Anderssein

Russo, Meredith: Birthday - Eine Liebesgeschichte. Dt. von Anne Brauner u. Susanne Klein. Bindlach: Loewe 2021. 314 S. ; 21 cm. Aus d. Amerikan. ISBN 978-3-7432-0973-2, kt.: 16,95 €
Bis Morgan sich traut, seinem besten Freund zu sagen, dass er eigentlich ein Mädchen ist, vergehen viele Jahre.
Dass Morgan im falschen Körper steckt, erfahren wir gleich auf den ersten Seiten dieses Romans. Vom gemeinsamen dreizehnten Geburtstag an begleiten wir die Freunde Morgan und Eric. Jedem Geburtstag sind Kapitel aus Morgans und aus Erics Perspektive gewidmet. Sie erzählen von Morgans Angst, Eric nach einem Coming-Out zu verlieren, von Erics mehr als freundschaftlichen Gefühlen gegenüber Morgan, von seinem Wissen, dass etwas Morgan bedrückt und seinen Überlegungen, ob der feminine Freund vielleicht schwul sein könnte. Eric ist nicht schwul und das ist der Clou der Geschichte: Ohne dass Morgan es weiß, fragt sich Eric immer wieder, warum er seinen Freund so oft als Mädchen wahrnimmt und zart begehrt. Bis zu ihrem 17. Geburtstag haben die beiden mit ihren Ängsten und Gefühlen, mit einem um seine Frau trauernden Vater (Morgans) und einem homophoben Machovater (Erics) zu kämpfen. Und natürlich insgesamt mit ihrem Umfeld, das gerade Morgan das Leben oft sehr schwer macht. Dann jedoch kommt es zu einem wunderbaren, hoffnungsvollen Happy-End.
Man fiebert mit in dieser Geschichte, die dank des beschriebenen Clous etwas Frisches und Aufregendes hat. Ein tolles Buch zu einem aktuellen Thema.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Transsexualität | Coming-out | Gender | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Wwiebke Mandalka

Creedle, Laura: Die Liebesbriefe von Abelard und Lily. Roman. Dt. von Barbara Lehnerer. München: Dt. Taschenbuch Verl. 2021. 347 S. ; 22 cm. Aus d. amerikan. Engl. ISBN 978-3-423-76316-5, geb.: 16,95 €
Lily kämpft mit ADHS, Abelard hat das Asperger-Syndrom. Das stellt ihre Liebe vor besondere Herausforderungen.
Lily, 16, leidet an ihrer ADHS-Erkrankung. Die verschriebenen Antidepressiva fühlen sich nicht gut an für sie, sie schafft es nicht, ganze Tage in der Schule auszuhalten, zerstört oft ungewollt Dinge und erhält immer wieder schlechte Noten, weil sie einzelne Aspekte der Aufgabenstellung überliest oder vergisst. Durch eine unüberlegte Aktion ihrer Schwester kommt Lily in Kontakt zu Mitschüler Abelard, mit dem sie sich fortan Nachrichten schreibt. Beide lieben den Briefwechsel von Abelard und Héloise und schreiben in ähnlichem Duktus und vielen Zitaten. Eine zarte und vorsichtige Liebesgeschichte entspinnt sich. Als Abelard einen Platz an einem College erhält, das auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen spezialisiert ist und ihn hervorragend wird fördern können und Lily die Möglichkeit zu einer experimentellen Operation bekommt, die ihr ein „normales“ Leben ermöglichen könnte, stehen dem Paar schwierige Zeiten bevor. Eine gut erzählte Liebesgeschichte, die zudem einen Einblick in das Leben mit ADHS bietet und zum Nachdenken anregt. Die Autorin ist selbst betroffen, was den Roman zusätzlich überzeugend macht.
Für Büchereien mit jugendlichen Leser*innen und Jugendleseclubs geeignet.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: ADHS | Asperger | Liebe | Verantwortung
Bewertung: +++
Rez.: Wwiebke Mandalka

Boyne, John: Mein Bruder heißt Jessica. Roman. Dt. von Adelheid Zöfel. Frankfurt am Main: Fischer KJB 2021. 256 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-7373-4219-3, geb.: 14,00 €
Coming-Out und Übergang zur Trans-Frau, und was das mit seiner Familie macht, erzählt aus der Perspektive des kleinen Bruders.
Sein großer Bruder Jason war immer Sams Held und Vorbild, gut aussehend, allgemein beliebt und ein brillanter Fußballer.Als Jason seiner Familie eröffnet, dass er eigentlich ein Mädchen ist, bricht die Welt zusammen. Die Eltern, sie eine ambitionierte Politikerin, beschließen, ihren Sohn umtherapieren zu lassen und den Fakt an sich unter allen Umständen geheim zu halten. Und Sam ist hin- und hergerissen zwischen Geschwisterliebe und dem Gefühl verraten und im Stich gelassen zu sein. Halb geflüchtet halb abgeschoben lebt Jason dann bei seiner Tante, wo er endlich Jessica sein kann. Nachdem die „psychischen Probleme“ in der Familie doch an die Öffentlichkeit gelangen, kommt Jessica als Jason verkleidet zu einer Pressekonferenz, um den Eltern zu helfen. Im Fußball-Trikot und mit geschorenen Haaren wird sein Leiden aber auch diesen klar, und am Ende wird alles gut: Die Mutter wird Premierministerin und Sam liebt seine große Schwester.
Für Erwachsene vielleicht ein bisschen zu plakativ erzählt, für die Altersgruppe aber durchaus richtig und wichtig.Nicht John Boynes bestes Buch, aber der Name verhilft dem wichtigen Thema Transsexualität sicher zu mehr Aufmerksamkeit. Ab 12.
Signatur: Ju 3
Schlagworte: Transgender | Geschwister | Familie
Bewertung: +++
Rez.: Sabine Klohn

Ein Name für den Fisch. Geschichten vom Mitbestimmen und Mitmachen im Kindergarten. Rüdiger Hansen u. Raingard Knauer. Ill. von Matthias Bergahahn. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2018. 29 S. : überw. Ill. ; 17 cm. (Leon und Jelena). ISBN 978-3-86793-794-8, kt.: 3,00 €
Die Fische im Kindergartenaquarium sind für Adil und Esma, die gerade erst aus Syrien gekommen sind, eine große Hilfe, um schneller Anschluß bei den anderen Kindern zu finden.
In der Kinderkonferenz der Kindergartengruppe wird eifrig darüber diskutiert, wie der neue Fisch im Aquarium der Einrichtung heißen soll. Adil und Esma, die erst vor kurzem mit ihren Eltern aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, sitzen zwar auch schon mit dabei, verhalten sich aber, vor allem da sie die fremde Sprache nicht verstehen, noch sehr abweisend und unsicher. Die Fische finden sie allerdings auch toll und es zeigt sich, dass gerade diese es sind, die das Ankommen in der unbekannten Umgebung für die beiden Geschwister erleichtern.Die einfühlsam erzählte Geschichte verbindet geschickt das Thema Mitbestimmung und Demokratie, mit dem des Fremd- bzw. Andersseins und den damit verbundenen Ängsten.Die doppelseitigen, farbigen Illustrationen wirken, trotz vieler Details, nicht überladen, sondern lenken den Blick auf die für das Verständnis wesentlichen Dinge. Zusätzlich erklären und ergänzen kurze Textstücke mit viel wörtlicher Rede das Geschehen auf jeder Seite.
Das Büchlein eignet sich sehr gut, um mit Kindern, schon ab dem Kindergartenalter, über aktuelle Themen wie Fremdheit oder Migration ins Gespräch zu kommen.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Kindergarten | Fremdsein | Mitbestimmung | Sozialverhalten
Bewertung: +++
Rez.: Brigitte Heimerl

Robinet, Jayrôme C.: Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund. München: Hanser Berlin 2019. 210 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-26207-2, geb.: 20,00 €
Ein Buch über die persönliche Geschichte einer Transition.
Jayrôme C. Robinet wurde in Frankreich mit sizilianischen Großeltern geboren und lebte früher als weiße Frau. Schon früh zog es ihn nach Berlin. Reflektiert, klug und humorvoll erzählt er in diesem Buch von seinen persönlichen Erfahrungen während der eigenen Transition. Mit der lang ersehnten Testosteron-Einnahme beginnt für Robinet eine zweite Pubertät. Endlich kann er als Mann leben, doch wird er plötzlich einige Jahre jünger geschätzt und es passiert immer öfter, dass er als Person of colour gelesen wird. Auf einmal werden Passkontrolle, Umkleidekabinen und der Besuch am Badesee zum Problem. Das Verhalten seiner Umwelt ihm gegenüber ändert sich grundlegend und er hat den direkten Vergleich. Begleitet von einer romantischen Liebesgeschichte teilt er mit seinen Leser*innen seinen queeren Alltag aus der Innenperspektive. Er spricht über Privilegien, Diskriminierung, Solidarität und unterstreicht einmal mehr die Zwänge und Defizite patriarchaler Strukturen und Verhaltensmuster.
Ein berührendes und mitreißendes Buch, das sowohl Privilegien bewusst werden lässt als auch den eigenen Horizont enorm erweitert und mit Vorurteilen aufräumt.
Signatur: Bb | SL
Schlagworte: Transidentität | Geschlecht | Transition | Patriarchat
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Zuhause gesucht! Wieland Freund. Ill. von Tine Schulz. Weinheim: Beltz & Gelberg 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 18 cm. ISBN 978-3-407-82335-9, geb.: 8,95 €
Ein kleiner Drache setzt im Tierheim alles daran, ein neues Zuhause zu finden.
Ein kleiner Drache sitzt im Tierheim und versteht die Welt nicht mehr: Obwohl er sich so wahnsinnig anstrengt, den jeweiligen Vorstellungen der Tierheimbesucher*innen zu entsprechen, gehen doch alle am Ende mit einem Tier nach Hause, das etwas eleganter, etwas sauberer oder etwas weniger furchterregend ist. Sein Potential zum besten Haustier der Welt erkennt keiner. Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, taucht eine Familie auf, die alle oben genannten Attribute versammelt in einem Tier sucht. Dann entdeckt sie den kleinen grünen Kerl – und es ist Liebe auf den ersten Blick. Diese Geschichte wird kleinen und großen Leser*innen gleichermaßen Freude bereiten. Die Anstrengungen, die der Drache unternimmt, um eine Familie zu finden, sind lustig und herzzerreißend zugleich. Und am Ende steht die Gewissheit: Sich verbiegen bringt nichts, du bist ganz genau richtig, wie du bist.
Ein Bilderbuch mit einer schönen Botschaft, in dem es zudem viel zu entdecken gibt. Sehr gern empfohlen!
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Identität | Anderssein | Tierheim | Pappbilderbuch
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Benz, Karolina: Der blaue Fuchs. Ravensburg: Ravensburger Buchverl. 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 27 cm. ISBN 978-3-473-44704-6, geb.: 12,99 €
Vom Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen.
Der blaue Fuchs sucht ein Zuhause für sich und seine Teekanne Kamilla. Aber nirgends gefällt es ihm so richtig gut; und so wandert der blaue Fuchs weiter, bis er zu einem großen Wald kommt, in dem viele rote Füchse leben. Hier möchte er gern bleiben und mit den roten Füchsen Freundschaft schließen. Aber die roten Füchse wollen ihn nicht bei sich haben, er ist ihnen fremd mit seinem blauen Fell. Sie versuchen ihn zu vertreiben - nur der Kleinste von ihnen widersetzt sich der Mehrheit. Er stoppt die anderen und es gelingt ihm, dass alle noch einmal genau hinschauen, das Verbindende sehen und den blauen Fuchs in ihrer Mitte willkommen heißen. Ein farbenfrohes Bilderbuch mit Zeichnungen, die etwas abstrakt anmuten. Der Text ist zumeist in die Bilder eingebunden. Schön ist, dass die wörtliche Rede größer gedruckt ist und jeweils in der Farbe der Sprecher/in daherkommt. Das Buch regt zum Nachdenken über das eigene Tun und Verhalten gegenüber ‚Fremdem‘ an, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben.
Sehr empfehlenswert für Kinder ab 3 Jahren zum Vorlesen. Eine kindgerechte Auseinandersetzung mit den Themen Fremdheit und Integration.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Fremdheit | Integration | Mut | Anderssein
Bewertung: +++
Rez.: Margot Haffke

Baltscheit, Martin: Der einsamste Wal der Welt. Hamburg: Carlsen 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 25 cm. ISBN 978-3-551-51064-8, geb.: 16,00 €
Basierend auf der wahren Geschichte von einem Wal, der auf einer viel höheren Frequenz singt - ist er dadurch einsam?
Schon ein Jahr nach seiner Geburt singt der kleine Wal, jedoch so hoch, dass niemand ihn hören kann. „Dann ist er eben ein stummer Wal", urteilt sein Vater. Eines Tages kommen Walfänger, der kleine Wal kann sich zwar verstecken, verliert aber seine Eltern, denn diese können ihn ebenso wenig hören wie das hübsche Walmädchen, das ihm begegnet. Als der Erzähler der Geschichte, ein alter Soldat, hinabtaucht in die Tiefen des Ozeans, um den Wal zu finden, vollzieht sich ein interessanter Perspektivwechsel: Aus Sicht des Wales ist der Taucher, der eine andere Sprache spricht, der einsamste Blasenfisch der Welt. Klappt man das vierseitige Panoramabild am Ende der Geschichte aus, wird deutlich, wie bunt die Unterwasserwelt ist, so dass jeder jemanden finden wird, der seine Sprache spricht.Eine kunstvolle Geschichte über das Anderssein und einseitige Sichtweisen. Stimmungsvolle Illustrationen und eine schnörkellose, auf das Wesentliche reduzierte Sprache lassen Raum für die eigene Fantasie.
Sehr gut geeignet für Vorlesestunden in der Bücherei oder Kindertagesstätte, da die Geschichte Anlass zum Gespräch und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Sichtweise bietet.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Anderssein | Natur | Tiere | Wale
Bewertung: +++
Rez.: Claudia Birk-Gehrke

Der Junge im Rock. Kerstin Brichzin. Ill. von Igor Kuprin. Bargteheide: minedition 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-86566-328-3, geb.: 13,95 €
Felix liebt es Röcke und Kleider zu tragen, doch sein soziales Umfeld reagiert darauf ganz unterschiedlich.
Das farbenfroh illustrierte Kinderbuch erzählt die Geschichte von Felix, der am liebsten Röcke trägt. Er findet es toll, dass diese so luftig sind und beim Klettern und Rennen nicht an den Beinen zwicken. Er tauscht sogar seine Hosen gegen die Kleider seiner Schwester Ava ein, bis er eines Tages endlich seine eigenen bekommt. Felix ist ein glückliches Kind, doch nach einem Umzug in eine kleinere Stadt stößt Felix im neuen Kindergarten auf einmal auf Ablehnung von Seiten der anderen Kinder und Erwachsenen. Er verweigert den Kindergarten, bis auch sein Vater aus Solidarität beginnt Röcke zu tragen. Gemeinsam laufen die beiden durch die Straßen und sammeln neuen Mut. Mit seinem Selbstbewusstsein schafft es Felix letztendlich die anderen Kinder zu überzeugen, dass Röcke nicht nur Mädchensache sind und wird bekannt als „der Junge im Rock“. Kindgerecht und anschaulich erzählt, hilft dieses Buch Vorurteile zu hinterfragen und leistet einen wertvollen Beitrag für ein respektvolles Miteinander.
Ein tolles Buch für das Kindergarten- und Grundschulalter. Sowohl zum Vor- als auch zum ersten Selberlesen geeignet.
Signatur: Jm 1 | Ju 1
Schlagworte: Geschlechterrollen | Toleranz | Individualität
Bewertung: +++
Rez.: Rosa Bömelburg

Murata, Sayaka: Die Ladenhüterin. Roman. Dt. von Ursula Gräfe. Berlin: Aufbau 2018. 144 S. ; 22 cm. Aus d. Japan.ISBN 978-3-351-03703-1, geb.: 18,00 €
Die Außenseiterin Keiko lernt als Aushilfskraft in einem 24-Stunden-Supermarkt, sich in die Gesellschaft einzugliedern.
Durch Zufall stößt Ich-Erzählerin Keiko auf einen neu eröffneten Supermarkt, in Japan Konbini genannt. Dort sucht man Aushilfskräfte. Instinktiv spürt die ungelenke Frau, dass sie hier ihre Bestimmung findet. Die Welt im Konbini ist überschaubar. Keiko wird schnell zu einer unverzichtbaren Mitarbeiterin. Um nicht anzuecken, schaut sie sich die angemessene Mimik und das adäquate Verhalten bei Kollegen und Kunden einfach ab. 19 Jahre jobbt sie dort, bis der Taugenichts Shiriha auftaucht. Keiko lässt ihn, sehr zur Freude ihrer besorgten Familie, bei sich wohnen, kündigt ihren Job und macht ihm sogar einen Heiratsantrag, bis sie bald darauf wieder einen Supermarkt betritt. Da merkt sie, wo ihre wahre Liebe liegt. Dieses schmale, in mancher Hinsicht befremdliche Buch mit dem doppeldeutigen Titel ist in Japan ein vielfach ausgezeichneter Bestseller. Er geht nicht nur wegen seiner erzählerischen Schlichtheit unter die Haut. Wer sich darauf einlässt, wird eine Menge zum Nachdenken bekommen.
Eine literarische Sensation aus Japan, für Büchereien mit interessiertem Publikum bestens geeignet.
Signatur: SL
Schlagworte: Japan | Außenseiter | Gesellschaft
Bewertung: +++
Rez.: Martina Mattes

Woltz, Anna: Für immer Alaska. Dt. von Andrea Kluitmann. Hamburg: Carlsen 2018. 173 S. ; 21 cm. Aus d. Niederländ. ISBN 978-3-551-55378-2, geb.: 12,00 €
Ein berührender Roman aus zwei Perspektiven zum Thema Anderssein.
Ein neues Schuljahr, eine neue Schulklasse. Für Sven soll diesmal alles anders werden: Er will nicht wieder als der arme kranke Junge mit den gruseligen epileptischen Anfällen dastehen. Mit seiner frischausgebildeten Assistenzhündin Alaska will er auf keinen Fall gesehen werden. Parker ist eigentlich alles um sie herum egal. Nach einem Raubüberfall, bei dem ihr Vater angeschossen wurde, hat sie vor allem Angst. Zudem leidet sie unter dem Verlust ihrer Hündin Alaska, die sie wegen der Allergie ihres Bruders vor einem Jahr abgeben musste. Gleich am ersten Schultag tut sich Sven als Mobber hervor, als er erfährt, dass Parker Lieder bellen kann wie ein Hund. Was er nicht weiß: Parker hat ihn mit Alaska gesehen. Und sie will sie um jeden Preis zurück. Was folgt: Sven mobbt Parker, Parker belügt Sven. Beide kämpfen für sich, um ihren Hund, um Normalität. Dann wird Sven selbst Mobbingopfer und Parker fasst einen Plan…
Eine kluge Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen für die Nöte ihrer ProtagonistInnen. Themen wie Mobbing, Krankheit und Empathie sind gekonnt zu einem stimmigen Ganzen verwoben und bieten zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten.
Signatur: Ju 2
Schlagworte: Anderssein | Krankheit | Epilepsie | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Wiebke Mandalka

Wer hat schon eine normale Familie? Belinda Nowell. Ill. von Míša Alexander. Hg. und dt. von Christel Rech-Simon. Heidelberg: Carl Auer 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 22 cm. (Carl-Auer Kids). Aus d. Engl. ISBN 978-3-8497-0203-8, geb.: 15,95 €
Ein Bilderbuch, das die Vielfalt von Familienformen abbildet und den Normalitätsbegriff hinterfragt.
Max „neue" Schwester ist ein Pflegekind. Als Max davon in der Schule erzählt, finden seine Klassenkameraden: „Das ist nicht normal!" Max beschäftigt dieser Satz sehr. Er vertraut sich zu Hause seiner Mutter an und diese hat eine tolle Idee: Mit Hilfe eines Klassenfotos kommen die beiden über andere Familien(konstellationen) ins Gespräch und stellen fest: Keine Familie entspricht dem vermeintlichen „Idealbild". Denn „jede Familie ist anders, und das ist die normalste Sache von der Welt." Dieses liebevoll illustrierte Bilderbuch greift ein wichtiges Thema der Kinderwelt auf: den Wunsch dazuzugehören. Kinder beobachten sehr genau, wie man sich zu verhalten hat, um wie alle anderen zu sein. Gleichzeitig definiert auch die Erwachsenensprache, was, wer oder welches Verhalten „normal" ist. Das Buch kann heilsam für die kindliche und erwachsene Seele sein und eine offenere und schubladenfreiere Perspektive auf die Welt ermöglichen.
Dieses Buch ist eine Einladung zum Austausch von Sichtweisen und Erlebnissen - an Kinder ab 4 Jahren und ihre Bezugspersonen. Mit einem Nachwort für Eltern und Erzieher/innen.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Familie | Anderssein | Adoption | Pflegekinder
Bewertung: +++
Rez.: Lena Danneberg

Der volllkommmen normale Herr Gnirzdefrrrtz. Martin Fuchs. Ill. von Fréderic Bertrand. Leipzig: Klett Kinderbuch 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 20 cm. ISBN 978-3-95470-183-4, geb.: 14,00 €
Nur weil jemand Hjolllschdequttelicki Gnirzdefrrrtz heißt, soll er nicht in Ordnung und absolut normal sein? Wieso das denn?
Auf den ersten Blick wirkt Herr Gnirzdefrrrtz außergewöhnlich, auf den zweiten ganz normal. Denn dann kennen wir ihn ja schon! Manche meinen, er sei nicht ganz normal, er sei ein komischer Typ. Aber wenn wir ihn uns ganz genau anschauen, dann kann es wohl nicht an seinem Bart liegen, der aus 1000 grünen, lustigen Tausendfüßlern besteht, auch nicht an seinen kunterbunten Zähnen, seiner Kleidung aus morschen Ästen und Ranzwanzen, seinen drei Augen (zwei zum Essen, eins zum Hören) mit Austauschexemplaren für Weihnachten namens Glitzi-Glupsch-Festtagsaugen … nee, so sind wir doch alle! Wir sind doch alle ein bisschen durchgeknallt. Jeder ist anders, jeder ist ein Original und somit herrlich normal. Jeder darf er selbst sein. Mit diesem graphisch toll umgesetzten Vorlesebilderbuch merken das selbst schon die Kleinsten. Sehr wertvoll!
Ein witziges Vorlesebuch mit farbenfrohen originellen Zeichnungen, welches junge LeserInnen ab 3 begeistern wird.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Individuum | Anderssein | Akzeptanz | Humor
Bewertung: +++
Rez.: Anne Tebben

Viale, Marco: Vorsicht. roter Wolf. Dt. von Ulrike Schimming. Frankfurt: Sauerländer 2018. O. Pag. : überw. Ill. ; 30 cm. Aus d. Ital. ISBN 978-3-7373-5438-7, geb.: 16,99€
In eine blau geordnete Welt voll blauer Wölfe kommt ein roter Wolf.
In der blauen Stadt der blauen Wölfe ist alles geregelt. Und das bitte schön in blau. Alle machen immer das gleiche. Wohnen in blauen Häusern mit zwei Fenstern, stehen zur selben Zeit auf, trinken Kaffee aus blauen Tassen, tragen blaue Krawatten und setzen sich in ihre blauen Autos, um zur Arbeit zu fahren. Selbst Pipi machen läuft unisono ab. Selbstverständlich in blau. Dann kommt da plötzlich ein roter Wolf. Auf einem Fahrrad. Pfeifend. Und auch noch unverschämt glücklich. Als er nach einiger Zeit die Stadt wieder verlässt, haben die blauen Wölfe viel über die Bedeutung des Pfeifens gelernt. Und bald schon naht ein gelber Wolf. Großartig wie Viale mittels Größe, Farbe, Typografie und Perspektive die Atmosphäre einfängt und Spannung aufbaut. Auf einer Doppelseite führt er am linken Bildrand mit Schrift und Farbe den kleinen roten Wolf ein, während die rechte Seite die blaue Blechkarawane der Wölfe ausfüllt, die starr in ihrer Bewegung eingefroren scheint. Ein Hoch auf das Pfeifen, verkörpert es hier doch eine Lebenshaltung in der Freude, Selbstbestimmung und Müßiggang möglich ist.
Für Kindertagesstätten und Grundschulen. Gerne empfohlen für alle Bestände.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Individualität | Anderssein | Lebensfreude
Bewertung: +++
Rez.: Anna Winkler-Benders

Frank, Astrid: Enno Anders. Löwenzahn im Asphalt. Ill. von Regina Kehn. Stuttgart: Urachhaus 2017. 158 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978-3-8251-5122-5, geb.: 14,90 €
Auch ANDERS kann gut sein...
Mit Enno stimmt was nicht. Enno ist anders, anders, anders." Und Enno tut sich wirklich schwer, in der Schule und daheim den Erwartungen der Erwachsenen gerecht zu werden. Mit seiner Klassenlehrerin Frau Wolf, die immer nur seine Defizite sieht, ist es nicht leicht und auch Ennos Mutter verliert mitunter die Geduld mit Ennos „Macken". Nur sein einziger, hochbegabter Freund Olsen versteht Enno und seine Anpassungsschwierigkeiten. Doch durch die Hilfe von Olsens Mutter, die für Ennos Familie einen Termin beim Psychologen macht, kommt Bewegung in die scheinbar ausweglose Situation. Denn Enno ist weder hoch- noch tiefbegabt, sondern hochsensibel. Er nimmt daher viel mehr wahr als die anderen Kinder und braucht Zeit, alles zu verarbeiten. Und mit dieser Erkenntnis wächst Verständnis für diesen besonderen Jungen und seine Fähigkeiten. - Eine sensible Geschichte, die tiefreichendes Verständnis für die Andersartigkeit von Kindern zu wecken versteht und Zuversicht nährt, dass ihr Leben gelingt.
Bestens geeignet für Kinder am Ende der 4. Grundschulklasse.
Signatur: Ju 2
Schlagworte: Anderssein | Hochsensibilität | Freundschaft
Bewertung: +++
Rez.: Karin Steinfeld-Bartelt

Stromer. Sarah V. Ill. von Claude K. Dubois. Dt. von Tobias Scheffel. Frankfurt: Moritz 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 16 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-89565-342-1, geb.: 12,95 €
Ein Kind begegnet einem Obdachlosen.
Das Bilderbuch erzählt zwei Geschichten, die schließlich zusammengeführt werden. Die eine Geschichte handelt von einem Kind, das morgens behütet aufsteht und mit seiner Mutter zur Schule geht. Die andere Geschichte berichtet von Stromer, einem Mann ohne festen Wohnsitz, der auch aufstehen muss. Aber sein Start in den Tag ist ganz anders als der des Kindes. Von dem Kontrast Ordnung - Unordnung, Schutz - Sorge lebt das Buch. Stromers Geschichte ist ausführlicher, weil das Buch auf Empathie mit Stromer angelegt ist. Das Kind entdeckt Stromer und durchbricht seine Mischung aus Scham, Einsamkeit und Ausgrenzung mit der kindlichen Frage: Magst du einen Keks? Es wird der beste Keks für Stromer. Nähe ist ein Lebenselixier. Die Farben der Bilder sind zart, hell. Die Linien sind fließend ohne starke Kontraste. Der Inhalt bietet genug Kontrast.
In Kindertagesstätten und Grundschulen kann das Buch eingesetzt werden. Oder in einer Andacht zum Thema Obdachlosigkeit.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Obdachlosigkeit | Mitgefühl | Perspektivwechsel
Bewertung: +++
Rez.: Martin Schulz

Pin, Isabel: Du nicht! Rostock: Hinstorff 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 30 cm. ISBN 978-3-356-02155-4, geb.: 16,99 €
Eine Robbe findet neue Freunde bei den Pinguinen - bis die Vögel elementare Unterschiede bemerken.
Die drei Pinguine staunen nicht schlecht, als ein neuer Spielgefährte auf sie zuschlurft: Kautschuk nennt er sich und bereichert das Trio gleich mit seinen guten Einfällen. Und mit ihm macht alles doppelt so viel Spaß! Dass er anders aussieht, bemerken die Vögel erst, als alle zusammen einen Schneepinguin bauen wollen und Kautschuk den Schnabel dazu auftreiben soll. Der jedoch bringt einen Stein, dann eine Muschel - erst da nehmen die Pinguine seine Andersartigkeit wahr! Nun wird Kautschuk gemieden, doch seine guten Ideen fehlen den anderen bald. - Verpackt in eine Geschichte mit wunderbar klaren Illustrationen, vorwiegend in weiß, schwarz und blau, kommt die Botschaft schon bei kleinen Kindern an: Das vermeintlich Fremde muss kein Ausschlusskriterium sein für Freundschaft. Im Gegenteil: Gemeinsamkeiten zwischen Gleichaltrigen finden sich über Länder- und Völkergrenzen hinweg.
Ein wunderschönes Bilderbuch, das sich bestens als Einstieg zum Thema "Fremd sein" in Kita und Bibliothek anbietet.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Freundschaft | Anderssein
Bewertung: +++
Rez.: Margarete Barth-Specht

Biddulph, Rob: Ein bunter Hund. Dt. von Steffen Jacobs. Zürich: Diogenes 2017. O. Pag. : überw. Ill. ; 29 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-257-01212-5, geb.: 16,00 €
Eine Hundedame sticht aus der grauen Masse ihrer Mithunde hervor.
In der Stadt der Hunde geht alles sehr geordnet zu. Einheitskleidung wird getragen und keiner tanzt aus der Reihe. Aber eine Ausnahme gibt es doch: Eine Hundedame trägt Kunterbunt und sie bewegt sich gegen den Strom. Doch alleine Anderssein macht einsam. Deshalb begibt sie sich auf die Suche nach anderen bunten Hunden so wie sie einer ist. Ihre Reise bringt sie bis nach Bellowood, der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Dieses Bilderbuch des gebürtigen Briten besticht durch klare Formen und Farben. Konformität trifft auf etwas Chaos. Die einzelnen Seiten passen sich in ihrer Gestaltung dem Rhythmus des gereimten Textes an. Und dieser wiederum fügt sich wohldosiert und -platziert in die ganzseitigen Farbillustrationen ein. Detailreich, witzig, emotional und mit einer Portion britischem Patriotismus sendet dieses Buch die Botschaft aus, Mut zum Anderssein zu haben.
Ein sehr empfehlenswertes Bilderbuch gegen den Mainstream mit britischem Charme. Nicht nur für Hundeliebhaber zum Vorlesen und Selberlesen für jung und alt geeignet.
Signatur: Jm 1
Schlagworte: Außenseiter | Toleranz | Anderssein
Bewertung: +++
Rez.: Brigitte Elstner-Steinbach