: Virginia Woolf. München: Knesebeck 2021. 128 S. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-95728-488-4, geb.: 25,00 €
Eine biografische Graphic Novel über die Weltautorin, die zart und klug gezeichnet und dargestellt ist.
Genaue Zeitgeschichte in Kleidung, Körperhaltung und Interieur, das Geschlechterverhältnis seziert, die Mechanismen aus Unterdrückung und Erniedrigung der Mädchen und jungen Frauen im ausgehenden viktorianischen Zeitalter (aktuell und ohne weiteres ins 21.Jahrhundert übertragbar) mit feinem Strich, differenzierter Farbgestaltung und impressionistischer Weltsicht dargestellt: die Graphic Novel über Virginia Woolf ist ausgesprochen gelungen und unbedingt zu empfehlen, um der Autorin, ihrem Leben und Werk auf die Spur zu kommen. In die biografisch chronologische Vertiefung hat die Künstlerin immer wieder Passagen aus Woolfs Werk hineinkomponiert. Diese Zusammenstellung konkret erzählten und bebilderten Lebens mit den an sich oft als so schwierig empfundenen Texten Virginia Woolfs zeichnet dieses Buch aus. Möglicherweise ergibt sich für begeisterte Leserinnen der Graphic Novel eine Einladung, das Werk der Woolf selbst zu entdecken.
Für DeutschlehrerInnen, für einen originellen Lesekreis, der einer etablierten Autorin auf ungewöhnliche Weise zu begegnen vermag.
Signatur: Bb
Schlagworte: Frauenwelt | Trauer | Gewalt | Literatur
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

LeTellier, Hervé: Die Anomalie. Roman. Dt. von Jürgen u. Romy Ritte. Hamburg: Rowohlt Hundert Augen 2021. 344 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-498-00258-9, geb.: 22,00 €
Eine Boeing 787 auf dem Weg von Paris nach New York, gerät am 10.03.21 in ein fürchterliches Unwetter mit heftigsten Turbulenzen, kann aber schließlich landen. Im Juni 2021 erscheint dieselbe Maschine am Himmel mit genau denselben Passagieren auf dem selben Weg. Diese Anomalie ist der Kern des Buches.
Dem französischen Autor gelingt es, sich auf eine sehr spannende, abenteuerliche und nachdenkliche Art und Weise mit einem Problem auseinanderzusetzen, das es so eigentlich nicht gibt. Von den Passagieren des ursprünglichen Fluges gibt es im zweiten Flug Doppelgänger, nicht ähnlich gestaltet oder Zwillinge, sondern es sind identische Figuren. Da das Phänomen so unglaublich ist, wird die zweite Maschine mit allen Mitgliedern an Bord abgefangen und an einem geheimen Ort gebracht. Von den US-Behörden geschehen an allen Menschen sehr unterschiedliche wissenschaftliche Untersuchungen. Die Leiter verschiedener Staaten sind dabei, ebenso Fachleute aus den unterschiedlichen Weltreligionen, die helfen sollen, dieses Phänomen zu klären. Sehr interessant, sehr menschlich und zum Teil urkomisch wird es, wenn am Ende die Personen ihren Duplikate begegnen. Der aus drei Teilen bestehende Thriller mit komödienhaften Anteilen besticht durch seine klare Gedankenführung und nicht zuletzt durch seine aufregende inhaltliche Gestaltung. Ein hochinteressantes Buch, das die Leser*innen lange beschäftigen wird.
Ein interessiertes und aufmerksames Lesepublikum sollte dieses Buch in unseren Büchereien finden.
Signatur: SL
Schlagworte: Flugverkehr | Kopie oder Einbildung | Menschsein | Zukunft
Bewertung: +++
Rez.: Kurt Triebel

Selge, Edgar: Hast du uns endlich gefunden. Hamburg: Rowohlt 2021. 301 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-498-00122-3, geb.: 24,00 €
In 20 lose verbundenen Erzählabschnitten gibt der Schauspieler Edgar Selge als Autor und literarisches Ich Einblicke in eine Kindheit in den 50er/60er Jahren.
In einem fließenden, ganz eigenen, berührenden, ganz im Präsens gehaltenen Erzählton lässt uns Selge an seinen Erfahrungen und Gefühlen teilhaben.1948 geboren in Herford und aufgewachsen als zweitjüngster von fünf Söhnen eines Juristen und Gefängnisdirektors, sucht der von seinem Bruder als „Träumer“ charakterisierte Junge nach seinem eigenen Weltbild. Musik spielt eine tragende Rolle im Familienleben und folgerichtig erzählt das erste Kapitel vom „Hauskonzert“, das der Vater unterstützt von einem bewunderten professionellen Geiger regelmäßig gibt, zunächst für ausgewählte Gefängnisinsassen, abends für Akademikerpaare der Kleinstadt. „Wir leben von den Gesetzesbrechern. (…) Meine Eltern sehen das natürlich anders. Aber ich muss ihre Ansichten umdrehen, damit ich zu meinen eigenen komme.“ Zentrales Thema des Buches sind die lebenslang widerstreitenden Gefühle gegenüber den Eltern, die geliebt und gefürchtet werden. „Ich will nicht einer sein, der den liebt, der ihn schlägt.“
Für mich bisher das beste Buch dieses Jahres. Es wird ganz viele Menschen erreichen. Wirklich sofort einstellen!
Signatur: SL
Schlagworte: Familie | Musik | Liebe | Gott
Bewertung: +++
Rez.: Gabriele Kassenbrock