Rezension des Monats Dezember 2023

Faas, Linde: Irgendwo im Schnee.  Dt. von Kristina Kreuzer. Hamburg: von Hacht Verl. 2023. O. Pag. : überw. Ill. ; 34 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-96826-034-1, geb.: 16,00 €

Mit Mut und Kreativität verwandelt ein einsames kleines Mädchen einen traurigen Weihnachtsabend in ein helles Fest.

Leise rieselt Schnee aus dem dunklen Winterhimmel und zaubert weiß-bunte Tupfen vor die festlich erleuchteten Fenster des großen Hauses. Nur in der Wohnung von Sophie und ihrem Papa bleibt es dunkel. Sophie ist traurig und einsam, weil ihr Papa zu beschäftigt ist, um mit ihr zu feiern. Vielleicht wartet draußen ja etwas Schönes, Festliches auf sie? Sophie wagt sich hinaus in das Schneegestöber. Plötzlich steht ihr ein freundlicher Elch gegenüber, der sie einlädt, auf seinem warmen Rücken in die weiße Waldwelt zu reiten.
Hier ist Sophie nicht mehr allein. Zusammen mit den Waldtieren lässt sie ein kleines, krummes Bäumchen geschmückt in hellem Wunderlicht erstrahlen und wird selbst ganz erfüllt vom winterlichen Weihnachtszauber als unerwartet ihr Papa vor ihr steht.
Zart und voller Poesie erzählt das Bilderbuch eine märchenhafte Weihnachtsgeschichte von einem kleinen Mädchen, das mit Phantasie Einsamkeit und Dunkel überwindet und ein Weihnachtsfest abseits aller Konventionen feiert.
Das großformatige, in in gedeckten Blau- und Grautönen mit wenigen ausdrucksstarken Lichtakzenten gehaltene Bilderbuch wärmt das Herz beim Betrachten und Lesen- zauberhaft! 

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Weihnachten / Einsamkeit / Kreativität / Mut
Bewertung: +++
Rez: Christine Heymer

Rezension des Monats November 2023

Wann ist endlich Frieden? Antworten auf Kinderfragen zu Krieg, Gewalt, Flucht und Versöhnung. Elisabeth Raffauf. Ill. von Günther Jakobs. Frankfurt am Main: Fischer Sauerländer 2023. 45 S. : überw. Ill. ; 31 cm. ISBN 978-3-7373-7213-8, geb.: 16,00 €

Kluge Antworten auf Kinderfragen zu Krieg und Frieden.

Mit diesem Kindersachbuch macht die Autorin Erziehenden ein Angebot, das sie kaum abschlagen können: mit Kindern ins Gespräch zu kommen über die großen Fragen rund um Krieg und Frieden - und das begleitet von einer erfahrenen Psychologin. Was könnte einem mehr Sicherheit geben? Mit der Frage „Was bedeutet Frieden?“ startet das Buch, viele weitere folgen: Warum gibt es Krieg? Was ist ein:e Terrorist:in und warum macht er/sie das, was er/sie macht? Kann der Krieg auch zu uns kommen? Was hilft gegen die Angst davor? Was ist Flucht? Was tut eine Hilfsorganisation – und was kann ich persönlich tun? Und ganz aktuell: „Was ist, wenn zwei Kinder der sich bekämpfenden Länder auf dem Schulhof streiten?“ Die Fragen werden kurz, überwiegend leicht verständlich, sachlich und klug beantwortet. Raffauf verzichtet auf stark vereinfachende Bilder und nimmt Kinder erkennbar ernst. Das ist erfrischend. Erwachsene Begleitung ist dennoch ein Muss beim Lesen. Nicht nur, weil unweigerlich Folgefragen aufkommen werden, sondern auch, weil man so beobachten kann, wie es den Kindern mit den Fragen (und vor allem den Antworten) geht, was sie besonders beunruhigt, was sie an Unterstützung brauchen.

Meiner Wahrnehmung nach bisher das gelungenste Sachbuch für Kinder zum Thema. Ab ca. 7 Jahren in Begleitung von Erwachsenen sehr gut einsetzbar.

Signatur: Js
Schlagworte: Frieden / Krieg / Flucht
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Oktober 2023

Lien, Tracey: All die ungesagten Dinge. Roman. Dt. von Ulrike Wasel u. Klaus Timmermann. München: Piper 2023. 332 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-492-07162-8, geb.: 24,00 €


Als ihr Bruder brutal ermordet wird, kehrt Ky in ihre Heimat zurück und beginnt nachzuforschen.


Cabramatta ist ein Vorort von Sydney, in dem vor allen Eingewanderte leben. Kys Eltern flohen einst mit den Kindern aus Vietnam und versuchen seitdem, durch harte Arbeit ein Auskommen zu finden. Auch von ihren Kindern verlangen sie Höchstleistungen. Ky hat sich nach der Schule den Wünschen der Eltern widersetzt und ist statt Ärztin oder Anwältin Journalistin in Melbourne geworden. Denny aber wollte es den Eltern immer Recht machen, war ein Spitzenschüler – hatte er sich unter dem Druck auf Drogen eingelassen, wie so viele Jugendliche im Ort? Da die Polizei nur mäßiges Interesse an Ermittlungen zeigt, macht sich Ky allein auf die Suche nach Antworten und dem Täter. Diese Suche wird auch zu einer Reise in ihrer Vergangenheit.
Die Hauptperspektive im Roman liegt bei Ky. Doch immer wieder kommen auch andere Menschen zu Wort. U. a. der Vater, der nach dem Tod des Sohne seine Rolle zu hinterfragen beginnt, die frühere beste Freundin Kys und einer Hochzeitssängerin, die bei Dennys Ermordung anwesend war. So entsteht ein packendes Panorama vietnamesischer Eingewanderter und ihrer Kinder in Australien.

Rassismus, Migration, Traumata und Familie sind die großen Themen des Romans. Für Fans von Celestet Ng und anregenden Gesellschaftsromanen.

Signatur: SL
Schlagworte: Migration / Rassismus / Trauma / Familie
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats September 2023

Huppertz, Nikola: Fürs Leben zu lang. München: Tulipan 2023. 194 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-86429-570-6, geb.: 16,00 €

Coming-of-Age und die großen Fragen des Lebens.


Magalis Schwester ist auf Dauerkrawall gebürstet, die Eltern überfordert und Magali – ist groß. Deutlich zu groß für ihr Alter und immer noch am Wachsen. Ihre Eltern haben entschieden, nichts dagegen zu unternehmen. Angeblich, weil sie wunderbar ist, so wie sie ist. Und weil es angeblich ungesund ist, das Wachstum zu stoppen. Wie ungesund ist es aber wohl, zu lang fürs Leben zu sein? Etwas einsam ist Magali auch, gerade jetzt in den Osterferien. Zum Glück gibt es Snow, den Husky der Nachbarn im Mehrfamilienhaus. Sträflich vernachlässigt von seiner Familie ist er immer bereit, wenn Magali Zeit für ihn hat. Dann verkündet der alte Nachbar Herr Krekeler, dass er nun bald sterben wird und bekommt Besuch von seinem Enkel. Kieran ist eher klein für sein Alter, altklug und ziemlich penetrant. Wider Willen freundet sich Magali mit ihm an. Viele Fragen beschäftigen die beiden: Küssen, gutaussehende Nichten, Strawinsky und vor allem das Leben. Wie Sterben geht, zeigt ihnen Herr Krekeler aber wie lebt man richtig?
Viele Themen klug, spannend und lebensnah verbunden. Die zeitliche Verortung rund ums Osterfest in Kombination mit den aufgerufenen Themen bietet viel Stoff zum Nachdenken.

Ein Herzensbuch. Und ein Segen, dass es Autor:innen wie N. Huppertz gibt. Für Schule, Konfigruppe und alle Leser:innen ab 12.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Coming-of-Age / Tod / Leben / Anderssein
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats August 2023

Immer mal wieder zum Himmel schauen. Gebete für Kinder. Hg. von Kathrin Wexberg. Ill. von Michael Roher. Mit Beiträgen von Mathias Jeschke, Lena Raubaum u. a. Innsbruck: Tyrolia 2023. 123 S. : Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-7022-4080-6, geb.: 22,00 €

Eine Sammlung berührender, warmherziger, tröstender Texte für viele (nicht nur kindliche) Lebenslagen.

Um etwas bitten, für etwas danken. Jemandem etwas Gutes wünschen, also segnen. Es sind einfache Grundformen menschlicher Kommunikation, die beim Beten zum Tragen kommen. Dennoch fällt es uns Erwachsenen nicht so leicht, die richtigen, stimmigen, angemessenen Worte zu finden, um mit Kindern gemeinsam zu beten. Dieses Buch mit seiner Zusammenstellung verschiedenster Texte, Gedichte, Psalmworte kann dabei eine wirkliche  Unterstützung sein. Eine hilfreiche Unterteilung nach verschiedenen Anlässen gibt einen guten Überblick über die Vielfalt dieser Sammlung. Von ganz alten Worten der Psalmen über bekannte Verse von Franz v. Assisi oder D. Bonhoeffer bis zu den speziell für dieses Buch entstandenen Gebeten, Gebetsgedichten. Die Texte sind schön, auch humorvoll. Kindgemäß, nicht moralisierend , ohne „Druck"; einfach nur berührend, begleitend. Leichtfüßige Illustrationen begleiten diese auf angenehme, unterstützende Weise. Ein sehr schönes Buch für den gemeinsamen „Blick zum Himmel"…

Geeignet für alle, die mit (und für) Kindern beten; in gemeindlichen Gruppen, Kindertageseinrichtungen, aber auch in der Familie. Ein schönes Geschenk, auch für Erwachsene.

Signatur: Jc / Cb
Schlagworte: Kindergebete / Beten / Religion / Glaube
Bewertung: +++
Rez: Dörte Jost

Rezension des Monats Juli 2023

Yagisawa, Satoshi: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki. Roman. Dt. von Ute Enders. Berlin: Insel 2023. 188 S. ; 22 cm. Aus d. Japan. ISBN 978-3-458-64369-2, geb.: 18,00 €

Tokio: Die 25-jährige Takako strandet während einer Lebenskrise in der Antiquariatsbuchhandlung ihres Onkels.

Für die 25-jährige Takako bricht eine Welt zusammen, als ihr Freund ihr eröffnet, dass er eine andere heiraten wird. Unterschlupf findet sie in der Antiquariatsbuchhandlung ihres Onkels in Jinbocho, dem Buchhandelsviertel Tokios, wo sie ihre Liebe zur Literatur entdeckt und langsam zurück ins Leben findet. Die sympathische, in Rückblenden erzählte Geschichte handelt von zwei Frauen. Zum einen von der jungen Takoko, die ihrem Liebeskummer erst entkommt, als sie lernt, sich ihren Gefühlen zu stellen. Und zum anderen von der Tante Momoko, die nach 5 Jahren des unerklärten Wegbleibens zurück zu ihrem Mann zieht. In gemäßigtem Tonfall erzählt, wirkt die Geschichte aus dem Leben gegriffen. Sie handelt von zurückhaltenden Menschen, die nicht zuletzt über die Literatur lernen, Gefühle zuzulassen. Die klare Botschaft des leicht melancholischen Buches lautet: „Traue dich zu lieben, auch wenn es schmerzt.“ Es ist daneben eine Liebeserklärung an die Literatur und das Antiquariats- und Buchhandelsviertel in Tokio.

Warmherzige Lektüre, nicht nur für literarisch und an Japan interessierte Leserinnen.

Signatur: SL
Schlagworte: Lesen / Freundschaft / Tokio / Depression
Bewertung: +++
Rez: Bärbel McWilliams

Rezension des Monats Juni 2023

Lo, Malinda: Last night at the telegraph club. Roman. Dt. von Beate Schäfer. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2023. 444 S. ; 22 cm. Aus d. amerikan. Engl. ISBN 978-3-423-76419-3, geb.: 19,00 €

Liebesgeschichte im San Francisco der 50er Jahre.

Mitte der fünfziger Jahre lebt Lily mit ihrer Familie als Teil der chinesischen Community in San Francisco. In ihrem letzten Highschool-Jahr freundet sie sich mit Kathleen an, mit der sie Träume von einer Zukunft teilt, die für  Frauen in der damaligen Zeit nicht vorgesehen ist. Gemeinsam ist ihnen auch die Faszination für den Telegraph Club, wo die „Herrenimitatorin” Tommy Andrews auftritt. Und so schleicht sich Lily eines Nachts aus dem Haus und betritt mit Kathleen eine neue Welt, in der sie sich noch näher kommen. Bis es schließlich zu einer folgenschweren Razzia kommt.Ein ganz wunderbar leicht zu lesender Roman über das Erwachsenwerden, eine berührende Liebesgeschichte historisch eingebettet in die Jahre nach McCarthy. Eine Geschichte über Freundschaft, Loyalität und das Finden der eigenen Identität, in kleinen Szenen fein herausgearbeitet. Das Buch ist so spannend und der historische Rahmen so perfekt, dass man sich am Ende fast schon betrogen fühlt, den genauen Werdegang der beiden nicht ergooglen zu können.

Ein hervorragend recherchierter und packend erzählter Roman, den man kaum aus der Hand legen kann. Ganz klare Lese- und Anschaffungsempfehlung!

Signatur: Ju 3 / SL
Schlagworte: LGBTQ+ / USA / Erste Liebe / 50er Jahre
Bewertung: +++
Rez: Sabine Klohn

Rezension des Monats Mai 2023

Evaristo, Bernardine: Mr. Loverman. Roman. Dt. von Tanja Handels. Stuttgart: Klett-Cotta 2023. 330 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-608-50489-7, geb.: 25,00 €

Das späte Coming-out eines karibischen Einwanderers im London der frühen 2000er Jahre.

Der 74jährige Barrington Jedidiah Walker hält so manche Überraschung parat: Als Einwanderer von der Karibik-Insel Antigua arbeitete er vierzig Jahre bei Ford Motors in London Dagenham, belegte aber nebenher Abendkurse, um das ihm verwehrte Universitätsstudium wieder wettzumachen. In den 1960er Jahren begann er, erfolgreich in Immobilien zu investieren und machte die Arbeit als Maschinenschlosser zu seinem eigenen Vergnügen weiter. Schließlich ist er seit 50 Jahren mit der strenggläubigen Carmel verheiratet, führt jedoch seit Jahrzehnten heimlich eine Beziehung mit seinem Jugendfreund Morris. Als Carmel darüber nachdenkt, ihren schwer kranken Vater auf Antigua zu besuchen, wächst in Barrington der Beschluss, sich endlich zu seiner Sexualität zu bekennen. Humorvoll erzählt die Autorin vom Coming-out des liebenswerten Dandys, gibt aber auch der enttäuschten Ehefrau in sechs Kapiteln eine Stimme.

Ein Buch voller Poesie, Ironie und literarischer Experimentierfreude. Für geübte Leser:innen und Freund:innen moderner, feministischer Literatur.

Signatur: SL
Schlagworte: Liebe | Homosexualität | Ehe
Bewertung: +++
Rez: Amelie Sareika

Rezension des Monats April 2023

Unsere allerbeste Kinderbibel. Sören Dalevi. Ill. von Marcus-Gunnar Pettersson. Dt. von Hanna Schott. Gütersloh: Gütersloher Verl. - Haus 2022. 265 S. : überw. Ill. ; 27 cm. Aus d. Schwed. ISBN 978-3-579-06284-6, geb.: 28,00 €

Eine Auswahl von rund 40 biblischen Geschichten, dazu Gebete. Lieder und Gedichte.

„Jesus wird geboren?!“- ja, diese Kinderbibel beginnt tatsächlich ganz anders als andere. Erzählt wird die klassische Weihnachtsgeschichte, von der Geburt in einem Stall, den Hirten, Herodes und den weisen Männern bis hin zur Flucht und dem Leben in Ägypten. Dem kleinen Jesus erzählen Maria und Josef Geschichten, die sie selber als Kinder erzählt bekommen hatten. Vom Anfang der Welt, von Noah, von Mose, von David und Goliath. Und so geht es dann hier weiter mit den Geschichten des Alten Testaments. Von der Schöpfung über Abraham, Jakob, Josef, Mose, Rut bis zum König David. Ab hier wird dann wieder von Leben, Wirken, Tod und Auferstehung Jesu erzählt. Lieder, Gebete und Gedichte ergänzen. Begleitet werden die Texte von ganz außergewöhnlichen Illustrationen, die auf eigenwillig-realistische Art den Bezug in die heutige Zeit aufnehmen, die alten Geschichten in die Gegenwart der Kinder holen, ohne die Erzählung zu verfremden oder gar zu karikieren. Auf jeden Fall empfehlenswert.

Eine etwas ungewöhnliche, aber gerade dadurch besondere Bibel für ältere Kinder und Erwachsene, die durch Text und Illustration einlädt zu Entdeckung und Gespräch. 

Signatur: Jc
Schlagworte: Biblische Geschichten | Kinderbibel
Bewertung: +++
Rez: Dörte Jost

Rezension des Monats März 2023

Andrews, Kerri: Frauen, die wandern, sind nie allein. Unterwegs mit berühmten Denkerinnen - von Anais Nin bis Virginia Woolf. Dt. von Anne Emmert und Katrin Harlaß. München: Goldmann 2022. 350 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-442-31677-9, geb.: 24,00 €

Unterwegs mit Philosophinnen, Denkerinnen und Schriftstellerinnen vom 18. Jahrhundert bis heute.

Laufen, wandern – was ist daran geschlechtsspezifisch? Vieles, sagt Kerri Andrews, Dozentin für englische Literatur. Sie hat sich mit Frauen der Literaturgeschichte beschäftigt, die draußen in der Natur oder flanierend in der Stadt unterwegs waren. Im England des 18. Jahrhundert waren das eher Gattinnen oder Schwestern berühmter Männer wie Dorothy Wordsworth. Aber auch Elizabeth Carter, eine unverheiratete Pastorentochter, die Epiktet aus dem Griechischen übersetzt hat und gern mehr als 20 Meilen am Tag zu Fuß zurücklegte. Ellen Weeton, eine Gouvernante, durchstreifte im 19. Jahrhundert den Lake District, Wales und bestieg Berge, ganz allein. Virginia Woolf, Ananis Nin ist jeweils ein Kapitel gewidmet. Immer sucht Kerri Andrews nach dem Weiblichen der Wanderlust. Das wirkt manchmal bemüht, gar ermüdend, aber viel öfter überraschend und einleuchtend. Frauen waren in einer anderen Welt unterwegs als Männer: gefährlicher, fremder, berührender. Und Frauen hatten es schwerer, ihre Pläne zu verfolgen. Einen bürgerlichen Haushalt konnte man nicht so leicht unbeaufsichtigt lassen wie einen angefangenen Roman …

Für Leserinnen, die sich für weibliches Denken interessieren, fürs Wandern und für Literaturgeschichte.

Signatur: Gb
Schlagworte: Philosophie | Wandern | Frauen | Literaturgeschichte
Bewertung: +++
Rez: Anne Buhrfeind

Rezension des Monats Februar 2023

Schaap, Annet: Mädchen. Dt. von Eva Schweikart. Stuttgart: Thienemann 2022. 249 S. : Ill. ; 17 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-522-18607-0, geb.: 15,00 €

Sieben Märchen mit starken Mädchen und neuer Pointe – mehr menschlich als märchenhaft. Nicht immer mit gutem Ende.  

König und Königin warten auf die Geburt der Prinzessin. Aber keine Prinzessin wird geboren, sondern etwas Riesiges, Haariges mit Klauen und Hörnern. Die Königin weint, der König ist wütend. Die Tante sagt: Ihr müsst es lieben, so wie es ist. Sie erklären sie für verrückt. Sie schicken das Kind – „Belle“ – auf eine Insel, mit einer Gouvernante. Sie soll aus Belle machen, was sie sein muss: eine Prinzessin. Eines Tages, sagen sie, werde ein Prinz kommen, sie küssen, und alles sei gut. Wer glaubt das? Und was geschieht wirklich? – Es sind anspruchsvolle Geschichten, die die Niederländerin Annet Schaap aus Märchenstoffen webt. Offenbar brauchen Mädchen von heute andere Geschichten als die von damals, aber offenbar sind die alten Bausteine ein gutes Material. Wenn Märchenfiguren zu unverwechselbaren Persönlichkeiten werden, gibt es viel zu erleben, Denkwürdiges, Erschreckendes, Mutmachendes. Schaap glaubt wohl: Da muss man durch. Herausgekommen ist eine eindrückliche Lektüre – befremdlich und lebensnah.

Die Verlagsempfehlung „10 bis 16“ sollte besser lauten: ab 12 und ohne Ende.  Zum Selberlesen, Vorlesen und Zusammenlesen.

Signatur: Ju 2 | Ju 3
Schlagworte: Märchen | Neuerzählung | Mädchen | Grimm
Bewertung: +++
Rez: Martina Steinkühler

Rezension des Monats Januar 2023

Barbal, Maria: Die Zeit, die vor uns liegt. Roman. Dt. von Heike Nottebaum. München: Diana 2022. 191 S. ; 21 cm. Aus d. Katalan. ISBN 978-3-453-29265-9, geb.: 22,00 €

Ein Roman über verspätetes Glück.

Elena und Armand begegnen sich bei einem Yogakurs in Barcelona. Beide sind über das Berufsalter hinaus und leben in festgefahrenen Strukturen. Sehr schnell erkennen die beiden, wie sehr sie sich zueinander hingezogen fühlen und welchen Halt sie sich gegenseitig bieten können. Armands Frau ist verstorben, zu seinem erwachsenen Sohn hat er kaum Kontakt. Elena war Lehrerin und hat ihren Beruf sehr geliebt. Sie erzählt wenig über ihren Mann - er ist Schriftsteller -, empfindet nur eine zunehmende Distanz zu ihm und fühlt sich von ihm ungeliebt. Beide, Armand und Elena, sind in ihren Leben bereits verwurzelt, ihre Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Gemeinsam versuchen sie, ihren Panzer abzuwerfen und das Schöne und Gute zu entdecken, das noch vor ihnen liegen könnte. - Ein sehr großartiger kleiner Roman, intim und berührend, über spätes Glück und die Schönheit des Augenblicks.

Eine Bereicherung für jede Bibliothek.

Signatur: SL
Schlagworte: Leben | Liebe
Bewertung: +++
Rez: Cornelia von Forstner

Rezension des Monats Dezember 2022

Weihnachten mit Gisela. Rieke Patwardhan. Ill. von Lena Winkel. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2022. O. Pag. : überw. Ill. ; 31 cm. ISBN 978-3-423-76398-1, geb.: 15,00 €

Wenn Weihnachten ganz anders als gedacht und trotzdem ganz besonders wird.

Mitten in den Weihnachtsvorbereitungen kam ein Brief mit unbekanntem Absender ins Haus geflattert. Papa riss den Umschlag auf und las laut vor. Es ging um eine Weihnachtslotterie, der Hauptgewinn sei ein besonderer Gast der zum heiligen Abend um 15:00 Uhr zu Besuch kommt. Alle fingen an zu rätseln, wer dies wohl sei: ein Prinz, eine Politikerin, ein Filmstar, ich hoffte auf einen Fußballer. Also gab sich jeder von uns große Mühe, damit das Fest ganz besonders wird. Dann war es soweit und es klingelte pünktlich an der Tür. Mama machte auf und da stand sie - Gisela!Rieke Patwardhan erzählt eine Weihnachtsgeschichte in der alles etwas anders ist und überhaupt nicht den Vorstellungen der Protagonisten entspricht, und gerade deshalb ganz besonders wird. Lena Winkel belebt die Geschichte mit ihren bunten Illustrationen und unterstreicht das aufkommende Desaster mit detailreichen Darstellungen. Es gibt viel zu entdecken, zu lachen und regt an, über das Weihnachtsfest miteinander zu erzählen.

Geeignet für Kinder ab 4 Jahren.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Weihnachtsfest | Überaschungsgast | Besonders
Bewertung: +++
Rez: Barbara Hildenbrand

Rezension des Monats November 2022

Slupetzky, Stefan: Nichts als Gutes. Grabreden. Wien: Picus 2021. 158 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-7117-2111-2, geb.: 20,00 €

16 fiktive Grabreden der besonderen Art.

„Grabreden sind eine literarisch vernachlässigte Kurzform des biographischen Erzählens“: Slupetzky widmet sich mit seinem Buch „Nichts als Gutes" dieser Gattung auf besondere Weise, indem er 16 Grabreden für fiktive Personen schreibt. Immer stellt er der Rede ein kurzes Vorwort, eine Einführung, voran, damit man sich besser in die Situation hineinversetzen kann. Über Tote, heißt es, soll man nichts als Gutes sagen. Slupetzkys pointierte und hintergründige Grabreden halten sich nicht an diese Regel. Sie erzählen ebenso viel über die Verstorbenen wie über die Redner selbst und am Ende meint man, diese fiktiven Person zu kennen oder wünscht sich, sie gekannt zu haben. Der Autor erschafft mit außergewöhnlichem Gespür für jede Rede eine entsprechende sprachliche Aura – mal still berührend, mal polternd, mal überraschend, jedoch stets menschlich. Einige Grabreden haben mich schmunzeln lassen, wieder andere haben mich sehr bewegt. Immer jedoch trifft der Autor den „richtigen“ Ton.

Ein wundervoll lebendiges Buch, das zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregt. Sehr empfehlenswert!

Signatur: Bb
Schlagworte: Grabrede | Biografie | Lebensgeschichte | Tod und Leben
Bewertung: +++
Rez: Christine Stockstrom

Rezension des Monats Oktober 2022

Wenn Gott ein Kaninchen wäre ... Martin Baltscheit. Ill. von Susanne Straßer. Freiburg: Herder 2022. O. Pag. : überw. Ill. ; 29 cm. ISBN 978-3-451-71632-4, geb.: 15,00 €

Was wäre, wenn Gott anders wäre als in christlicher Tradition? Vergnüglich spielt das Buch mit Möglichkeiten.

Ein einfacher Text, verrückte Bilder – dahinter steckt ein pfiffiger Gedanke, der Gott ernster nimmt als uns Menschen. Nicht Menschen schaffen Gottesbilder, wie Xenophanes von Kolophon einst lehrte, sondern Gott schafft Menschen nach seinem Bild. So wie es in der Bibel steht!

Ein kleines Mädchen denkt die Gottesbildlichkeit des Menschen und der Welt fantasievoll weiter: von Weihnachten bis Ostern, Erde bis Himmel. Seine Ideen umfassen Sonne und Mond, Elemente, Lebewesen und Lebensmittel. Es endet bei Menschheit und Kindheit. Und sich selbst. Eine verblüffend bibelkonforme Liste und eine Pointe, die ebenso anstößig wie theologisch anschlussfähig ist: Gott wird Mensch – sollte der Mensch nicht gott-ähnlich werden: in der Liebe zu allem, was lebt?

Martin Baltscheit ist nicht bekannt für leichte Kost. Seine Geschichten für Kinder sind stets herausfordernd und mehrfach-adressiert. Das gilt hier in besonderer Weise. Die fröhlichen Illustrationen von Susanne Straßer bauen die Brücke ins Kinderzimmer.

Ein witziges Buch zum Vorlesen und gemeinsamen Betrachten; zum Weiterträumen, Weiterdenken. Besonders geeignet für theologische / philosophische Gespräche mit Kindern in Kita und Schule.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Gottesvorstellungen | Philosophieren mit Kindern | Religiöse Erziehung | Religionsunterricht
Bewertung: +++
Rez: Martina Steinkühler

Rezension des Monats September 2022

Eines Nachts im Paradies. Jürg Schubiger. Ill. von Rotraut Susanne Berner. Wuppertal: Peter Hammer 2022. O. Pag. : überw. Ill. ; 29 cm. ISBN 978-3-7795-0675-1, geb.: 18,00 €

Eine Reise in eine ferne Nacht. In eine Zeit, in der noch alles heil ist und ewig dauert ...

Wie war es wohl im Paradies? Der geneigte Fragende wie Bibelleser wird im Buch der Bücher nicht fündig werden. Ganz anders im traumhaft illustrierten und auch buchbinderisch hervorragend gestalteten Bilderbuch von Jürg Schubinger (Text) und Rotraut Susanne Berner (Illustration). Entstanden ist ein Werk für Genießer, Träumer und Nachdenker. Die filigran entfaltete Geschichte richtet sich gleichermaßen an Kinder wie an Erwachsene und lädt zum gemeinsamen Sprechen und Philosophieren ein. Wie nebenbei werden die „großen Fragen“ des Lebens angesprochen: Was ist der Sinn des Lebens? Was ist meine Aufgabe? Wo fühle ich mich glücklich? Vorurteilsfrei werden wir dabei in den Garten des ersten Menschenpaares eingeladen, in dem naturwissenschaftliche und religiöse Vorstellungen harmonisch verschmelzen. Das muss keinesfalls in Konkurrenz zur Heiligen Schrift stehen. Vielmehr zeigt das besprochene Buch, was (auch) der Sinn solcher mythischen Erzählungen ist: Einen Geschmack für den tieferen Sinn unseres Lebens zu wecken. Heute. Hier und jetzt.

Ein Bilderbuch der existentiellen Fragen von Groß und Klein; ab 4 Jahren.  Jc (Paradies / Märchen / Lebenssinn / Beziehungen) Oliver Georg Hartmann (08.07.2022)Nachts im Paradies

Signatur: Jc
Schlagworte: Paradies | Märchen | Lebenssinn | Beziehungen
Bewertung: +++
Rez: Oliver Georg Hartmann

Rezension des Monats August 2022

Gardam, Jane: Mädchen auf den Felsen. Roman. Dt. von Isabel Bogdan. München: Hanser Berlin 2022. 221 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-446-27228-6, geb.: 22,00 €

Ein Sommer an der englischen Küste in den 1930er Jahren: Das Lüften lang gehüteter Geheimnisse verändert die Familie der jungen Margret.

„God on the rocks", im Original bereits 1978 in England erschienen, ist der Erstling der bekannten britischen Autorin. „God" spielt eine Rolle in diesem Roman voller Sommer, Geheimnisse und Dramatik. Mit dem Blick der 8jährigen Margret erleben wir eine streng religiöse Familie: der Vater, ein kleingläubiger Prediger, die Mutter scheint sich in das enge gesellschaftliche und religiöseKorsett" zu fügen. Umso befreiender für Margret, Ausflüge mit dem neuen so ganz anderen Kindermädchen Lydia unternehmen zu dürfen. Sie entdecken einen (Zauber)Wald, ein Schloss und vieles mehr. Margret sieht mehr und mehr die Scheinheiligkeiten der Erwachsenen und befindet sich zwischen den Welten. Eine Katastrophe bahnt sich an, richtet Gott (Titel) auf den Felsen? Das letzte Romankapitel blickt zurück auf diesen Sommer mit den Augen der mittlerweile 20jährigen Margret. Atmosphärisch dicht geschrieben, feine Zeichnung der Charaktere und großartige Landschaftsbeschreibungen: So hat die Erzählung etwas Märchenhaftes.

Eine Geschichte so verschlungen wie das Leben, unterhaltsam, voller Dramatik und Tragik unter der Oberfläche - ein echter Gardam Roman! Die Geschichte wäre grandios in Szene zu setzen.

Signatur: SL
Schlagworte: Kindheit | Sommer | England | Geheimnis
Bewertung: +++
Rez: Bettina Wolf

Rezension des Monats Juli 2022

Steinkühler, Martina: Die Mädchenbibel. Ill. von Angela Gsalter. Gütersloh: Gütersloher Verl. - Haus 2021. 319 S. : Ill. ; 24 cm. ISBN 978-3-579-06215-0, geb.: 24,00 €

Biblische Geschichten aus der Perspektive von Mädchen und Frauen erzählt.

„Eine Philisterin erzählt“, „eine Kleine erzählt“, „eine, die achtgeben sollte, erzählt“ – in dieser Weise sind die Kapitel der Mädchenbibel überschrieben. Es sind eher die nicht prominenten und weiblichen Personen der Bibel, die hier in den Fokus rücken und von ihren Erlebnissen und Erfahrungen berichten. Martina Steinkühler lässt viele der bekannten biblischen Erzählungen in einer interessanten Auswahl und Zusammenstellung in einem anderen und neuen Licht erscheinen - auf eine sehr persönliche, lebendige, tiefgründige und existentielle Art. Erzählerisch vollzieht sich dies sehr gelungen gestaltet vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebenswelt und der Lebensbezüge des Alten und Neuen Testaments. So werden ein Zugang und ein Bezug auch zu sperrigen und schwierigen Texten möglich. Am Ende der Kapitel werden die Namen der zuvor namenlosen oder weniger namentlich bekannten Erzählerinnen genannt – so treten diese vor und beanspruchen ihren zuvor eher verborgenen Anteil an den Geschehnissen.

Für vielfältige Arbeit mit biblischen Texten und Bibelarbeit ausgesprochen gut geeignet – für Schul- und Gemeindebüchereien eine fundamentale sowie innovative Ergänzung!

Signatur: Jc
Schlagworte: Kinderbibel | Frauen
Bewertung: +++
Rez: Anne Rank

Rezension des Monats Juni 2022

Oksanen, Sofi: Hundepark. Roman. Dt. von Angela Plöger. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2022. 473 S. ; 21 cm. Aus d. Finn. ISBN 978-3-462-00011-5, geb.: 23,00 €

Die schöne und intelligente Ukrainerin Olenka will der Armut ihrer Familie entkommen und entscheidet sich für einen lukrativen und gefährlichen Job in der Reproduktionsmedizin.

„Warum sollte ein schönes Mädchen arm sein?“ – unter dieser Überschrift wird Olenka von einer Organisation angeworben, die Eizellenspenderinnen sucht, mit deren Hilfe wohlhabende Paare aus dem Westen ihr Wunschkind bekommen. Nach einer Eizellenspende steigt sie aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und ihres Verhandlungsgeschicks zur Koordinatorin auf und wirbt fortan junge Frauen an, testet deren Eignung und bringt sie mit ihren Kunden zusammen. Schauplätze dieser atemberaubenden Geschichte sind Tallinn, Kiew, Snischne in der Ostukraine, Oblast Mykolajiw, Odessa, Dnipropetrowsk und Helsinki von der Auflösung der Sowjetunion bis 2016. Der Roman wirft einen schonungslosen Blick nicht nur auf die Protagonistin, die Opfer und Täterin zugleich ist, sondern auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine bis zur Zeit des Maidan. Die Autorin (aus finnisch-estländischer Familie) hat gründlich recherchiert: die Ukraine hat weltweit das liberalste Gesetz zur Regelung der Fortpflanzungsmedizin mit allen Folgen für die mitwirkenden Frauen.

Die Ich-Erzählung fesselt bis zur letzten Seite und spiegelt Gedanken und Gefühle zwischen gnadenlosem Aufstiegswillen und der Sehnsucht nach privatem Glück. Interessant als Hintergrund zur Ukraine in den letzten 30 Jahren. Unbedingt einstellen.

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Signatur: SL
Schlagworte: Fortpflanzungsmedizin | Ukraine | Frau | Eine Welt
Bewertung: +++
Rez: Gabriele Kassenbrock

Rezension des Monats Mai 2022

Fricke, Lucy: Die Diplomatin. Roman. Berlin: Claassen 2022. 253 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-546-10005-2, geb.: 22,00 €

Fred, deutsche Diplomatin und Konsulin um die 50 wird in Istanbul mit den Grenzen der Diplomatie konfrontiert.  

Fricke, bekannt durch den Roman "Töchter" (2018) legt hier ein Buch über Fred, eine hochrangige Diplomatin vor. Stets pflichtbewusst und ehrgeizig belastet der Tod einer jungen Deutschen, den sie nicht verhindern konnte ihre Arbeit in Montevideo. Sie wird nach Istanbul versetzt, will sich auch dort wieder 100%ig einbringen. Fricke, die selbst eine Zeit in Istanbul verbracht hat, u.a. als Stipendiatin in der Villa des deutschen Botschafters, zeigt uns die Schönheit Istanbuls, aber auch die freiheitsbeschränkende, menschenrechtlich schwierige Seite. Immer mehr gerät Fred zwischen die Stühle der Diplomatie, kämpft um Menschen, die um ihr Leben fürchten müssen. Und was will sie selbst eigentlich vom Leben? Zwischen Politkrimi und Romanze liest sich der Roman spannend bis zur letzten Seite. Intelligent komisch, nachdenklich hinterfragt Fred das Diplomatenleben - erzählt von Istanbul, den Menschen und nicht zuletzt sich selbst. Hochaktuell - was kann Diplomatie und was kann sie auch nicht?

Der Roman nach dem Bestseller "Töchter" wird nachgefragt werden. Unterhaltsam und wiederum für eine Verfilmung bestens geeignet. Das Buch entstand unabhängig von der gleichnamigen ARD Serie.

Signatur: SL
Schlagworte: Diplomatie | Istanbul | Frau
Bewertung: +++
Rez: Bettina Wolf

Rezension des Monats April 2022

Kelly, Erin Entrada: Die Nelsons greifen nach den Sternen. Dt. von Beate Schäfer. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2022. 298 S. ; 22 cm. (Reihe Hanser). Aus d. Engl. ISBN 978-3-423-64089-3, geb.: 14,00 €

Das Leben einer Familie in 28 Kapiteln, vom 1. Januar 1986 bis zum 28. Januar 1986. 28 Tage, und der Countdown läuft ...

Drei Handlungsfäden sind es eigentlich, Geschichten von drei Kindern einer Familie: den 12-jährigen Zwillingen Fitch und Bird und dem 13-jährige Cash, von denen jedes gegen seine Ängste und für seine Hoffnungen kämpft, jedes so anders, wie es nur sein kann. Dazu die ewig sich zankenden Eltern, deren Ehe wie die ganze Familie nur durch Birds Anstrengungen wie mit einem festen Band zusammengehalten wird. Der 28. Januar 1986  nähert sich, an dem die amerikanischen Astronauten am 28. Januar mit dem Space Shuttle Challenger starten sollen; zum bessern Verständnis und um die Spannung zu steigern, erhalten auch die Kinder in einem Schulprojekt einen Posten in einem Raumschiff und müssen eine Mission erfüllen … Eine tiefgehende Geschichte, die auch erwachsenen Lesern unter die Haut geht, über das, was Familie ausmacht und sein kann, über Freundschaft und das Tragische im Leben, über Streit und Gefühle, über Wissenschaft und eine Katastrophe weit über das nationale Ausmaß hinaus... Exzellent!

Durch die brillant geschaffene und aufrechterhaltene Spannung umfassend einsetzbar; besonders hilfreich als Lektüre für unsichere Kinder mit Problemen in Familie und Umfeld.

Signatur: Ju 2
Schlagworte: Familie | Freundschaft | Wissenschaft < Raumfahrt
Bewertung: +++
Rez: Astrid van Nahl

Rezension des Monats März 2022

Den Himmel mit Händen fassen. Ein Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern. Hg. von Rudolf Bischof u. Klaus Gasperi. Mit Beiträgen von Martin Buber, Helga Schubert u.a. Innsbruck: Tyrolia 2022. 223 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-7022-4053-0, geb.: 24,95 €

Es ist drin, was draufsteht: Bedenkenswerte Texte als Begleiter durch die Passionszeit, vertraute wie auch überraschende.

Sieben Wochen bis Ostern, das sind sieben Kapitel mit je eigenem Schwerpunkt; hinzu kommen ein Kapitel für Ostern und eines für den Alltag danach. Die Herausgeber, ein Theologe und ein Germanist, beschreiben ihr Projekt als eines, das der Hoffnungslosigkeit wehrt. Es sei „Zeit, dass wir uns dem Himmel öffnen, der uns die Hoffnung der Auferstehung schenkt“, schreiben sie im Vorwort. Der Titel spricht von der Lebenssehnsucht, die ein junges Mädchen im Zwangsarbeitslager so formulierte: „Ich möchte … kämpfen und lieben und hassen und den Himmel mit Händen fassen.“ Jedes Kapitel beginnt mit einer Einführung in den gewählten Schwerpunkt. Es folgen, unkommentiert, kurze Texte verschiedener Autor:innen und der Bibel. Die Einführung gewährleistet, dass sich beim Lesen aus den Facetten ein Gesamtbild zusammensetzt, nicht aus einem Guss, aber stimmig. Das Beiträger-Alphabet reicht von Ilse Aichinger bis Elie Wiesel. „Religare“ heißt, „sich neu verbinden“, und das kann durch dieses Buch gelingen.

Zur eigenen geistlichen Vorbereitung auf Ostern. Das Buch ist auch eine Fundgrube für Gemeindearbeit und Schule mit Texten der Einkehr und Besinnung für das ganze Jahr. 

Signatur: Ce
Schlagworte: Passion | Ostern | Lesebuch | Meditation
Bewertung: +++
Rez: Martina Steinkühler

Rezension des Monats Februar 2022

Evaristo, Bernardine: Mädchen, Frau etc. Roman. Dt. von Tanja Handels. Stuttgart: Tropen 2021. 507 S. ; 22 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-608-50484-2, geb.: 25,00 €

Zwölf Lebensgeschichten afrikanisch-britischer Frauen und Familien, die alle miteinander verwoben sind.

Sie sind Bloggerin, Bäuerin oder Bankerin, aufmüpfig, angepasst oder wütend. Und sie sind lesbisch, trans oder queer: Zwölf Frauen und ihre Familien mit afrikanisch-britischen Biografien: Sie alle kennen sich, laufen sich irgendwann in ihrem Leben über den Weg. Was sie eint: das Ringen um Anerkennung und einen Platz in der Gesellschaft. Dem Episodenroman liegen (vermeintlich) schwere Themen wie Feminismus, Rassismus und die Genderdebatte zugrunde. Evaristo zeigt, wie trotz all politischer (Un)Korrektheit ein kurzweiliges, witziges und warmherziges Werk entstehen kann, das die Lesende kaum aus der Hand legen möchte. Mit Amma, der schwarzen, lesbischen Regisseurin beginnt der 500-Seiten Roman, mit der Premiere ihrer Inszenierung endet er. Schon früh stößt Amma mit ihrer Forderung nach diverseren Rollenbesetzungen bereits auf der Schauspielschule auf taube Ohren. „wie gemacht zur Sklavin, hatte ein Regisseur einmal zu ihr gesagt, als sie kam, um für ein Stück über Sklavenbefreiung vorzusprechen / worauf sie gleich wieder kehrtmachte“. Für ihr Buch wurde Evaristo 2019 als erste schwarze Schriftstellerin mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet. Sehr zu Recht!

Vielseitig einsetzbar: Zum Schmökern ebenso zu empfehlen wie für die Gemeinde- und Bildungsarbeit zu Themen wie Vielfalt, Rassismus und Feminismus.

Signatur: SL
Schlagworte: Feminismus / Rassismus / Afro-britisch / Identität
Bewertung: +++
Rez: Dagmar Paffenholz

Rezension des Monats Januar 2022

Labor Ateliergemeinschaft: Das wird bestimmt ganz toll! Wenn ich groß bin .... Weinheim: Beltz & Gelberg 2021. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-407-75601-5, geb.: 16,00 €

Wie könnte die Zukunft aussehen? Großartige Visionen für Kinder.

Lauter Best-Case-Szenarien. Anstelle einer schnöden Wasserhahnarmatur in der Küche ein Schokoladenhahn! Ein Dino als Haustier! Eine Pistole, deren Munition Liebe ist! Die Frankfurter Laborgemeinschaft bietet Kindern ein vielfältiges Kaleidoskop an Visionen, was man machen könnte oder wie das so ist, wenn sie groß sind bzw. ganz individuell „wenn ich groß bin“. Von „Ich glotze den ganzen Tag aufs Handy“ (soll ja mitunter magische Faszination auf noch nicht Nutzer*innen haben), über „Die Fiesen haben ihren eigenen Planeten“ (wieso, wird das noch nicht praktiziert?) bis zu sauberem Trinkwasser an jedem Ort der Welt („Ich mach mir trotzdem lecker Brausepulver rein!“). Dazwischen auch Platz zum Ankreuzen und/oder Zeichnen möglicher eigener Erfindungen/ Berufe/ Wesensarten. Egal, welche Gedankenspielerei hier präsentiert wird, alle werden in der Gewissheit vermittelt: „Das wird bestimmt ganz toll!“ – so auch der Titel dieses genialen Werks.

Die sieben Illustrator*innen haben das Buch der Stunde vorgelegt. Konzentriert und vielgestaltig in Text und Bild. Mit unaufhaltsamen Klimawandel und nach so langer Coronazeit fällt ein positiver Blick auf die Zukunft schwer. Umso wichtiger, Kinder darin zu bestärken, von ihr zu träumen. Ein Muss!

Wenn Sie dieses Jahr nur ein Buch für die Bücherei/ für Kinder anschaffen könnten, würde ich Ihnen zu diesem raten.

Signatur: Ju 1
Schlagworte: Zukunft | Erwachsensein | Humor | Selbstbild
Bewertung: +++
Rez: Anna Winkler-Benders

Rezension des Monats Dezember 2021

Scheller, Anne: Warum ist Weihnachten nicht jeden Tag? Vorlesegeschichten für neugierige Kinder. Ill. von Lena Heger. - Hamburg : Ellermann, 2021. - 123 S. : Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-7514-0019-0 geb. : EUR 15.00

19 Geschichten beantworten kindgerecht Fragen rund um die Weihnachtszeit.

Warum feiern wir Weihnachten? Sind Adventskränze immer rund? Wer war eigentlich dieser Nikolaus? Warum gibt es zu Weihnachten Geschenke? Wer bringt den Kindern die Geschenke? Gibt es den Weihnachtsmann auf der ganzen Welt? Was passiert beim Krippenspiel und was singen wir in der Weihnachtszeit? Diese und viele weitere Fragen werden in kleinen Geschichten aufgeworfen, diskutiert und - wo möglich - beantwortet. Es macht einen Riesenspaß, diese netten Geschichten zu lesen und vorzulesen und auch als Erwachsene lernt man noch etwas dazu. Die Autorin macht zudem alles richtig: unterhaltsame Geschichten angesiedelt in verschiedensten Familienkonstellationen und sozialen Lebensverhältnisse, Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, Mädchen, die starke Sachen machen und Jungs die Gefühle zeigen - und das Ganze ohne auch nur einen Augenblick aufgesetzt zu wirken. Farbenfrohe Bilder begleiten die Texte stimmungsvoll.

Einfache aber richtig schöne Vorlesegeschichten für Kinder ab ca. 4 Jahren, die Weihnachtsstimmung versprühen, die Vorfreude steigern, Lust aufs Weihnachtsliedersingen und Keksebacken machen und die Kindern ganz nebenbei die Adventszeit und das Weihnachtsfest auch inhaltlich näher bringen.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Weihnachten | Advent | Alltagsfragen
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats November 2021

Hacker, Katharina: Alles, was passieren wird. Frankfurt am Main: Fischer Sauerländer 2021. 253 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-7373-5820-0, geb.: 13,00 €

Iris versinkt in Trauer. Doch die Begegnung mit einer Schimmelstute bringt die Wende und Iris zurück zu ihren Freunden.

Vor einem halben Jahr ist ihre Mutter gestorben. Seitdem schottet Iris sich ab und versinkt in Trauer. Sie spricht mit niemandem über ihre Gefühle und Gedanken, weder mit ihrem Vater noch mit ihrer besten Freundin Lisa. Eines Tages gerät sie in einen Martinsumzug und trifft dort auf die weiße Stute Bellina. Sie hat das Gefühl, durch die Augen des Pferdes ihre Mutter anzuschauen. Dieses Ereignis bringt sie wieder näher zu ihrer besten Freundin und als diese ihr erzählt, dass die beiden - auch von Iris geliebten - Familienhunde ins Tierheim müssen, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Gemeinsam mit einigen neuen Freunden, die sie nach und nach an sich ranlässt, hecken sie einen Plan aus, die Hunde zu retten. - Der erste Jugendroman der Autorin Katharina Hacker erzählt von einem tieftraurigen 14-jährigen Mädchen, das nach dem Tod ihrer Mutter völlig den Halt verloren hat. Kein Pferdebuch, kein Happy End, aber mit der Aussicht, dass Iris innere Wunde zu heilen beginnt.

Ein einfühlsamer Roman, der den Leser in die Gefühle von Iris und in die Geschichte mit hineinnimmt. Ein Buch über Trauer und darüber, wie Freunde helfen können, die Trauer zu überwinden. Nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene sehr lesenswert.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Tod | Trauer | Freundschaft | All Age
Bewertung: +++
Rez: Helena Schäuble

Rezension des Monats Oktober 2021

Lawson, Mary: Im letzten Licht des Herbstes. Roman. Dt. von Sabine Lohmann. München: Heyne 2021. 351 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-453-27357-3, geb.: 22,00 €

Ein Mädchen wartet auf seine Schwester, ein Mann braucht eine Auszeit und eine alte Frau hütet ein Geheimnis.

In der Kleinstadt Solice wird ein junges Mädchen vermisst. Die 8-jährigen Clara wartet jeden Tag am verzweifelt auf ein Zeichen von Rose. Da zieht ins Nachbarhaus ein fremder Mann ein. Das Haus gehört eigentlich Mrs. Orchard, die für kurze Zeit im Krankenhaus liegt und auf deren Kater Clara in der Zwischenzeit aufpassen soll. Was macht dann aber dieser Mann in dem Haus? Liam hat beschlossen, für eine Weile von seinem tristen Berufsleben und einer gescheiterten Ehe eine Auszeit zu nehmen. Zuerst bekommt er nicht mit, dass sich in den Zeiten seiner Abwesenheit ein Mädchen und ein Kater in seinem Haus rumtreiben. Elizabeth liegt sterbend im Krankenhaus und denkt an ihr Leben zurück. Besonders auf eine Zeit, die ihr das größte Glück und zugleich das größte Leid beschert hat. Während Liam und Clara sich vorsichtig anfreunden, lüftet sich nach und nach das Geheimnis um die Geschehnisse vor mehr als 30 Jahren, die Elizabeth Leben grundlegend verändert haben.

Ein wunderbarer Roman von zeitloser Schönheit, zurückhaltend und doch voller Kraft. Familie, Liebe und Schuld sind die großen Themen. Die Geschichte um die verschwundene Rose geben dem Buch zusätzlich Spannung. Für Leser:innen von Celeste Ng, Elizabeth Strout und Anne Tyler. Sehr empfohlen!

Signatur: SL
Schlagworte: Familie | Liebe | Schuld | Kanada
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats September 2021

Bestimmer sein. Wie Elvis die Demokratie erfand. Katja Reider. Ill. von Cornelia Haas. München: Hanser 2021. O. Pag. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-446-26954-5, geb.: 15,00 €

Die Demokratie hält Einzug in den Dschungel.

Im Dschungel wird kräftig darum gestritten, wer im Land künftig der „Bestimmer“ sein sollte. Natürlich fühlt sich sofort der Löwe dazu berufen, doch auch der Elefant und andere Tiere bringen Argumente vor, warum sie dafür die Geeigneteren wären. Da mischt sich ein Erdmännchen namens Elvis ein. Es hat eine findige Idee: Die Tiere sollen Vertreter wählen, die für die nächsten vier Jahre das friedliche Zusammenleben aller dirigieren. „Bestimmer sein“ zeigt, dass auch die vermeintlich Schwachen das Sagen haben können – zumindest in einer Demokratie. Der Autorin Katja Reider gelingt es wunderbar, ein umfassendes Thema kindgerecht und einfach zu vermitteln. Dass die Leser oder Zuhörer dabei auch noch eine Menge Spaß haben dürften, liegt an der humorvoll gereimten Sprache. Passend zum vergnüglichen Text werden die Szenen von prächtigen, farbenfrohen Illustrationen untermalt. Ein großartiges Bilderbuch, das im Superwahljahr genau das Richtige ist.

Ein herrlich witziges und zugleich politisch ambitioniertes Bilderbuch, bei dem schon die Kleinsten die Grundzüge einer Demokratie kennenlernen. Ein Muss für alle Vorschulkinder!

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Demokratie | Tiere | Wahlen | Reimsprache
Bewertung: +++
Rez: Juliane Deinert

Rezension des Monats August 2021

Pavlenko, Marie: Die Welt, von der ich träume. Dt. von Cornelia Panzacchi. Stuttgart: Thienemann 2021. 172 S. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-522-18557-8, geb.: 13,00 €

Utopischer Roman zum Thema Klimawandel.

Samaa, ein 12jähriges Mädchen, lebt mit ihrem Stamm in der Wüste, irgendwann in der Zukunft. Insekten und Vögel existieren nicht mehr, Seen und Bäume sind rar. Die Menschen ernähren sich von Gelwasser, Energieriegeln, Proteinbeuteln und benötigen Sauerstoffflaschen. Um an diese Dinge zu gelangen, machen sich die Männer des Stammes, sog. Jäger, auf lange beschwerliche Märsche, um einen der wenigen verbliebenen Bäume zu finden, zu fällen und zu verkaufen. Dieser Kreislauf scheint alternativlos. Samaa, die davon träumt, ebenfalls Jäger zu werden, schließt sich diesen eines Tages heimlich an. Sie verliert sie jedoch aus den Augen, verirrt sich und stürzt in ein tiefes Loch, eine Doline, in der sich Bäume und Seen in der Wüste verbergen. Dort eingesperrt, wird ihr allmählich bewusst, wie wichtig lebende Bäume, klare Seen, Tiere und Insekten für das menschliche Leben sind. Auf ihrem Rückweg finden und retten die Männer des Stammes Samaa. Werden ihre Erfahrungen ein Umdenken bewirken können?

Ein wichtiges, eindringliches und spannendes Buch, das unter die Haut geht! Kindern ab dem Grundschulalter sehr zu empfehlen! Eine gute Grundlage für Projekte zum Thema Umweltschutz/ Bewahrung der Schöpfung.

Signatur: Ju 2
Schlagworte: Umweltzerstörung | Umweltschutz | Bäume
Bewertung: +++
Rez: Petra Schulte

Rezension des Monats Juli 2021

Janovjak, Pascal: Der Zoo in Rom. Roman. Dt. von Lydia Dimitrow. Basel: Lenos 2021. 270 S. ; 20 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-03925-003-5, geb.: 24,00 €

Eine kurzweilige Zeitreise durch das Italien des 20. Jahrhunderts.

1911 wird der Zoo in Rom eingeweiht, entworfen durch Carl Hagenbeck nach dem Vorbild seines Hamburger Tierparks. Immer am Rande der finanziellen Pleite, dient er zahlreichen Prominenten und Politikern als Projektionsfläche ihrer Inszenierungen. Benito Mussolini lässt sich mit der Löwin Italia ablichten, Salman Rushdie und der Schah von Persien besuchen werbewirksam den Zoo. Doch vor seinem 100. Geburtstag steht er wieder kurz vor der Pleite, soll sogar geschlossen werden. Die neue Kommunikationschefin Giovanna und der Tierarzt Moro setzen ihre Hoffnungen auf Oscar, den letzten Ameisenbären seiner Art weltweit. Tatsächlich nimmt der Rummel um ihn ungeahnte Ausmaße an, bis ein Tierwärter dem Ganzen ein Ende macht. Der Roman spiegelt anhand der Geschichte des Zoos das Verhältnis der Menschen zu den Tieren und verpackt bittere Wahrheiten in leichtfüßige Anekdoten. Die elegante Sprache bereitet zusätzliches Lesevergnügen.   

Sehr gut geeignet für den Italienurlaub, aber auch für Lesekreise.

Signatur: SL
Schlagworte: Zoo | Italien
Bewertung: +++
Rez: Claudia Puschmann

Rezension des Monats Juni 2021

Nam-Joo, Cho: Kim Jiyoung, geboren 1982. Roman. Dt. von Ki-Hyang Lee. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2021. 206 S. ; 20 cm. Aus d. Korean. ISBN 978-3-462-05328-9, geb.: 18,00 €

Kim Jiyoung versucht ihr ganzes Leben einen gleichberechtigten Platz in der südkoreanischen Gesellschaft zu finden.

In Südkorea sind die meisten Frauen berufstätig, doch wie sieht es dort in Bezug auf Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft aus? Der Debütroman erzählt exemplarisch den Lebensweg der 1982 geborenen fiktiven Kim Jiyoung. Schon während ihrer Schulzeit und Studium müssen Mädchen hinter den Jungen zurücktreten und eine adäquate Anstellung als Frau zu finden, ist kaum möglich. Als sie schwanger wird, ist es an ihr, die Arbeit aufzugeben und sich um das Kind zu kümmern. Der Kampf um die eigenen Bedürfnisse in einer Gesellschaft, die Frauen und Männer ungleich behandelt, ist für Kim kaum auszuhalten. Sie benimmt sich plötzlich seltsam! Ein aktuelles Thema, das die Situation der Frauen differenziert beleuchtet und mit Verweis auf Statistiken und Artikeln in Fußnoten belegt. Der nüchtern erzählte Roman löste in Korea eine Gleichstellungsdebatte aus.

Für alle Bestände mit Bedarf an aktueller Frauenliteratur mit Blick über den Tellerrand sehr empfehlenswert.

Signatur: SL
Schlagworte: Frauen | Asien | Südkorea | Gesellschaft
Bewertung: +++
Rez: Birgit Hillmer

Rezension des Monats Mai 2021

Gmehling, Will: Nächste Runde - Die Bukowskis boxen sich durch.  Wuppertal : Peter Hammer, 2020. - 174 S. ; 23 cm. ISBN 978-3-7795-0652-2 geb. : EUR 14.00

Alf lernt boxen, Katinka Französisch und Robbie will Flaschensammler werden.

Bei Familie Bukowski ist immer was los: Alf darf endlich Boxen lernen. Einzige Voraussetzung: Er muss sich in der Schule weiter anstrengen, denn das Lernen fällt ihm schwer. Bevor er das erste Mal in den Ring steigen darf, stehen Stretching, Liegestützen und Seilspringen auf dem Programm. Alf ist mit Feuereifer dabei. Schwester Katinka lernt mindestens so feuereifrig Französisch. Und sie schafft es sogar, ihren Onkel und seine Freundin zu überreden, sie mit auf deren romantischen Paristrip zu nehmen. Der kleine Robbie hat ganz andere Träume: Er möchte Flaschensammler werden. Findet Mama nicht so gut, aber Robbie ist hartnäckig und es wird ein Deal geschlossen. Dann droht Mama ihren Job in der Bahnhofsbäckerei zu verlieren, der alte Nachbar stirbt, Alf kommt der bezaubernden Johanna ein gutes Stück näher und Thorben, der Ausländer nicht leiden kann, lässt sich im multikulturellen Boxclub blicken. So viele Lebensthemen wunderbar lesbar und spannend in einem Kinderbuch zu vereinen, gelingt nur sehr wenigen Autor*innen, Will Gmehling nimmt es locker mit einem Guus Kuijer auf. Das hier ist richtig gute Kinderliteratur.

Klare Kaufempfehlung für den Kinderbuchbestand

Signatur: Ju 2
Schlagworte: Familie | Liebe | Miteinander | Boxen
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats April 2021

Charafeddine, Chaza: Beirut für wilde Mädchen. Dt. von Günther Orth. Mit einem Nachwort von Stefan Weidner. Bad Herrenalb: Ed. Converso 2021. 155 S. ; 22 cm. Aus d. Arab. ISBN 978-3-9822252-0-3, kt.: 18,00 €

Literarische Autobiografie der bekannten libanesischen Autorin.

Die wilde, fantasievolle Chaza ist „nur-als-Mädchen-geboren". Aufgewachsen in Beirut erzählt sie hinreißend von ihren Erfahrungen in der Familie und in der Nonnenschule, die sie wie viele muslimische Kinder aus guter Familie besucht. Es ist vergnüglich zu lesen, wie ein christlicher Gottesdienst auf jemand völlig außenstehenden wirkt!  Mit ihrer genauen Beobachtungsgabe beschreibt sie die gesellschaftlichen Veränderungen im Libanon in den siebziger und achtziger Jahren. Nie wird sie herabwürdigend, doch Rollenzwänge werden gekonnt infrage gestellt. Diese Sicht eines rebellischen Mädchens verliert sie ihr ganzes Leben lang nicht. Ihre Beschreibungen der schweizer und deutschen Eigentümlichkeiten - sie geht zur Ausbildung nach Europa, um dem Bürgerkrieg zu entfliehen - sind feinfühlig und treffend. Ein Lesegenuss! Ausführliche Hintergrundinformationen zur politischen Entwicklung des Libanon sind hilfreich, um die Erzählungen einzuordnen.

Für Literaturkreise und alle Menschen, die gerne über den Tellerrand gucken und am Leben von Frauen in anderen Kulturen interessiert sind.

Signatur: Bb
Schlagworte: Libanon | Frauen | Gesellschaftliche Veränderungen
Bewertung: +++
Rez: Regina Riepe

Rezension des Monats März 2021

Köller, Kathrin: Stark. Rebellinnen von heute. Ill. von Anusch Thielbeer. Stuttgart: Gabriel 2020. 107 S. : Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-522-30553-2, geb.: 15,00 €

12 Porträts von ganz gewöhnlich außergewöhnlichen Mädchen und jungen Frauen.

In liebevoller Art und Weise werden in diesem Buch Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 20 Jahren in Text und Bild porträtiert. Sie sind nicht berühmt. Eigentlich sind sie ganz normal und doch ganz besonders. Keine von ihnen will in eine Schublade gesteckt werden. Sie engagieren sich gegen Rassismus oder für Geflüchtete. Sie teilen mit uns ihre Lebensweisheiten, erzählen von den Hindernissen, die sie zu überwinden haben und denken über sich und die Zukunft unserer Welt nach.Die Texte sind eine gute Mischung aus Beschreibung und Interview und lassen die Porträtierten authentisch zu Wort kommen. Besonders schön sind die Zeichnungen. Sie sind zart und intensiv zugleich und bringen uns den Rebellinnen noch ein Stück näher. Das Buch ist inspirierend, macht Mut, zu sich selbst zu stehen und sich nicht unterkriegen zu lassen.

Ein schönes Geschenk zur Konfirmation.

Signatur: Jb
Schlagworte: Frauenpower | starke Mädchen | Biografien | Mut
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Richter

Rezension des Monats Februar 2021

0Smith, Sydney: Unsichtbar in der großen Stadt. Dt. von Bernadette Ott. Stuttgart: Aladin 2020. O. Pag. : überw. Ill. ; 29 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-8489-0176-0, geb.: 18,00 €

Ein Streifzug durch die winterliche Stadt.

Das Buch erzählt die Geschichte einer kleinen Person, die im Bus durch die winterliche Stadt fährt. Irgendwann steigt sie aus und geht routiniert ihren Weg durch das Stadtgetümmel. Ab hier werden nun die Zeichnungen von den Gedanken der Figur, gerichtet an ein noch unbekanntes Du, begleitet. Als Betrachter fragt man sich aber, wer denn eigentlich wissen muss, wie man sich z. B. in der Stadt am besten zurecht findet, wo es böse Hunde, aber auch gute Verstecke gibt? Des Rätsels Lösung kommt im letzten Viertel des Buches und der Leser erfährt, was die kleine Person auf ihrem Weg so beschäftigt und an wen sich all ihre Gedanken richten. Dieses berührende Buch mit gutem Ausgang ist das erste von Sydney Smith, zu dem er auch den Text geschrieben hat. Dieser ist knapp gehalten und gibt die Gedanken der Person in Schrift wieder. Die unterschiedlich großen Illustrationen sind klar und lebendig, wobei die Farbe schwarz dominiert und die besorgte Stimmung des Protagonisten gut vermittelt.

Betörend schönes und fesselndes Bilderbuch mit einer genderneutralen Hauptfigur, mit der sich jeder identifizieren kann. Das Buch eignet sich für Kinder ab 4 Jahren. Es bietet die Möglichkeit, mit Kindern über die Geschichte ins Gespräch zu kommen und selbst Erlebtes zu erzählen.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Vertrauen | Zuversicht | genderneutral | Gefühle
Bewertung: +++
Rez: Barbara Hildenbrand

Rezension des Monats Januar 2021

Göpel, Maja: Unsere Welt neu denken. Eine Einladung. Berlin: Ullstein 2020. 206 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-550-20079-3, geb.: 17,99 €

Ein erfrischend handlungsorientierter Blick auf die Grenzen des Wachstums, die Klimakrise und die Verteilungskämpfe.

Maja Göpel, Jahrgang 1976, hat sich als Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin durch die gesamte Fachliteratur von Adam Smith bis Thomas Piketty gearbeitet, die Krisenberichte vom Club of Rome seit den frühen 1970er Jahren studiert und ist in vielen politischen und wissenschaftlichen Gremien zur Zukunftssicherung engagiert. Nun hat sie ihr Fachwissen und ihre Erkenntnisse zur absoluten Notwendigkeit des Stopps bei der Plünderung unseres Planeten in einem sehr gut zu lesenden, großen Essay zusammengefasst. Mit aller Dringlichkeit stellt sie ein Modell des nachhaltigen Wirtschaftens vor, in dem nicht ein selbstbezogenes Wachstum, sondern ein verantwortlicher Umgang mit den begrenzten Ressourcen der Erde im Mittelpunkt steht. Natürlich geht es nicht ganz ohne Exkurse in die Theorie der Wirtschaft, Ökologie und Politik, aber ihre Art der Darstellung und ihre Beispiele sind immer wieder so packend und plastisch, dass die unmittelbare Einsichtigkeit nicht verloren geht.

Ein erzählendes Sachbuch, das zum Handeln „verführen“ will. Gleichzeitig ein Appell, gerade nach der Corona-Krise nicht so weiterzumachen wie bisher. 

Signatur: Se
Schlagworte: Nachhaltigkeit | Generationen | Religion | Literaturgeschichte
Bewertung: +++
Rez: Rüdiger Sareika

Rezension des Monats Dezember 2020

Göttert, Karl-Heinz: Weihnachten - Biographie eines Festes. Ditzingen: Reclam 2020. 252 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-15-011306-6, geb.: 25,00 €

Ein biographischer Spaziergang durch die Kirchengeschichte mit dem Fokus auf die Entwicklung des Weihnachtsfestes bis heute.

In verzierter Weise wandelt der Autor durch die biblischen Texte und die Kirchengeschichte mit dem gezielten Blick auf die Entwicklung von Weihnachten. Er vergleicht die Befunde, stellt deren Eigenarten und Unterschiede heraus. Von dort aus spezifiziert er, wie sich die Theologie des Weihnachtsfestes durch die Jahrhunderte der Kirche entwickelt hat. Dabei erfahren die Leser*innen, wie sich Weihnachten von einem „Randfest“ zum zentralen christlichen Familienfest entwickelt hat, dass in seiner volkstümlichen Bedeutung das Osterfest längst überholt hat.Diese Wandlung hat Weihnachten im Wesentlichen der theologischen Deutungen durch die Reformation zu verdanken. Hier wurde der „Geschenkcharakter“ der Weihnacht stark hervorgehoben. Im Anschluss daran entwickelte sich daraus ein Fest der Geschenke, das seinen wirtschaftlichen Wert heute in einer ungemeinen  Kommerzialisierung gefunden hat.

Ein interessantes und sehr aufschlussreiches Buch, in dem das Wesen des Weihnachtsfestes ausführlich entwickelt wird.Bitte anschaffen!

Signatur: Ch 1
Schlagworte: Weihnachten | Theologie | Reformation | Konsum
Bewertung: +++
Rez: Dirk Purz

Rezension des Monats November 2020

Schroeter-Rupieper, Mechthild: Für immer anders. Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds. Vollst. überarb. Neuausg. Ostfildern: Patmos 2020. 165 S. : Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-8436-1267-8, geb.: 25,00 €

Ein Handbuch mit Anregungen zu einem gelungenen Umgang mit Verlust, Sterben, Tod und Trauer.

Die Autorin Mechthild Schroeter-Rupieper hat basierend auf ihrer langjährigen Arbeit als Familientrauerbegleiterin ein umfassendes Handbuch zu Abschied, Verlust, Sterben, Tod und Trauer geschrieben, das nun in einer überarbeiteten Neuausgabe erschienen ist. Zur Einführung betont sie, wie wichtig es ist, aufrichtig und behutsam schon mit kleinen Kindern über den Tod zu reden. Es folgen Hinweise zur Todesvorstellung in den verschiedenen Altersstufen, jeweils ergänzt durch unterstützende Anregungen. Hilfreich für die Begleitung bei verschiedenen Traueranlässen, zu denen auch Scheidung gezählt wird, sind die Darstellungen möglicher Trauerreaktionen und die umfassende Bearbeitung von wichtigen und häufigen Fragen um Sterben und Tod. Die Autorin gibt praktische Anregungen für das Lebendigerhalten der Erinnerung an Verstorbene und auch für den Umgang mit Veränderungen in der Familie nach einem Verlust. Hilfreich ist schließlich auch die Zusammenstellung von Literatur und von Filmen.

Ein sehr empfehlenswertes Handbuch für jeden, der Kinder und Jugendliche bei Abschied, Verlust, Sterben und Tod begleiten möchte.

Signatur: Fd
Schlagworte: Todesvorstellungen | Traueranlässe | Trauer | Weiterleben
Bewertung: +++
Rez: Barbara Cramer

Rezension des Monats Oktober 2020

Stratton, Allan: Zoe, Grace und der Weg zurück nach Hause. Dt. von Manuela Knetsch. München: Hanser 2020. 253 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-446-26820-3, geb.: 16,00 €

Zoe versucht, ihre demente Großmutter vor dem Heim zu bewahren.

Zoe liebt ihre Granny über alles und bemüht sich nach Kräften, ihre zunehmende „Tüddeligkeit" zu vertuschen. Aber es nützt nichts. Ihre Eltern sorgen dafür, dass Granny in ein Heim kommt. Oma und Enkelin sind todunglücklich. Als Zoe auch noch fürchten muss, die Mobbingattacken ihrer Cousine nicht länger zu überleben und sie bei ihren Eltern auf taube Ohren stößt, beschließt sie, ihre Oma aus dem Heim zu befreien und sich mit ihr auf die Suche nach Grannys legendärem Sohn Teddy zu begeben, um den die ganze Familie ein Riesengeheimnis macht und der im nicht allzu weit entfernten Toronto leben soll. Dort angekommen geht alles schief. Teddys alte Adresse stimmt nicht mehr, Grannys Zustand verschlechtert sich und das Geld wird knapp. Aber Zoe gibt nicht auf und endlich steht sie vor Teddy. Der allerdings lebt inzwischen als Frau und hat nicht vor, in den Schoß der Familie zurückzukehren. Doch dann siegt die Liebe, und gemeinsam finden sie die beste Lösung für Granny und die ganze Familie.

Ein brillant geschriebenes Buch des kanadischen Autors, das die Themen Demenz und Transgender mit großer Menschlichkeit und Offenheit behandelt und das für Jugendliche ab 13 J. und für Erwachsene äußerst empfehlenswert ist. 

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Demenz | Transgender | Familie
Bewertung: +++
Rez: Elisabeth Schmitz

Rezension des Monats September 2020

Eleonore Büning_Sprechen wir über Beethoven

Büning, Eleonore: Sprechen wir über Beethoven. Ein Musikverführer. 2. Aufl. Salzburg: Benevento 2018. 351 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-7109-0050-1, geb.: 24,00 €

Streifzüge durch Leben und Werk Ludwig van Beethovens - unternommen von der Musikkritikerin Eleonore Büning.

Büning, bekannte Musikkritikerin und begnadete Erzählerin legt ein vielschichtiges Musiker-Porträt vor. In 26 Kapiteln lässt sie Beethoven in seiner Zeit sowie die Rezeption seines Werkes bis heute lebendig werden. Die Einordnung in Kultur-, politische und gesellschaftliche Geschichte gelingt mühelos und macht Lust weiterzulesen. Was ist dran an dem Beethovenmythos? Wer war er, wie hat er gelebt, welche Vorbilder hatte er und was macht ihn so neu und anders. Besonders die Rezeptionsgeschichte ist spannend und vielschichtig. Dem Band liegt eine 2015 ausgestrahlte 26teilige Sendereihe im rbb zugrunde. Im Vergleich zur Sendereihe fehlt dem Buch zwar die Musik - aber Büning gibt Hinweise auf Aufführungen, auf YouTube Mitschnitte u.a. mehr. Erschienen im 250. Geburtsjahr Beethovens, in dem nun so viele Veranstaltungen ausfallen müssen, ist dies Buch vielleicht auch ein kleiner Seelentrost. In jedem Fall eine erfrischende unterhaltsame (Bildungs)lektüre. Mit Werkregister versehen.

Für alle klassischen Musikliebhaber. Aber auch für alle, die sich für Werden und Wirkung eines Genies in seiner Zeit und darüber hinaus begeistern lassen.

Signatur: Bb | Mb
Schlagworte: Beethoven | Musik | Geschichte
Bewertung: +++
Rez: Bettina Wolf

Rezension des Monats August 2020

Read, Kate: Ein Fuchs - 100 Hühner. Der Bilderbuch-Thriller zum Mitzählen. Dt. von Tatjana Kröll. München: Knesebeck 2020. O. Pag. : überw. Ill. ; 26 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-95728-384-9, geb.: 13,00 €

Ein hungriger Fuchs auf der Jagd nach drei Hühnern.

1 hungriger Fuchs, 2 listige Augen, 3 dicke Hühner … man ahnt schon, dass dieses Buch spannend werden wird. Natürlich werden alle Hühner überleben aber wie und warum, das sei hier nicht verraten. Nur so viel: Solidarität ist eine Waffe!Von vorne bis hinten ein schönes und originelles Buch. Es animiert nicht nur auf jeder Seite zum Mitzählen und Mitmachen, sondern sorgt auch für eine gehörige Portion Spannung und einen dicken Lacher am Ende. Die Bilder erinnern mit ihrer Collagetechnik an Eric Carle und werden nicht nur Kinder beeindrucken und fesseln. Adjektive auf fast jeder Seite erweitern zusätzlich den Wortschatz und bieten sich als Ausgangspunkt für Wortspiele (z. B. „Ich habe ein leckeres Butterbrot, zwei lustige Bücher, drei ...) an.

Ein großartiges Buch, das Kinder sicher mehr als einmal werden anschauen wollen und das definitiv die Anschaffung wert ist. Bei einer Veranstaltung ließe sich nach dem Vorlesen ein eigener Zählkrimi entwickeln. Dazu als Anregung ein paar Figuren (bei älteren Kindern auch Wörter) in die Mitte stellen/legen und dann kann es losgehen!

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Zahlen | Spannung
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Juli 2020

Halasa, Malu: Mutter aller Schweine. Roman. Dt. von Sabine Wolf. Zürich: Elster 2020. 347 S. ; 23 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-906903-14-9, geb.: 24,00 €

Kuriose Familiengeschichte aus Jordanien, einer Gegend, wo die Kulturen und die Zeiten aufeinanderprallen.

Der Stammbaum der christlich-jordanischen Familie Sabas ist umfangreich und kompliziert. Im Zentrum steht Hussein, seines Zeichens Metzger, der als einziger Schweineschlachter der Levante sehr zum Missfallen seiner muslimischen Nachbarschaft seinem blutigen Geschäft nachgeht. Die Geschäftsidee hatte sein verschlagener Onkel Abu Satar. Das war es aber auch schon mit den wichtigen Männerfiguren.Seine Frau Laila ordnet sich unter und verzichtet auf ihre Träume. Dann ist da Fahdma, Husseins Stiefmutter, die auf die Unterstützung Husseins angewiesen ist. Dazu kommt seine Halbschwester Samira, die sich syrischen Aktivisten angeschlossen hat, und Muna, seine Nichte aus den USA. Die Autorin beobachtet sehr präzise die sichtbaren und unsichtbaren Beziehungen innerhalb der Familie, besonders die Möglichkeiten und Grenzen der Frauen in der jordanischen Gesellschaft. Sie erzählt sehr kenntnisreich und einfühlsam, und sie weiß, wie ein wahrhaft arabischer Schinken schmecken muss.

Kann einen guten Platz in der Bücherei finden, bietet aber auch genug Gesprächsstoff für Literaturkreise.

Signatur: SL
Schlagworte: Familie | Jordanien | Frauen | Naher Osten
Bewertung: +++
Rez: Volker Dettmar

Rezension des Monats Juni 2020

Love, Jessica: Julian ist eine Meerjungfrau. Dt. von Tatjana Kröll. München: Knesebeck 2020. O. Pag. : überw. Ill. ; 24 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-95728-364-1, geb.: 13,00 €

Julian liebt Meerjungfrauen. Mit Hilfe von Omas Wohnzimmerausstattung verwandelt er sich in eine.

Julian liebt Meerjungfrauen! Am liebsten wäre er selbst eine – mit langem Wallehaar und einer lila Fischflosse. Oder besser: Eigentlich IST Julian eine Meerjungfrau. Nur das Äußere passt noch nicht ganz zum Inneren. In Omas Wohnzimmer ändert der Junge das: Aus Farn und Blumen entsteht ein beeindruckender Kopfschmuck, die Gardine wird zum Fischschwanz und der rote Lippenstift der Oma macht die Verwandlung perfekt. Fast zumindest: Denn als Oma reinkommt und ihn sieht, schaut sie kritisch und verschwindet gleich wieder. Gefällt ihr Julian Meerjungfrau nicht? Banges Warten. Doch kurz darauf kommt sie mit einer Perlenkette wieder, die sein Outfit komplettiert. Und dann gehen die beiden zu einer Meerjungfrauenparade, die in einem ausgelassenen Zug zum Meer führt.

Diese Parade gibt es wirklich, einmal jährlich in New York. Doch ob man das weiß oder nicht ändert nichts an der wunderbaren Aussage des Buches. Julian darf sein, wer er möchte und wird gesehen. Von seiner Oma und durch die Parade auch vom Rest der Welt.  Die großartigen Bilder lassen sich wieder und wieder bestaunen.

Überall gibt es Kinder, für die dieses Buch ein Meilenstein sein kann auf dem Weg zu sich selbst. Vor allem für diese sollte es bereitstehen.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Diversität | Gender | Toleranz | Selbstwahrnehmung
Bewertung: +++
Rez: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Mai 2020

Geldof, Wilma: Reden ist Verrat. Nach der wahren Geschichte der Freddie Oversteegen. Dt. von Verena Kiefer. Hildesheim: Gerstenberg 2020. 343 S. ; 22 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-8369-6045-8, geb.: 18,00 €

Die 14jährige Freddie schließt sich in den Kriegsjahren 1940 bis 1945 einer niederländischen Widerstandsgruppe an.

Freddie ist etwa 14 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg auch das Königreich der Niederlande erreicht. Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Truus schließt sie sich einer Widerstandszelle an. Ihr Beitrag im Kampf gegen die deutschen Besatzer fängt klein an. Doch bald soll sie einen von ihnen verführen und in den Park locken, wo die anderen den Rest übernehmen. Ein Schlüsselerlebnis, welches noch lange Zeit Freddies Gefühlswelt auf den Kopf stellen soll. Und als sie dann eine eigene Waffe erhält, gibt es kein Zurück mehr. Aktionen, Entbehrungen und Verluste prägen die Jahre der Besatzung. Auch ein Verrat mit schwerwiegenden Folgen gehört zu den Dingen, die nicht mehr ungeschehen gemacht werden können. Die Autorin lehnt ihren Roman an die wahre Geschichte der Freddie Oversteegen an, der aus politischen Gründen eine Ehrung ihrer Verdienste im Kampf gegen den Nationalsozialismus erst rund 70 Jahre nach Kriegsende zuteil wurde. Aus dem niederländischen von Verena Kiefer.

Vor dem Hintergrund des 75. Jahresstages des Endes des 2. Weltkrieges ein sehr empfehlenswerter, ergreifender Roman für Jugendliche ab 14 Jahren. Fünf Jahre aus dem Leben eines jungen Mädchens im Widerstand.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: 2. Weltkrieg | Niederlande | Widerstand | Geschichte
Bewertung: +++
Rez.: Brigitte Elstner-Steinbach

Rezension des Monats April 2020

Butler, Nickolas: Ein wenig Glaube. Roman. Dt. von Dorothee Merkel. Stuttgart: Klett-Cotta 2020. 381 S. ; 21 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-608-96434-9, kt.: 17,00 €

Ein Roman über die Kraft, die Macht und die Gefahr des Glaubens.

Lyle Hovde lebt mit seiner Frau Peg im ländlichen Wisconsin. Seit Jahrzehnten besucht er die kleine Gemeindekirche und ist befreundet mit dem Pfarrer. Seit dem Tod seines 9 Monate alten Sohnes vor vielen Jahren, hadert Lyle mit Gott – doch erst, als seine Tochter Shiloh mit ihrem kleinen Sohn Isaac zurück zu den Eltern zieht, muss er sich ernsthaft mit seinen Glaubenszweifeln auseinandersetzen. Shiloh hat sich einer sektenähnlichen Gemeinschaft angeschlossen, deren Pastor behauptet, Isaac wäre ein Heiler. Mit seinen Fähigkeiten könne er auch Lyles Freund Hoot heilen, der sich im Endstadium einer Krebserkrankung befindet – allerdings nur, wenn alle mitziehen und ihre gesamte Glaubenskraft mobilisieren. Kann Lyle daran glauben, dass Gott seinem Enkel mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet hat? Kann der Gebetskreis Hoot helfen, selbst wenn Isaac kein Heiler ist? Was kann Glaube bewirken, welche Macht kann er entfalten? Besondere Spannung erhält dieser Plot durch kleine Gedanken-Einsprengsel von Isaac, der in sich eine besondere Kraft wahrzunehmen meint.

Ein schmerzhafter, anregender und zugleich wunderschön erzählter Familien- und Freundschaftsroman, der sich mit dem Thema Glaube in Zeiten von Krisen auseinandersetzt und wichtige Gesprächsimpulse gibt. Unbedingt für Lesekreise empfohlen!

Signatur: SL
Schlagworte: Glaube | Religion | Familie | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats März 2020

Bogdan, Isabel: Laufen. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2019. 199 S. ; 20 cm. ISBN 978-3-462-05349-4, geb.: 20,00 €

Mit Hilfe des Laufens verarbeitet die Ich-Erzählerin einen schweren Verlust.

Ein Gedankenstrom erwartet die Leser*innen in diesem schmalen Buch. Die Ich-Erzählerin hat einen schweren Verlust erlitten und kommt nur langsam wieder auf die Beine. Im wahrsten Sinne des Wortes: Das Laufen wird zu ihrer zweiten Therapie, bringt sie körperlich und geistig in Bewegung. Während sie anfangs noch versucht, den Gedanken davonzulaufen, lässt sie sie mit zunehmender Routine einfach strömen. So erfahren wir vom Suizid ihres Partners, wie sie, ihre Freunde und Verwandten mit dem Verlust umgehen, was ihr guttut, was sie quält, was ihre Therapeutin ihr mit auf den Weg gibt. Wir werden Zeug*innen der Entwicklung, die sie durchmacht, wie sie sich allmählich traut, sich wieder dem Leben zu öffnen, sich den Wunsch nach körperlicher Nähe zu erlauben und nicht immerzu von der Frage „Warum habe ich es nicht bemerkt?“ dominiert zu werden.

„Laufen“ ist ein Trauer- und ein Trostbuch, eine Ermutigung und bei aller Schwere des Themas auch ein Buch, das Lust aufs Leben und das Laufen macht. Ganz anders als ihr erster Roman „Der Pfau“ aber nicht weniger beeindruckend. Für mich eines der besten Bücher des Jahres.

Signatur: SL
Schlagworte: Laufen | Trauer | Neuanfang
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Februar 2020

Otto, Anne: Woher kommt der Hass? Die psychologischen Ursachen von Rechtsruck und Rassismus. Gütersloh: Gütersloher Verl. - Haus 2019. 270 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-579-01486-9, geb.: 22,00 €

Warum wählen so viele Menschen rechts? Was geht in den Leuten vor, wenn sie ausländerfeindliche Reden schwingen?

Diesen und weiteren Fragen geht die Diplom-Psychologin Anne Otto nach und beleuchtet verschiedene psychische Mechanismen, die an der Entstehung von Rassismus beteiligt sein können. Das sind beispielsweise autoritäre Strukturen in Familien oder unserem Wirtschaftssystem aber auch die Taschenspielertricks von Populist*innen. Im letzten Teil ihres Buches versucht die Autorin Tipps zu geben, wie menschenverachtenden Gesinnungen begegnet werden kann. Das Thema wird sachlich und präzise dargestellt, ohne irgendetwas zu beschönigen. Die Zusammenfassungen nach jedem Kapitel erleichtern das Verständnis, wirken aber auch etwas redundant. Mit aktuellen Beispielen aus der Politik oder von zivilgesellschaftlichen Initiativen ruft Anne Otto immer wieder dazu auf, der Spaltung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Sie wirbt um Verständnis für das irrationale Verhalten von Menschen und bringt die Leser*innen dazu, auch ihr eigenes Verhalten, Denken und Fühlen zu reflektieren.

Das Buch ist ein guter Gedankenanstoß für alle politisch interessierten Menschen, die bereit sind, ihre Vorurteile kritisch zu hinterfragen.

Signatur: Sb
Schlagworte: Rechtspopulismus | Psychologie | Zivilcourage | Ratgeber
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Richter

Rezension des Monats Januar 2020

Wenzel, Brendan: Der stille Stein. Dt. von Thomas Bodmer. Zürich: Nord-Süd Verl. 2019. O. Pag. : überw. Ill. ; 24 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-314-10501-2, geb.: 16,00 €

Ein Buch, das zum Perspektivwechsel einlädt.

Wie auch in „Alle sehen eine Katze“ geht es in diesem Bilderbuch um Perspektiven und Wahrnehmungen. „Ein Stein lag still / mit Wasser, Gras und Dreck, /und er war, wie er war,/ wo er war in der Welt“. Von Seite zu Seite trifft ein anderes Tier auf diesen Stein. Je nach Größe, Eigenschaft des Tieres, Tages- oder Jahreszeit wird dabei der Stein laut oder leise, hell oder dunkel, als Anhaltspunkt oder Irrgarten wahrgenommen. Kriecht z. B. eine Schnecke über ihn, ist er rau und endlos lang, für ein Stacheltier hingegen fühlt er sich glatt und überwindbar an. Wer sehr aufmerksam schaut wird merken, dass im Verlauf des Buches immer mehr Wasser auftaucht. Es rückt näher, steigt höher, bis es den Stein überspült. Während er nun oben auf der Erde nicht mehr zu sehen ist („und der Stein war vergangen“), existiert er unter Wasser fort und das Gedankenspiel kann hier weitergehen.

Ein beeindruckendes Buch das zeigt, wie viel im Kleinen und meist Unbeachteten steckt, was ein Stein für andere Lebewesen alles sein und bedeuten kann (eine Zuflucht, ein Heim, ein Hindernis …), das einlädt zum Gespräch über Wahrnehmung und Perspektive, den Wandel der Zeiten und der Natur. Schon durch die poetisch anmutende Sprache wird das Buch Kinder ab 3 J. ansprechen. 

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Perspektive | Natur | Philosophieren
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Dezember 2019

Sternenbote. Eine Weihnachtsgeschichte. Reinhard Ehgartner. Ill. von Linda Wolfsgruber. Innsbruck: Tyrolia 2019. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-7022-3798-1, geb.: 16,95 €

Eine Einladung zum Nachdenken über die Faszination der Sterne und die Bedeutung des Sterns von Betlehem.

Seit uralten Zeiten haben Menschen in der Nacht in den Sternenhimmel geschaut, waren sie fasziniert von seiner Schönheit und zugleich verstört von seiner unendlichen Weite. Sie haben versucht, den Lauf der Gestirne zu erforschen und sich durch Himmelserscheinungen in ihrem religiösen Denken anregen lassen. Kein Wunder, dass auch in der Bibel der Stern von Bethlehem eine ganz besondere Rolle spielt. In seiner in einer wunderbar kindgerechten Sprache verfassten Geschichte nimmt R. Ehgartner den Leser hinein in das Erleben der Weihnachtszeit durch den kindlichen Ich-Erzähler, einem begeisterten Sternengucker. Die Erzählung verknüpft Sternenkunde, Alltagserlebnisse, Rituale der Weihnachtszeit mit der Weihnachtsbotschaft und zeigt, dass wissenschaftlicher Forschungsdrang und religiöses Nachdenken sich nicht entgegenstehen müssen. L. Wolfsgrubers Illustrationen machen das Buch zu einem Kunstwerk, das die Weihnachtsbotschaft auf ganz andere, sehr tiefsinnige Weise erschließt.

Ein traumhaft schönes Weihnachtsbuch für alle Sternengucker ab 5 J. und für alle, die gerne gemeinsam mit Kindern über Gott und die Welt nachdenken möchten.

Signatur: Jc
Schlagworte: Weihnachten | Sternenhimmel | Weihnachtsgeschichte
Bewertung: +++
Rez.: Erhard Reschke-Rank

Rezension des Monats November 2019

Schneider, Anne u. Nikolaus: Vom Leben und Sterben. Ein Ehepaar diskutiert über Sterbehilfe, Tod und Ewigkeit. Im Gespräch mit Wolfgang Thielmann. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl. 2019. 153 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-7615-6533-9, geb.: 14,99 €

Ehepaar Schneider im Gespräch mit W. Thielmann über Glauben, über assistierten Suizid und das Leben.

Die Theologen Nikolaus und Anne S. sind nicht einer Meinung über die Frage des assistierten Suizids. Respektvoll und engagiert zeigen sie die Widersprüchlichkeit der Argumentationen und das Spannungsgefüge zwischen individueller und ethisch-rechtlicher Entscheidung auf. Auf dem Hintergrund ihrer sehr aggressiven Brustkrebserkrankung vor vier Jahren und dem Tod der Tochter Meike durch Leukämie vor 14 Jahren bekommen ihre Thesen, Sichtweisen und theologischen Deutungen eine sehr persönliche Note und laden ein, den eigenen Standpunkt zu be- und überdenken. „Die vertrauensvollen und widersprüchlichen Gedanken dieses Buches sollen zum Einordnen, Akzeptieren und Umgehen mit den großen Lebensthemen Sterben und Tod dienen.“ Ihr Fazit: „Gutes Leben und gutes Sterben brauchen vertrauensvolle Beziehungen, Bejahung von Vielfalt und Vielstimmigkeit sowie den Mut zu Widerspruch“. Ein sehr gelungener Diskurs über die Grenzen und die Freiheit eines Christenmenschen zu einem gesellschaftspolitischen Thema!

Hervorragend geeignet für Veranstaltungsarbeit zu Glaube und Lebensende, Assistierter Suizid und Sterbebegleitung.

Signatur: Pa 3 | Ce
Schlagworte: assistierter Suizid | Sterbehilfe | Sterben | Tod
Bewertung: +++
Rez.: Christine Stockstrom

Rezension des Monats Oktober 2019

Die Geschichte der Bibel und die Erfindung des Monotheismus. Hg. von David Vandermeulen. Text von Thomas Römer. Ill. von Léonie Bischoff. Berlin: Jacoby & Stuart 2019. 74 S. : überw. Ill. ; 22 cm. (Die Comic-Bibliothek des Wissens). ISBN 978-3-96428-037-4, geb.: 12,00 €

Wie die Bibel wurde und warum.

Wie kann ich deutlich machen, dass die Geschichte von der Eroberung Jerichos ein Mythos ist, dessen wertvoller Kern nicht seine historische Wahrheit ist (was auch falsch wäre), sondern der darin transportierte Glauben, dass ich mit Gott über Mauern springen kann? Wie mache ich klar, dass die Bibel eine Bibliothek ist, deren Werden sich über Jahrhunderte hinzog und an deren Entstehen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung mit ganz verschiedenen Zielen mitgewirkt haben? Dieser kleine Band macht es. Klar. Strikt. Mancher Leserin mag es zu viel „Entzauberung" sein. Aber es muss sein. Die Herausgebenden machen im Vorwort klar, warum sie mit so viel Mut an die Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse gehen. Die wortwörtliche Lektüre der Bibel ist und bleibt immer wieder gefährlich. Schönheit und Kraft der biblischen Überlieferung nähren sich nicht aus ihrer Wahrheit, sondern aus ihrer Wahrhaftigkeit. Daran lässt das Buch keinen Zweifel. Lies selbst, sagt es.

Konfirmationsunterricht, Religionsunterricht, Glaubenskurs, Gesprächskreis, Gottesdienst zur Bibel (mit Bildern).

Signatur: Jc
Schlagworte: Comic | Bibel | Auslegung
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

Rezension des Monats September 2019

Fosnes Hansen, Erik: Ein Hummerleben. Roman. Dt. von Hinrich Schmidt-Henkel. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2019. 381 S. ; 22 cm. Aus d. Norw. ISBN 978-3-462-05007-3, geb.: 24,00 €

Niedergang und Verfall eines einst mondänen Hotels und Ende einer Idylle.

Am Ende fragt man sich, was man gelesen hat: einen Roman über den Umbruch der Zeit, einen Abgesang auf die Gesellschaft, eine persönliche Tragödie, eine Satire? Von allem etwas, und das macht die Lektüre zu einem großen und unterhaltsamen Abenteuer, auf das man sich einlassen muss. Es ist Anfang der 1980er Jahre, und der 14-jährige Sedd wächst in dem feudalen, aber nostalgisch veralteten Berghotel seiner Großeltern heran, immer vorbereitet auf seine Rolle als einstiger Hotelbesitzer. Aber die Zeiten ändern sich und damit die Gäste, die nun lieber in den Süden fliegen zum Wärmetanken. Und dann – auf der ersten Seite des Romans – stirbt der wohlwollende Bankdirektor während eines Essens und löst damit den Anfang des Untergangs aus. Die scheinbar heile Welt beginnt zu zerfallen … Erik Fosnes Hansen verbindet sprachgewaltig, humorvoll satirisch und überaus unterhaltsam geschrieben die Geschichte einer einsamen Kindheit mit Lokalkolorit und Zeitgeschichte. Ein literarischer Leckerbissen!

Ein "Spaziergang" durch die 1980er Jahre in Norwegen - der schönstmögliche Einstieg in die Vorbereitung auf das Gastland Norwegen bei der Buchmesse.

Signatur: SL
Schlagworte: Norwegen | 1980er Jahre | Gesellschaft | Zeitgeschichte
Bewertung: +++
Rez.: Astrid van Nahl

Rezension des Monats August 2019

Hare, John: Ausflug zum Mond. Frankfurt am Main: Moritz 2019. O. Pag. : überw. Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-89565-381-0, geb.: 14,00 €

Ein Kind verpasst den Rückflug und bleibt auf dem Mond zurück. Allein ist es dort aber nicht.

Während sich alle anderen Kinder beim Mondausflug um die Lehrkraft scharen, bleibt ein kleiner Außenseiter (ob Junge oder Mädchen bleibt offen), ausgestattet mit Papier und Wachsmalstiften, immer weiter zurück. An einem Felsen gelehnt beginnt er die Erde zu zeichnen, die auf ihn hinableuchtet, und schläft dabei ein. Als er wieder aufwacht, hat sich die Klasse ohne ihn auf den Rückflug gemacht. Der Kleine verzweifelt nicht, sondern macht sich wieder ans Malen. So vertieft ist er, dass er nicht merkt, wie sich um ihn herum eine kleine Alienmenge sammelt. Nach kurzem, beiderseitigen Erschrecken, beginnt die Kontaktaufnahme: Die Außerirdischen sind von den bunten Farben begeistert und verzieren eifrig sich und die graue Mondlandschaft. Natürlich wird die Abwesenheit des Kindes bemerkt: Das Raumschiff kehrt um und sammelt den Streuner ein – nicht ohne ihn für die wilden Felsmalereien zu schelten. Das Kind fliegt ab, die Stifte bleiben zurück …Ein Bilderbuch, das ohne Text auskommt und dabei unheimlich ausdrucksstark ist. Kommunikation ist auch ohne gemeinsame Sprache möglich - diese Botschaft fließt ganz nebenbei mit ein.

Eine spannende und vielschichtige Geschichte mit beeindruckenden Bildern für Kinder ab 4, die zum gemeinsamen Erzählen animiert.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Mond | Außerirdische | Kommunikation | textlos
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Juli 2019

Blass, Tom: Die Nordsee. Landschaften, Menschen und Geschichte einer rauen Küste. Dt. von Tobias Rothenbücher. Hamburg: mare 2019. 352 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-86648-270-8, geb.: 28,00 €

Reiseberichte von unterschiedlichsten Nordseeküsten und -inseln.

Der britische Autor hat sich zum Ziel gesetzt, sich anhand von fünfzehn Beispielorten ein Bild von der Nordsee zu machen. Er geht dabei auf die Natur und ihre Geschichte ein. Wichtig ist ihm aber besonders die kulturhistorische Dimension, z.B. hinsichtlich der Sprachen, der gesellschaftlichen Wandlungen oder der traditionellen und gegenwärtigen Erwerbsarbeit. Dazu greift er auch immer wieder auf die bekannte Nordsee-Literatur zurück (z.B. von Plinius, Storm oder Childers). Die elementare Quelle sind aber die Gespräche mit den Einheimischen. Ihnen begegnet er, gerne in der Nebensaison, mit einer vermeintlichen Naivität und bekommt so mehr zu hören als gewöhnliche Touristen. Dazu gehört auch, die Probleme nicht zu verschweigen, z.B. die Schattenseiten des Insellebens, des Ölbooms oder der Fischwirtschaft. Herausgekommen ist ein auch fachliterarisch fundierter, sehr gut lesbarer Text, der zwar auf Fotos verzichtet, aber dadurch vielleicht umso mehr Lust auf die Nordsee macht.

Für norddeutsche Büchereien eine Pflichtanschaffung, aber auch für alle anderen eine wertvolle Bereicherung des Reisereportagenbestands.

Signatur: Ed | Ec 3
Schlagworte: Meere | Inseln | Großbritannien | Norddeutschland
Bewertung: +++
Rez.: Tobias Behnen

Rezension des Monats Juni 2019

Toledo, Eymard: Juju und Jojô. Eine Geschichte aus der Großstadt. Dt. von Michael Kegler. Basel: Baobab 2019. O. Pag. : überw. Ill. ; 23 cm. Aus d. Portug. ISBN 978-3-905804-92-8, geb.: 17,00 €

Die brasilianischen Zwillinge Juju und Jojô lieben den Jacuticaba-Baum –  nicht nur wegen seiner sehr süßen Kirschen!

Die heute in Deutschland lebende Brasilianerin erzählt anschaulich aus der Perspektive des Kindes Juju  vom Leben in einer von Hochhäusern bestimmten Großstadtstraße, ihrem Lärm, den überfüllten Bussen, vielen Menschen, die eng beieinander leben und – von einem nur in Brasilien vorkommenden Kirschbaum, der so etwas wie ein Hochhaus für Vögel und Insekten aller Art darstellt. Juju kann vom Balkon aus Kirschen ernten und das Tierleben beobachten. Sie wird zum Insektenfan und will später Insektenforscherin werden. Im Anhang des Buches informiert ein Glossar über Insektenleben und ein Nachwort über die Kindheit der Verfasserin. Das Buch ist eindrucksvoll bebildert. Die Collagen sind einem Spiel mit bildnerischen Mitteln verpflichtet, wie es auch Kinderbildern eigen sein kann: rhythmische Flächenbildung sowie räumliche und plastische Formen, die aus Stoff- und Papierresten so zusammengestellt werden, dass die faszinierende Illustration (ohne klassische Perspektive) Kinder sofort anspricht.

Das Buch wird sehr empfohlen, weil es nicht nur interkulturelles Leben schildert, sondern auch ein gesellschaftliches Problem kindgemäß behandelt: bedrohte Insekten in urbaner Umgebung.

Signatur: Jm 1 | Ju 1
Schlagworte: Großstadtleben | Insekten | Brasilien
Bewertung: +++
Rez.: Margot Rickers

Rezension des Monats Mai 2019

Mevissen, Katharina: Ich kann dich hören. Roman. Berlin: Wagenbach 2019. 163 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-8031-3306-9, geb.: 19,00 €

Der Fund eines Diktiergerätes hilft einem jungen Cello-Studenten bei der Selbstfindung.

In Hamburg hadert ein junger deutsch-türkischer Cello-Student immer wieder mit der Musik. Seine familiäre Vergangenheit hat er nie aufgearbeitet, also besucht er die Familie nicht. Auch in der Liebe vermeidet er es bisher, sich festzulegen. Als sich sein Musiker-Vater das Handgelenk bricht und die Tante ihn um Hilfe bittet, weicht er dieser Verantwortung zunächst aus. Erst der Fund eines Diktiergerätes und mit ihm der Einblick in das Leben eines tauben Mädchens, verändern unmerklich seine Haltung zum Leben. Er stellt sich der familiären Verantwortung, weicht einem Gespräch mit seinem Vater, der ihm mit seinem Ehrgeiz einen unvoreingenommenen Umgang mit der Musik erschwert hat, nicht länger aus und geht auf die lange bewunderte Mitbewohnerin zu. Der Autorin ist es in ihrem großartigen Debütroman gelungen, uns ihren etwas chaotischen Ich-Erzähler ans Herz zu legen und uns mit ihm tief ins Innere der Musik zu begeben. Besonders lebendig wirkt dabei die Verwendung der Alltagssprache.

Berührender Roman über das Erwachsenwerden. Bestens geeignet für alle, die sich auf die frische, unverstellte Umsetzung des Themas einlassen mögen.

Signatur: SL
Schlagworte: Selbstfindung | Musik
Bewertung: +++
Rez.: Susanne Brenner

Rezension des Monats April 2019

Toews, Miriam: Die Aussprache. Roman. Dt. von Monika Baark. Hamburg: Hoffmann & Campe 2019. 250 S. ; 21 cm. Aus d. kanad. Engl. ISBN 978-3-455-00509-7, geb.: 22,00 €

Wie finden Frauen heraus, was so wichtig ist, dass sie einen Aufbruch wagen, der ihr ganzes Leben verändern wird?

Eine mennonitische Kolonie wird von sexueller Gewalt erschüttert. Frauen und Mädchen werden von Männern der eigenen Gemeinde betäubt und vergewaltigt. Erst der Mut einer Frau bringt das Verbrechen ans Licht. Die aufgestaute Wut schlägt in Gewalt um. Die Frauen wollen Gerechtigkeit. Die weltliche Gerichtbarkeit schreitet ein und verhaftet die Männer. Sie sollen nun gegen eine Kaution freigekauft werden. Den Frauen bleiben 48 Stunden, bevor alle Männer wieder im Dorf sind. Sie wollen herausfinden: wie können sie mit den Verbrechen umgehen? Ist es eine Wahl, zu vergeben (wie ihnen vom Bischof vorgeschlagen wird)? Welche anderen Möglichkeiten haben sie? Sie können weder lesen noch schreiben, sie kennen die „Welt" nicht, von der sie bisher völlig abgeschottet gelebt haben. Sie haben keine Landkarte, wissen nicht, wohin der Weg sie führen könnte. Das Buch gibt acht von ihnen ihre je eigene Stimme. In sprachlicher Präzision wird das Denken und Fühlen der Frauen nachgezeichnet. „Die Aussprache“ ist auch ein Dokument eines elementaren demokratischen Prozesses: Wir entscheiden gemeinsam, wie wir handeln. Es ist berührend!

Für Literaturgottesdienst, Frauenkreis, Gesprächskreise, für viele Leser*innen.

Signatur: SL
Schlagworte: Gewalt | Glauben | Frau | Widerstand
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

Rezension des Monats März 2019

Al-Mousli, Luna: Als Oma, Gott und Britney sich im Wohnzimmer trafen. oder Der Islam und ich. Frankfurt: Weissbooks 2018. 144 S. : Ill. ; 17 cm. ISBN 978-3-86337-171-5, geb.: 15,00 €

Ein wunderbarer authentischer Einblick in das familiäre und religiöse Leben der Autorin.

Wenn Bücher ein Geschenk sein können, dann ist dieses ein äußerst großzügiges. Die Autorin schenkt uns Teilhabe an ihrer Kindheit und ihrer Familie. Sie erzählt in einem so liebevollen Stil, wie sie zwischen Damaskus und Wien aufgewachsen ist. Welche Rolle ihre Oma für sie gespielt hat. Und völlig unkompliziert zeigt sie uns, wie selbstverständlich die tägliche religiöse Praxis des Islam zum Alltag dazugehörte, wie sie als Kind in diesen Glauben hineingewachsen ist. Heute nennt man das hochtrabend „religiöse Sozialisation“. Mit der Oma beten, wenn diese ihre Tagesgebete verrichtet und das ohne Zwang. Gespräche über Gott und die Lehren des Korans. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Entwicklung und den sich verändernden Umständen. Alles in einer fabelhaften Natürlichkeit erzählt. Der Leser ist mittendrin und dabei. Ein Buch, das man gerne liest und wunderbar vorlesen und (mit) teilen kann. Ein bezaubernder Einblick in das Leben einer syrischen Familie.

Vom Kindergarten bis zum Gemeindekreis.

Signatur: SL
Schlagworte: Islam | Gott | Familie | Syrien
Bewertung: +++
Rez.: Dirk Purz

Rezension des Monats Februar 2019

Morosinotto, Davide: Verloren in Eis und Schnee. Die unglaubliche Geschichte der Geschwister Danilow. Dt. von Cornelia Panzacchi. Stuttgart: Thienemann 2018. 422 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-522-20251-0, geb.: 18,00 €

Die 13-jährigen Geschwister Danilow erleben die Schrecken des Zweiten Weltkrieges in Russland. Ihre Erfahrungen halten sie in ihren Tagebüchern fest.

Es ist der Sommer 1941, der im Leben der 13-jährigen Zwillinge Viktor und Nadja alles verändert. Deutsche Truppen marschieren auf ihre Heimatstadt Leningrad (Russland) zu. Die Kinder sollen aus der Stadt, in Sicherheit gebracht werden, doch im überfüllten Bahnhof verlieren sie sich. Während Viktors Zug ihn nach Tatarstan (Sibirien) bringt, bleibt Nadjas kurz nach der Abfahrt stehen. Viktor beschließt, zurückzukehren, um seine Schwester zu suchen. Für ihn und seine Begleiter beginnt eine schwere aufreibende Reise. Doch auch Nadja erlebt die Härte und Grausamkeit des Krieges. Der Autor verbindet in seiner mitreißend erzählten Geschichte gekonnt Fiktion und Realität. Die Ereignisse werden als Tagebuchaufzeichnungen der Geschwister dargestellt, die der Oberst für Innere Angelegenheiten, Smirnow, im Nachhinein liest und bewertet. Insofern kommen hier drei Perspektiven zum Tragen, die wunderbar miteinander verwoben werden. Ein unglaublich packendes Buch, das sich mutig einer grausamen Zeitetappe zuwendet. In seiner Tagebuchform, mit Randnotizen, Landkarten und Fotos wunderschön aufbereitet.

Eine Geschichte, die nachklingt – spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Ab 12 Jahren.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: 2. Weltkrieg | Russland | Geschwister
Bewertung: +++
Rez.: Juliane Deinert

Rezension des Monats Januar 2019

Engler, Wolfgang u. Hensel, Jana: Wer wir sind. Die Erfahrung, ostdeutsch zu sein. Berlin: Aufbau 2018. 288 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-351-03734-5, geb.: 20,00 €

Wolfgang Engler und Jana Hensel - zwei namhafte Ostdeutsche reden über das Ostdeutschsein. Das weitet den Horizont.

Engler tritt sei Jahren als Kenner der ostdeutschen Szene und Geschichte in Erscheinung und bringt immer wieder Leben in die Debatte. Hensel schreibt für die „Zeit im Osten" und ist mit ihrem Bestseller „Zonenkinder" bekannt geworden. Ihr Gespräch, im Aufbauverlag vorgelegt, beginnt bei der Frage nach dem Erfolg von Pegida und AfD in Ostdeutschland. Beide sind sich einig, dass diese nationalistischen Bewegungen vor allem mit den sozialen und ökonomischen Verwerfungen im Osten in den letzten dreißig Jahren - also nach der Wende - zu tun haben. Die Geschichte der Menschen in der DDR dagegen wirkt sich viel versteckter in den gegenwärtigen Entwicklungen aus. Es zeigt sich, dass Fremdzuschreibungen (wie „Unrechtsstaat" für die DDR oder „friedliche Revolution" für die Wende 1989) die Erfahrungen des Lebens in der DDR unsachlich diffamieren und ankanzeln. Dazu treten die Marginalisierungserfahrungen fast aller Ostdeutschen im vereinigten Vaterland. Das Buch bleibt Gespräch und Streit. Gut.

2019 - 30 Jahre „Wende" - ein Thema für die Gemeinde? Für die Bücherei?

Signatur: Sb
Schlagworte: DDR | Verantwortung | Solidarität | Fremdenfeindlichkeit
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

Rezension des Monats Dezember 2018

Hub, Ulrich: Das letzte Schaf. Ill. von Jörg Mühle. Hamburg: Carlsen 2018. 68 S. : Ill. ; 22 cm . ISBN 978-3-551-55384-3, geb.: 13,00 €

Die Weihnachtsgeschichte humorvoll erzählt aus Schafsperspektive.

Ist ein Ufo gelandet? Die Schafe erleben, dass das ganze Feld hell erleuchtet ist. Und die Hirten sind verschwunden! Das Schaf mit der Mütze hat eine Botschaft gehört, sie aber wieder vergessen. So machen sich alle Schafe auf, um herauszufinden, was da wohl los ist. Denn die Botschaft ist nicht ganz leicht zu verstehen. Unterwegs stolpern sie über viele Fragen und Missverständnisse und erkennen zum Schluss, dass die Geschichte, die sie erlebt haben, noch lange nicht zu Ende ist. Ulrich Hubs Erzählung ist lebendig, äußerst originell und mit vielen Anspielungen auf den gegenwärtigen Zeitgeist versehen, z. B. wenn er vor dem Stall einen Ticketautomaten aufstellt, die Schafe ganz bemüht über ein passendes Geschenk nachdenken lässt - doch eher keinen Gutschein! - oder Mafiosi-Wölfe nach dem Neugeborenen suchen lässt. Seine Figuren sind liebenswert und besonders. Die Zeichnungen von Jörg Mühle unterstreichen dies und geben dem Buch zusätzlichen Charme.

Eine wunderbare, zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregende kleine Ergänzung für alle Büchereien und für alle Menschen, die sich immer wieder neu über Weihnachten Gedanken machen.

Signatur: Jc
Schlagworte: Weihnachten | Schafe
Bewertung: +++
Rez.: Anne Rank

Rezension des Monats November 2018

Höfler, Stefanie: Der große schwarze Vogel. Roman. Weinheim: Beltz & Gelberg 2018. 181 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-407-75433-2, geb.: 13,95 €

Berührender Roman über das Weiterleben nach dem  Tod der Mutter.

An einem strahlenden Oktobertag stirbt Bens Mutter unerwartet. Von diesem Moment ausgehend, erzählt der Junge von den Ereignissen, die dem Tod unmittelbar folgen sowie vom Davor und Danach. Davor: das sind kleine Episoden aus dem Leben mit einer hochemotionalen, unangepassten, aufbrausenden und leidenschaftlichen Mutter. Danach: das ist die erste Liebe, Zukunftspläne schmieden, als verkleinerte Familie wieder zueinander finden.Stefanie Höfler hat sich hier wieder ein schwieriges Thema vorgenommen. Und auch hier zeigt sie ein großes Einfühlungsvermögen in die Emotionen eines Jugendlichen, der nicht nur mit dem Tod der Mutter, sondern auch mit einem Vater, der zeitweilig völlig aus der Bahn geworfen und außerstande ist, sich gut um ihn und seinen kleinen Bruder zu kümmern, zurechtkommen muss. Die Geschichte hat (nachvollziehbar) kein Happy End, deutet aber an, dass die Familie sich ein Jahr später auf einem guten Weg der Heilung befindet: Sie pflanzt der baumvernarrten Mutter einen Apfelbaum aufs Grab, Ben erkundigt sich in einer Gärtnerei nach einem Praktikumsplatz, eine erste Liebe zeichnet sich ab und er hat einen Freund, wie man ihn sich besser nicht wünschen könnte.

Ein berührender, kluger Roman. Sehr gern empfohlen.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Tod | Trauer | Hoffnung | Geschwister
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Oktober 2018

Sigurðardóttir, Steinunn: Heidas Traum. Eine Schäferin auf Island kämpft für die Natur. Dt. von Tina Flecken. München: Hanser 2018. 283 S. : Ill. ; 21 cm. Aus d. Isländ. ISBN 978-3-446-26032-0, geb.: 22,00 €

Eine Schäferin kämpft für die Natur auf Island. Eine wahre Geschichte.

Die isländische Schäferin Heida ist ein Freigeist und eine Kämpferin. Allein mit 500 Schafen und dem Hund Fifill auf einem abgelegenen Hof am Rand des südlichen Hochlandes trotzt sie nicht nur Wind und Wetter, sondern auch einem Energiekonzern, der in ihrem Tal einen Staudamm bauen will und damit nicht nur ihre Existenz bedroht. Nach einer Modelkarriere in New York kehrt sie auf den elterlichen Hof zurück und lebt eng verbunden mit der Natur an der Grenze zur bewohnbaren Welt. Sie wird Kommunalpolitikerin, um sich für die Natur einzusetzen. Dabei ist die Frau im karierten Hemd keine Heldin. Aber sie wehrt sich, wenn Unrecht droht. Das wilde, noch naturnahe Land, die Tiere, die Schäferin, die mitunter auch Einblicke in ihre verletzte Seele zulässt, tragen die Geschichte. Steinunn Sigurðardóttir, eine der wichtigsten Autorinnen Islands, erzählt Heidas Geschichte mit großem poetischem Gespür und zarter Behutsamkeit. Sie weckt mit jeder Zeile Sehnsucht nach Island, nach der wilden Natur, der Einsamkeit und den Menschen.

Das Buch ist ein Schatz für Naturliebhaber und Island-Begeisterte und Menschenliebhaber. Dabei so authentisch geschrieben, dass es verdient, gelesen zu werden.

Signatur: Bb
Schlagworte: Island | Natur | Biografie | Leben
Bewertung: +++
Rez.: Andrea Zimmermann

Rezension des Monats September 2018

Fleischhauer, Wolfram: Das Meer. Roman. München: Droemer 2018. 443 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-426-19855-1, geb.: 19,99 €

Sind die Weltmeere noch zu retten? Der Öko-Thriller setzt wenig Hoffnung in den Erfolg von Vehandlungen und Verträgen.

Die Ozeane sind heillos überfischt und werden von einer skrupellosen Fischereimafia gnadenlos ausgebeutet. Regierungen und überstaatliche Organisationen sind unfähig oder unwillig, dem Einhalt zu gebieten. Auf dieser wohl leider den Tatsachen entsprechenden Annahme beruht der Öko-Thriller, der in 58 kurzen Kapiteln jeweils eine Person in den Mittelpunkt rückt. Teresa, eine junge EU-Fischereibeobachterin, verschwindet spurlos von einem spanischen Trawler. Es zeigt sich, dass sie einer Untergrundorganisation angehört, die durch gezielte Vergiftungen die Nachfrage nach Fisch verringern will. Eine der führenden Köpfe dieser Organisation ist Ragna. Sie gerät zunehmend in den Fokus des Geschehens, als drei Männer sich auf die Suche nach ihr machen. Zwischen Vigo, Brüssel, Bangkok und birmanischem Rebellengebiet entwickelt sich eine temporeiche Story. Der Autor erzählt spannend und weitgehend nachvollziehbar. Die Charaktere handeln stets glaubwürdig – wenngleich nicht immer ehrenhaft.

Wer keine Angst hat, dass ihm nach der Lektüre das Fischbrötchen im Hals stecken bleibt, findet hier ein spannendes, zum Nachdenken anregendes Buch - schlechtes Gewissen inklusive! 

Signatur: SL
Schlagworte: Öko-Thriller | Fischerei | Weltmeere
Bewertung: +++
Rez.: Birgit Schönfeld

Rezension des Monats August 2018

Chlodwig. Will Gmehling. Ill. von Jens Rassmus. Wuppertal: Hammer 2018. 43 S. : überw. Ill. ; 23 cm. ISBN 978-3-7795-0600-3, geb.: 14,00 €

Zwei ganz unterschiedliche Familien treffen aufeinander.

Bert lebt mit Mama, Papa und drei Geschwistern in einem Hochhaus. Mama ist Putzfrau und Papa arbeitet in einer großen Kantine. In der Wohnung herrscht das reinste Chaos, mit der Schule stehen die Kinder auf dem Kriegsfuß, aber Papa kann gut mit den Lehrern, denn er ist groß und stark und hat ein Tattoo auf dem Unterarm. Am liebsten sitzt die ganze Familie zusammen im Bett und liest Geschichten.Dann kommt Chlodwig in Berts Klasse. Sein Papa ist Zahnarzt, die Mama Architektin. Er wohnt in einem Haus mit Garten, ist gut in der Schule und hat immer tolle Pausenbrote dabei (die kriegen Berts Eltern nicht so oft vorbereitet). Und immer öfter steht Chlodwig vor Berts Tür: Lernt mit der Schwester, liest mit dem Bruder Weltraumbücher und fühlt sich pudelwohl. Eine Geschichte, die immer wieder mit Vorurteilen bricht und dabei nicht ins Moralisierende abgleitet. Die zeigt: Auch Eltern, die nicht alle Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen, können liebevolle Eltern sein. Sie können ihren Kindern vielleicht nicht alles bieten, was man für ein (beruflich) erfolgreiches Leben braucht, aber: Wie definiert sich denn eigentlich ein „erfolgreiches“ Leben?

Sehr empfohlen! Auch für Erwachsene.

Signatur: Ju 1
Schlagworte: Soziale Unterschiede | Werte | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Rezension des Monats Juli 2018

Möglich, Manuel: Alles auf Anfang. Auf den Spuren gelebter Träume. Berlin: Rowohlt Berlin 2018. 252 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-87134-174-8, kt.: 18,00 €

Träume von einem besseren Leben auf dem Prüfstand.

Was wird eigentlich aus utopischen Visionen, wenn man versucht, sie umzusetzen? Dieser Frage geht der Kulturwissenschaftler Manuel Möglich nach, indem er sich in die jeweiligen Gemeinschaften begibt und sich dort eine Weile aufhält. Er bereist nicht nur Europa, sondern auch Amerika und Afrika und stößt auf die unterschiedlichsten Visionen. Dabei geht es um Umweltschutz, Glauben, ein sozialeres Miteinander, die freie Liebe oder sogar die Unsterblichkeit. Was treibt Menschen an, alles hinter sich zu lassen, um sich an die Umsetzung ihrer Utopie zu machen? In der von ein paar Deutschen gegründeten Gemeinschaft Tamera in Portugal wird ein soziales Miteinander groß geschrieben, aber auch der respektvolle Umgang mit Tieren und der Natur. Dabei hat ein wohldurchdachtes Wassermanagement zur Landschaftsheilung beigetragen. Der Autor ist beeindruckt. Unterhaltsam schildert er seine Erlebnisse in elf nicht allzu langen Kapiteln. Das Buch regt zum Nachdenken an.

Ein interessanter und spannender Erfahrungsbericht, der bestens geeignet ist für Gesprächskreise. Breit empfohlen.

Signatur: Sb
Schlagworte: Utopie | Erfahrungsbericht | Gesellschaft
Bewertung: +++
Rez.: Susanne Brenner

Rezension des Monats Juni 2018

Lagercrantz, Rose: Wozu hat man eine Freundin? Ill. von Karen Krings. Dt. von Angelika Kutsch. Frankfurt: Moritz 2018. 100 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Schwed. ISBN 978-3-89565-359-9, geb.: 11,95 €

Cäcilie kann nicht beim Sport mitmachen, weil sie hinkt. Die Fußballerin Melody kommt neu in die Klasse und wird Cäcilies Coach.

Die Beine von Cäcilie sind unterschiedlich lang. Deswegen kann sie nicht schnell laufen. Eines Tages kommt Melody neu in die Klasse. Die beiden Mädchen freunden sich an. Melody trainiert in jeder freien Minute mit der Fußballmannschaft FC Birka, Cäcilie darf oft zuschauen. Dann soll Cäcilie erneut an den Beinen operiert werden. Alle machen ihr Mut; Papa verspricht sogar eine große Überraschung. Die Operation gelingt. Melody besucht sie im Krankenhaus. Sie bringt einen Fußball, auf dem steht: „Cäcilie vor, noch ein Tor!“. Sobald der Gips ab ist, bekommt Cäcilie von Melody Trainingsstunden. Die erweisen sich bald als die Rettung. Papas Überraschung übrigens ist nicht groß, sondern klein und wunderwunderschön. Die warmherzige Geschichte über eine Mädchen-Freundschaft und sportliche Ziele trifft mitten ins Herz. Trotz der Ernsthaftigkeit der Themen wie Behinderung, Trennung der Eltern und Patchworkfamilie, behält das Buch mit den bunten Illustrationen stets seine kindgemäße Leichtigkeit.

Das preisverdächtige Buch aus Schweden für Kinder ab der 2. Grundschulklasse, sollte in jeder noch so kleinen Bibliothek unbedingt angeboten werden!

Signatur: Ju 1
Schlagworte: Behinderung | Freundschaft | Fußball | starke Mädchen
Bewertung: +++
Rez.: Martina Mattes

Rezension des Monats Mai 2018

Vogt, Fabian: Feier die Tage. Das kleine Handbuch der christlichen Feste. Ill. von Julia Kluge. Leipzig: Ev. Verl.-Anst. 2018. 141 S. : Ill. ; 19 cm. ISBN 978-3-374-05309-4, kt.: 10,00 €

Die christlichen Feste im Jahreskreis - verstehen und feiern.

Aus der Freude der Menschen am Feiern und ihrer Beschäftigung mit existentiellen, christlichen Fragen hat sich im Laufe von vielen hundert Jahren „ein glanzvoller Zyklus, der es in sich hat" entwickelt. Diesem Zyklus widmet sich Vogt in seinem kompakten und sehr informativen Handbuch. Nach einem Vorwort, das neugierig macht, beschäftigt er sich mit den Wurzeln unseres heutigen Kalenders, der Bedeutung des Sonntags und dem Zustandekommen des Kirchenjahres. Sodann spürt er sieben Kennzeichen auf, durch die sich Feiertage von Alltagen unterscheiden, um dann im Hauptteil auf unterhaltsame Weise Ursprung, Bedeutung und Bräuche der einzelnen Feste im Jahreskreis beider großen christlichen Religionen fundiert darzustellen. Sie werden von ihm in die Bereiche „Rund um Weihnachten", „Rund um Ostern", „Rund um die Gemeinschaft" und „Rund um die Hoffnung" aufgeteilt.                 

Ein Nachwort und ein Stichwortverzeichnis runden dieses sehr informative und kurzweilige Handbuch ab, das in keinem Bücherschrank (zu Hause, in der Gemeinde und in der Schule) fehlen sollte! Auch als Geschenk zur Konfirmation sehr zu empfehlen! 

Signatur: Ch 1
Schlagworte: Jahreskreis | Feste | Ursprünge | Bräuche
Bewertung: +++
Rez.: Petra Schulte

 

 

 

Rezension des Monats April 2018

McGregor, Jon: Speicher 13. Roman. Dt. von Anke Caroline Burger. München: Liebeskind 2018. 351 S. ; 20 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-95438-084-8, geb.: 22,00 €

Ein Roman über die Bindekräfte einer Gemeinschaft.

Der Roman beginnt als Thriller: Ein Mädchen verschwindet spurlos und wird trotz Suche nicht gefunden. Dann unterläuft der Roman die Erwartungen eines Thrillers: McGregor schildert das Landleben einer Dorfgemeinschaft. Jedes Kapitel der 13 Kapitel beginnt mit Silvester und Neujahr. Dann wiederholen sich die regelmäßigen Lebensprozesse der Menschen des Ortes. Feste, Konflikte, Wetter kommen und gehen. Ab und zu wird das Mädchen gesehen - in Träumen? In die 13 Kapitel baut McGregor feine Veränderungen der Menschen und der Gemeinschaft ein. Die einzelnen Personen gewinnen Tiefe. „Speicher 13" ist die Metapher für die Traditionen, die ungeahnten Kompetenzen der Menschen, den Zufall, der Menschen zusammen führt, die Kraft, es miteinander auszuhalten oder Trennungen einzuleiten. Der Roman endet mit der Zeile: „Alles schläft, einsam wacht" - die Pfarrerin verlässt das Dorf, aber wer wacht da?

Es ist ein anspruchsvoller Roman. Literaturkreise werden ihre Freude daran haben. Eine Literaturpredigt ließe sich gut anschließen.

Signatur: SL
Schlagworte: Lebensgemeinschaft
Bewertung: +++
Rez.: Martin Schulz

 

 

 

Rezension des Monats März 2018

Geiger, Arno: Unter der Drachenwand. Roman. München: Hanser 2018. 480 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-25812-9, geb.: 26,00 €

Noch 17 Monate Krieg. Keiner weiß es. Alle stecken mittendrin. Schuld. Liebe. Alltag. Und Menschen mit Courage: 1944.

Geiger gesellt sich zu Seethaler und Rothmann: junge Männer als Soldaten im zweiten Weltkrieg, dieses sinnlose Sterben, Morden, diese Grausamkeit der Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung, das Vernichten der jüdischen Menschen. Ein Lebensbild in kleinstem Ausschnitt gegen Ende dieses schrecklichen Weltkrieges. Bei Geiger entkommt der Protagonist nach 5 Jahren verlorenen Lebens wegen einer schweren Verwundung für ein Jahr der Vernichtungsmaschine und flieht in die einstmals österreichischen Berge. Das Dorf aus Angepassten, Wütenden, Verschickten, Geflohenen, Evakuierten wird zum Schauplatz einer Selbstbefragung und eines wütenden Abrechnens mit menschlicher Bosheit und dem Wahnsinn der Gewalt. Veit ist klarsichtig. Im Gewächshaus gegenüber begegnet ihm ein regimekritischer Freigeist, der noch auf den letzten Metern des Tausendjährigen Reichs denunziert wird. Die Frau, in die er sich verliebt, gibt ihm nach Jahren des freien Falls Halt, weil sie sagt: Hab keine Angst. Sagenhaft!

Für alle Literaturinteressierten, für die Predigt über "das gute Buch", für Lesekreise zur literarischen Entdeckung zu Beginn des Jahres.

Signatur: SL
Schlagworte: Courage | Krieg | Liebe
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

 

 

 

Rezension des Monats Februar 2018

Ich glaube an mich! Kinder auf der ganzen Welt malen und erzählen, woran sie glauben. Hg. von little Art e.V. u. Elena Janker. Texte von Elena Janker u. Jakob Wetzel. München: Süddeutsche Zeitung 2017. 303 S. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-56497-421-2, geb.: 29,00 €

In phantasievollen Bildern erzählen Kinder aus aller Welt von ihren Lebenshoffnungen.

Seit 2009 bittet der Münchner Verein „little ART" Kinder in aller Welt, zu erzählen und zu malen, woran sie glauben. Kinder aus 108 Nationen, mit unterschiedlichsten Religionen und Weltanschauungen und aus allen gesellschaftlichen Schichten, haben bislang darauf geantwortet und ihre Bilder nach München geschickt. Sie erzählen vom Getragensein der Kinder durch Gott, ihre Religion, ihren Glauben an ihre Eltern und Freunde, an die Natur, an Engel und Computer, an diese und andere Welten, und vor allem: an sich selbst! Daniela Mecklenburgs graphische Gestaltung und die einfühlsamen, informativen  Texte Elena Jankers und Jakob Wetzels machen die Sammlung zu einem wirklichen „Kunstbuch", das staunen lässt über die Phantasie und Kreativität der Kinder, ihr Wissen um die Schönheit und das Gefährdetsein des Lebens. Ganz ohne Frage: Das schönste, beglückendste Buch des Jahres!

Ein Muss für jede evangelische Bücherei und jede/n, die/der in Familie, Gemeinde, KiTa und Schule mit Kindern lebt.

Signatur: Jc
Schlagworte: Glauben | Kindertheologie | Kunst
Bewertung: +++
Rez.: Erhard Reschke-Rank

 

 

 

Rezension des Monats Januar 2018

Böhm, Andrea: Das Ende der westlichen Weltordnung. Eine Erkundung auf vier Kontinenten. München: Pantheon 2017. 271 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-570-55236-0, kt.: 17,00 €

Perspektivwechsel: Die renommierte Journalistin Andrea Böhm berichtet aus ungewöhnlichen Orten auf vier Kontinenten.

Mogadischu, Bagdad und Basra kennen wir aus der Katastrophenberichterstattung, es scheinen hoffnungslose, durch endlose Kämpfe zerstörte Orte zu sein. Dass es einmal blühende Handelsstädte waren und auch heute noch Menschen darin wohnen, die sich für ihre Heimatstadt einsetzen, kann man sich kaum vorstellen. Andrea Böhm lässt sich von einer mittelalterlichen Weltkarte inspirieren und macht sich auf den Weg. Was ist aus den alten Handelswegen und Metropolen geworden? Ihre gut geschriebenen, sehr persönlichen Reiseberichte beschreiben Umbrüche, Aufstieg und Verfall von Städten und Regionen. Provokant stellt sie den "westlichen Blick" und damit unsere Arroganz in Frage und fordert dazu auf, mit Offenheit zu entdecken, was überall auf der Welt möglich ist. Ein sehr persönliches Buch von Andrea Böhm, die in den USA, in afrikanischen Staaten und im Nahen Osten gearbeitet hat und sich nun mit Offenheit und einem kritischen Blick an Orte begibt, die für uns am Rande der Welt zu liegen scheinen

Für politisch interessierte Leser, die sich gerne überraschen lassen und ihren Blick auf die Welt erweitern lassen wollen. Ideal für Veranstaltungen und Diskussionen!

Signatur: Eb
Schlagworte: Perspektivwechsel | Krisenherde | Reisereportagen
Bewertung: +++
Rez.: Regina Riepe

 

 

 

Rezension des Monats Dezember 2017

Mehr als alles. Geschichten, Gedichte und Bilder für kluge Kinder und ihre Eltern. Hg. von Hubertus Halbfas. Mit Beiträgen von Bert Brecht, Kurt Marti u.a. Ill. von Ernst Barlach u.a. Ostfildern: Patmos 2017. 284 S. : Ill. ; 27 cm. ISBN 978-3-8436-0986-9, geb.: 34,00 €

Ein Glaubensbuch für Kinder und Erwachsene voller Geschichten und Bilder, wie man sie selten in solcher Auswahl findet.

Hubertus Halbfas schöpft aus einem sagenhaften Fundus. Seine Religionsbücher, die er als Professor für Religionspädagogik gemacht hat, dienen jetzt als Grundlage einer Reihe hervorragender Bücher im Patmosverlag. Das vorliegende Werk ist mehr als ein Lesebuch, es ist eine Schatzkiste überraschender Perspektiven, Geschichten, Kunstwerke, die zu einer Entdeckung des Glaubens einladen. Dabei ist nicht nur die Auswahl ungewöhnlich, sondern auch - und das ist wesentlich - der Religionsbegriff. Halbfas gehört zu den wenigen, die Gott in religiöser Weite und menschenfreundlicher Großzügigkeit als die "Tiefe des Lebens" verstehen und von engen Dogmen und altbackenen Richtigkeiten Abstand nehmen. Hier kommt ein Glauben zu Wort und ins Bild, der von der Stille der Inuit bis zur Leidenstheologie einer Etty Hillesum reicht.

Für alle klugen Menschen sehr zu empfehlen. Für Glaubenskurse, Elternschule, Kinderkirche, Kindergottesdienst, Religionsunterricht. Zum Vorlesen!

Signatur: Pc 6
Schlagworte: Stille | Glaube | Liebe
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

 

 

 

Rezension des Monats November 2017

Pásztor, Susann: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2017. 285 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-462-04870-4, geb.: 20,00 €

Ist das wahr oder ist das Kitsch? Ist das möglich? Eine Sterbebegleitung auf Umwegen zwischen Witz und Schock.

Fred ist Mitte 40 und übergewichtig, zieht nach einer Scheidung seinen Sohn Philipp allein groß, der gerade in die Pubertät kommt und ein Lyrik liebender liebenswerter Sonderling ist. Das Liebenswerte hat er mit seinem einsamen, spießigen aber offenherzig ratlosen Vater gemeinsam. Fred ist irgendein Beamter, ohne Hobbys, ohne Ausschläge, aber mit viel Aufmerksamkeit für Phil. So weit so gewöhnlich. (Ist das vielleicht schon ein bisschen zu stereotyp?) Fred entscheidet sich, eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter zu machen und zu Beginn des Romans tritt er seinen ersten Dienst an: bei Karla. Sie ist Fotografin, Hippiegirl und Immobilienhändlerin gewesen. Mit Anfang 60 stirbt sie zügig an einem Schilddrüsenkrebs. Die Chemotherapie hat sie abgebrochen. Sie leidet und schwankt zwischen witzig zynischer Giftigkeit und kluger Ehrlichkeit. Sie findet Fred doof. Er versteht sie nicht. Aber alles kommt anders. Und wie es anders kommt, ist wunderbar. Phil spielt auch eine Rolle.

Empfohlen für Literaturgottesdienste, Jugendarbeit, Hospizarbeit, Krankenhausbibliothek.

Signatur: SL
Schlagworte: Tod | Kampf | Wut | Witz
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

 

 

 

Rezension des Monats Oktober 2017

Klassen, Jon: Wir haben einen Hut. Jon Klassen. Dt. von Thomas Bodmer. Zürich: Nord-Süd Verl. 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 29 cm. Aus d. Engl.ISBN 978-3-314-10387-2, geb.: 16,00 €

Zwei Schildkröten finden einen Hut, den beide Tiere schön finden und gerne hätten. Was ist zu tun?  

Jon Klassen beherrscht die Kunst,  mit in Wort und Bild stark reduzierten Stilmitteln zum Nachdenken anzuregen meisterlich. Nach „Wo ist mein Hut“ (2012) und „Das ist nicht mein Hut“ (2013) rankt sich nun wieder alles um einen Hut. In drei kleinen Teilen wird die kurze Geschichte erzählt, aber was da an Fragen und Überlegungen angestoßen wird, beschäftigt die Menschen ein Leben lang. Zwei Schildkröten, die sich nur durch die Zeichnung des Panzers unterscheiden, finden gemeinsam einen Hut. Der steht beiden gleich gut. Ist es in Ordnung, wenn nur eine den Hut bekommt und die andere nichts hat? Wie entstehen Neid und Missgunst? Wie kann eine gutes soziales Miteinander gelingen? Was gibt es für Lösungen, wenn die eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Gegensatz stehen zu denen der anderen? Gibt es Gerechtigkeit nur in idealistischen Traumvorstellungen? Graue Farbtöne, ein einfacher, aber wohl überlegter Bildaufbau, kurze Sätze – mehr braucht es nicht, um nachzudenken über unser Miteinander.                 
Ein schöner Gesprächsanlass für alle ab 4 J., gut geeignet auch für den Einsatz in der Kita zu den genannten Themen.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Gerechtigkeit | Miteinander | Bedürfnisse
Bewertung: +++
Rez.: Heidrun Martini

 

 

 

Rezension des Monats September 2017

Coenen-Marx, Cornelia: Noch einmal ist alles offen. Das Geschenk des Älterwerdens. München: Kösel 2017. 207 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-466-37182-2, kt.: 17,99 €

Alter als Neuanfang, als Geschenk für Einzelne, aber auch für unsere Gesellschaft.

Wir haben in den letzten hundert Jahren zehn gesunde Jahre im Alter dazu gewonnen. Diese Jahre mit Freizeitgestaltung zu verbringen, ist für viele Ältere und auch gesellschaftspolitisch fragwürdig. Bei den Menschen in der ‚Dritten Lebensphase‘ schlummern enorme zivilgesellschaftliche Potenziale. Coenen-Marx zeigt Möglichkeiten des Alters auf, ohne zu beschönigen und schwierige Themen auszuklammern. Sie legt den Finger in die Wunde längst überholter Sozialsysteme. Selbstbestimmung und Angewiesenheit sind keine Gegensätze. Noch im Sterben geht es darum, beides in eine gute Balance zu bringen. Nur, wer so denken kann, hat auch den Blick frei auf das ganz Große – etwa die Spiritualität in all ihren Formen. Und auf das ganz Kleine... Coenen-Marx bietet eine Fülle von Anregungen, wie sich das "neue Altwerden" gestalten lässt.

Das Buch inspiriert, regt zum Nachdenken an, rüttelt auf, macht Mut, ist voller Verheißungen und Energie. Sehr gut für Veranstaltungsarbeit.

Signatur: Fd
Schlagworte: Alter | Lebensgestaltung | Zivilgesellschaft
Bewertung: +++
Rez.: Christine Stockstrom

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats August 2017

Erdoğan, Aslı: Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch. Essays. Mit einer Einführung von Cem Özdemir. Dt. von Sabine Adatepe, Gerhard Meier u.a. München: Knaus 2017. 191 S. ; 21 cm. Aus d. Türk. ISBN 978-3-8135-0780-5, geb.: 17,99 €

Politische Essays, in denen sich die konfliktreiche Gegenwart mit Gewalt, Willkür und Diskriminierung in der Türkei spiegeln.

Aslı Erdoğan, studierte Physikerin, türkische Journalistin und preisgekrönte Romanautorin, spiegelt in ihren politischen Essays, die hier erstmals auf Deutsch erscheinen, Gewalt, Massaker, Willkür, Niederschlagung von Demonstrationen, Haft und Folter, Entsetzen, Schuld, Angst, Schmerz und Hoffnungslosigkeit, die Leben und Politik in der Türkei prägen. - Wegen ihrer Kolumnen in der kurdisch-türkischen Zeitung Özgür Gündem wurde Aslı Erdoğan im August 2016 nach dem gescheiterten Militärputsch zusammen mit 22 weiteren Journalisten inhaftiert und im Dezember vorerst unter Auflagen für die Prozessdauer entlassen. „Aslı Erdoğans mutige und sprachlich beeindruckende Texte sind Aufschrei und Widerstand gegen die Diskriminierungen in der Türkei“, schreibt Cem Özdemir in seiner historisch-politisch informativen Einführung zum Buch. Abgrundtief und erschütternd sind diese Texte (mit erklärenden Fußnoten), fassen Sprachlosigkeit und Schrecken in Worte, flammen wie Blitzlichter auf, lassen den Leser nicht los!

„Aslı Erdoğans Waffe sind ihre Worte“ – Keine leichte Kost! Sie fordert LeserInnen, die Mut haben, sich fremder Not zu öffnen.

Signatur: Gh 4
Schlagworte: Türkei | Willkür | Gewalt
Bewertung: +++
Rez.: Heide Germann

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats Juli 2017

Doron, Lizzie: Sweet Occupation. Dt. von Mirjam Pressler. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2017. 202 S. ; 21 cm. Aus d. Hebr. ISBN 978-3-423-26150-0, kt.: 16,90 €

Porträts von fünf Friedenskämpfern aus Israel und Palästina.

Die erfolgreiche israelische Autorin schildert die Begegnungen einer jüdischen Journalistin aus einer vom Holocaust betroffenen Familie mit zwei jüdischen und drei palästinensischen gewaltlosen Kämpfern für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Palästinensern. Schon die ersten Begegnungen sind schwierig, da sie z.T. auf palästinensischem Territorium stattfinden, in das Israelis nicht legal einreisen dürfen. Die Biografien machen die großen Schwierigkeiten deutlich, unter denen sich heute Menschen zu dem eigentlich naheliegenden Ziel bekennen. Ein israelischer Soldat etwa weigerte sich nach seinen Erfahrungen in Gaza weiter Militärdienst zu leisten und endet im Gefängnis. Ein den Frieden liebender nach Israel eingewanderter Jude aus Polen wird persönlich und beruflich ausgegrenzt. Die drei Palästinenser überwanden ihren gewaltsamen Protest gegen die israelische Besetzung in ihrer Jugend. Auch sie wurden für ihr Friedensengagement diffamiert und verbrachten lange Zeit im Gefängnis.

Der emotional berührende Roman ist nicht nur spannend, sondern zeigt auch die heutigen Probleme einer Friedenslösung. Breit empfohlen.

Signatur: SL
Schlagworte: Israel | Palästina | Friede | Gewaltlosigkeit
Bewertung: +++
Rez.: Peter Bräunlein

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats Juni 2017

Genechten, Guido van: Vielleicht. Dt. von Eva Schweikart. München: Mixtvision 2016. O. Pag. : überw. Ill. ; 24 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-95854-071-2, geb.: 14,90 €

Aus Kreis, Dreieck, Quadrat und viel Phantasie lässt sich eine Welt erschaffen.

Vielleicht beginnt es so: Am Anfang ist alles schwarz, dann sind Farben da, rot, gelb und blau. Im nächsten Schritt gibt es einfache Formen, die sich ihres Daseins freuen. Sie vermehren sich durch Aufteilung und 12 bunte Elemente werden zum Baukasten für alles, was sich daraus legen lässt. Auf schwarzem Hintergrund gibt es Menschen und Tiere, Pflanzen, Fahrzeuge und vieles mehr zu entdecken. Bis am Ende – vielleicht – alles wieder in kleine Teile zerfällt.
Die ganze Welt ist zusammengesetzt aus Einzelteilen, die komplex zusammenwirken. Diese philosophische These setzt Guido van Genechten in seinem Bilderbuch kindgerecht um. Ob die Vorlesende das Bilderbuch zum Anlass nehmen will, über Evolution, über Philosophie oder Schöpfungslehre zu sprechen, bleibt ihr überlassen. Es macht Kindern auf jeden Fall Spaß, diese vielfältigen Figuren mit Phantasie zu interpretieren, vielleicht Geschichten dazu zu erdenken.
Ein beiliegender Ausschneidebogen fordert auf, selbst kreativ tätig zu werden.

Ein Bilderbuch mit interaktiven Möglichkeiten, einfach, aber mit einer tieferen Bedeutungsebene. Für Kinder ab 4 J. interessant, aber auch Impuls zum Nachdenken für ältere Kinder.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Formen | Farben | Erschaffung | Phantasie
Bewertung: +++
Rez.: Birgit Schönfeld

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats Mai 2017

Kurbjuweit, Dirk: Die Freiheit der Emma Herwegh. Roman. München: Hanser 2017. 333 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-25464-0, geb.: 23,00 €

Emmas Leben (1817 – 1904) zeigt, wie revolutionäre Ideen im Privaten scheitern am alten Rollenverständnis der Geschlechter.   

Die Hochzeit war eine Sensation: Die Tochter eines preußischen Hoflieferanten heiratet den sozialistisch denkenden Freiheitsdichter Georg Herwegh! Der Roman verschränkt drei Zeitebenen miteinander. 1894 in Paris erzählt die verarmte 80jährige Emma dem jungen Freund Frank Wedekind ihre ganz persönliche Lebens- und Leidensgeschichte in der Ich-Perspektive. Die zweite Erzählebene spielt im Jahr 1842 in Berlin. Wir lesen vom Leben in großbürgerlichen romantischen Salons und zugleich vom sozialen Elend der Arbeiter in den Borsigwerken. Die dritte Ebene schildert die Ereignisse im Frühjahr 1848, als das in Paris zusammengestellte desolate Häuflein der „Deutschen Demokratischen Legion“ unter Herweghs Leitung Heckers Aufstand in Baden zu Hilfe eilt und Emma als einzige Frau, bewaffnet und zu Pferde, großen Mut und diplomatisches Geschick beweist. Kurbjuweits Erzählweise zeigt auf, wie schwer es ist, hohe gesellschaftspolitische Ideale mit dem kleinen privaten Leben in Einklang zu bringen.

Ein anregender Lesegenuss für alle, die sich für politisches und kulturelles Leben des 19. Jh. interessieren. Zu manchen Ideen der 68er Generation gibt es interessante Parallelen.

Signatur: SL
Schlagworte: Revolution | Emanzipation | Demokratie | Geschichte
Bewertung: +++
Rez.: Heidrun Martini

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats April 2017

Zedelius, Miriam: Träumst du? Rostock: Hinstorff 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 19 cm. ISBN 978-3-356-02096-0, geb.: 16,99 €

Wunderbares Bilderbuch über das Träumen. Einmal in Schreibschrift!

Das Mädchen wird von Papa erinnert, nicht zu träumen. Diese Aufforderung ist der Ausgangspunkt einer kleinen Reise durch die Träume, ihr Herkommen, ihre bösen Seiten, ihr Märchenhaftes oder Witziges. Meine Jungs haben beim Angucken sehr gelacht. Was träumen Große? Der Mann in der Hängematte träumt vom Angeln. Der große Fisch allerdings, den er an der Angel hat, hüpft zu ihm ins Boot... Der glückliche Löwe von Roger Duvoisin entpuppt sich als wütend. Eine Maus malt eine Katze an. Und kann man gute Träume herbeiwünschen? Die Illustratorin wählt sparsame Striche, wenige Elementarfarben und druckt kunstvolle kleine Kunstwerke, die geschickt die Bildsprache von Kindern zitieren (Strichmännchen). Manchmal steht Jutta Bauer sehr deutlich Patin. Aber das ist nicht schlimm. Der Text erscheint in Schreibschrift. Ein Plädoyer für die geschriebene Schulausgangsschrift. Beim Betrachten und Lesen der wenigen Worte kommt es schnell zum Gespräch, zum Weiterträumen und Weiterspinnen.

Empfohlen für Eltern-Kinder-Lesekreise, Vorlesezeit und Elternlesekreise.

Signatur: Jm 1
Schlagworte: Träume | Mut
Bewertung: +++
Rez.: Christiane Thiel

 

 

 

 

 

 

Rezension des Monats März 2017

Preisendörfer, Bruno: Als unser Deutsch erfunden wurde. Reise in die Lutherzeit. Köln: Galiani 2016. 472 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-86971-126-3, geb.: 24,99 €

Detail- und kenntnisreiche Zeitreise, das Eintauchen in eine vergangene Welt (um 1500).

Das Sachbuch des Jahres 2015, "Als Deutschland noch nicht Deutschland war" (Goethezeit), ist der handwerkliche Vorgänger. Aber nun geht es um die Zeit Luthers. In einem Zeitpanorama, reichen Details, guten Literaturhinweisen und einem glänzenden Stil versetzt Preisendörfer den Leser in die Zeit um 1500.
Ausgehend vom großen weltgeschichtlichen Überblick, in die Zeit der Renaissance, das Zeitalter der Entdeckungen, über die politische Gesamtlage in Deutschland, geht es dann in den beschwerlichen Alltag. Burg, Stadt und Land, Handwerk und Bauern, Ausstattung der Häuser, Ernährung, Frauen und Männer - das alles wird lebendig und eindrücklich geschildert. Die Glaubenswelt wird in Kapitel 7 (Himmel, Hölle, Alltag) und in Kapitel 13 (Alter, Tod und Auferstehung) beklemmende Wirklichkeit. Auch Luther kommt als Referenz immer wieder vor. Nur das "unser Deutsch" des Haupttitels wird in seiner Besonderheit kaum gestreift. Der Untertitel "Reise in die Lutherzeit" kennzeichnet das eigentliche Zentrum des Buches.

Für historisch Interessierte ein fast unerschöpfliches Buch. Umfassende Quellen- und Literaturnachweise, Glossar und 'kleines Latinum für Zeitreisende' machen das Buch zu einem Nachschlagewerk.

Signatur: Gf
Schlagworte: Reformation | Geschichte | Lutherzeit
Bewertung: +++
Rez.: Hans-Wolfgang Schaller

 

 

 

 

 

Rezension des Monats Februar 2017

Roper, Lyndal: Der Mensch Martin Luther. Die Biographie. Dt. von Holger Fock u. Sabine Müller. Frankfurt: Fischer 2016. 729 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-10-066088-6, geb.: 28,00 €

Eine Lutherbiografie, die konsequent die Person des Reformators analysiert und reflektiert.

Es ist erstaunlich, welche überraschenden Einsichten eine neue Perspektive auch für die erschließt, die schon viel über den Reformator wissen. Die in Oxford lehrende australische Historikerin Lyndal Roper hat zehn Jahre intensiv geforscht, um herauszufinden, was für ein Mensch der große Reformator eigentlich war. Sie beschränkte sich dabei nicht auf Luthers Selbstäußerungen in den Tischreden und in seiner umfangreiche Korrespondenz. Sie bezieht auch Aussagen und Dokumente von Zeitgenossen in ihre Analyse ein. Was hat Luther motiviert? Wie reagierte er auf Erfolge und Niederlagen? Wie erlebte er Enthaltsamkeit, wie Familie und Sexualität? Der Autorin ist es gelungen, das umfangreiche Material systematisch im Blick  auf ihre Fragestellung zu durchdringen und die Entwicklung des Menschen Martin Luther in gefälliger Sprache auf über 500 Seiten nachvollziehbar darzustellen. In den Anmerkungen auf weiteren 120 Seiten belegt und ergänzt sie ihre Darstellung durch viele Details. 

Das Buch wird wohl zu einem Standardwerk der Lutherforschung, das - was selten ist - eine breite Leserschaft anspricht. Für Gemeindebüchereien durchaus zu empfehlen.

Signatur: Bb | Ca 2
Schlagworte: Reformation | Luther | Glaube
Bewertung: +++
Rez.: Karl Foitzik

 

 

 

 

Rezension des Monats Januar 2017

Nürnberger, Christian u. Gerster, Petra: Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten. Martin Luther. Ill. von Irmela Schautz. Stuttgart: Gabriel 2016. 208 S. : Ill. ; 22 cm. ISBN 978-3-522-30419-1, geb.: 14,99 €

Eine Lutherbiographie für kritische Zeitgenossen.

Christian Nürnberger fragt, wie aus dem einfachen Bergmannssohn der „Kerl“ werden konnte, der Papst und Kaiser trotzte und die Kirche ins Wanken brachte. In seinem für ihn typischen Stil zeichnet er Luthers Weg nach, teils humorvoll, teils kritisch, flott und phantasievoll erzählend. Dabei leiten ihn zwei Motive: Er möchte auch denen, die nicht viel über Luther wissen und von anderen Fragen umgetrieben werden als von der Frage nach einem gnädigen Gott, Luthers Beweggründe transparent machen. Zugleich fragt er immer wieder, welche Konsequenzen die zentralen Einsichten Luthers, die damals Kirche und Reich erschütterten, nach 500 Jahren immer noch für den Einzelnen, für die Gesellschaft und die Kirchen haben können und sollten. Die Kapitel sind unterschiedlich intensiv gelungen. Besonders eindrucksvoll sind dabei die ersten sowie das Kapitel über Katharina von Bora.

Das gut lesbare Buch ist eine hilfreiche Lektüre für jugendliche und erwachsene LeserInnen. Für Gemeindebüchereien sehr zu empfehlen.

Signatur: Jc | Jb
Schlagworte: Reformation | Martin Luther | Katharina von Bora
Bewertung: +++
Rez.: Karl Foitzik