Interview mit Nikola Huppertz
Am 12. August erschien im Tulipan Verlag das neue Buch unserer Ev. Buchpreisträgerin von 2022 Nikola Huppertz: "Fürs Leben zu lang".
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Liebe Frau Huppertz,
das gleich vorab: Vielen Dank für dieses wunderbare Buch! Ich habe jede Seite geliebt und freue mich darauf, es möglichst vielen Menschen ans Herz zu legen.
Das freut mich ungemein!
„Fürs Leben zu lang“ enthält eine Vielzahl von Themen. Ich habe zwar eine starke Vermutung – aber gab es eines, das den Grundstein zu diesem Buch gelegt hat?
Wer mich schon mal stehend gesehen hat, weiß, dass ich selbst sehr lang bin, und als Teenager hat mir das Unbehagen bereitet. Es hat gedauert, bis ich mich meiner Größe gewachsen fühlte und in meinem Körper zu Hause war, und diese Erfahrung war ein Ausgangspunkt, als ich die Hauptfigur Magali Weill erfand.
Vor allen Dingen hatte ich aber vor, eine Geschichte übers Sterben zu schreiben. Nicht über die Schrecken, die damit verbunden sind, sondern auf friedvolle Weise. Sterben kann hässlich sein, und es verstört, so etwas mitzuerleben. Aber ich bin mir sicher, dass Sterben auch einvernehmlich, vielleicht sogar versöhnlich geschehen kann. Das heißt nicht, dass es in solch einem Fall weniger traurig ist, einen Menschen zu verlieren, oder dass sich die eigene Angst vor dem Tod auflöst. Aber es lässt sich daraus einiges ableiten, nicht nur für ein gelungenes Lebensende, sondern auch für alles davor.
Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu pickelig, zu schiefe Zähne … die Liste der körperlichen Mängel, die Jugendliche aber bereits auch Kinder an sich empfinden oder die ihnen vermittelt werden, ist lang. Was sagen Sie unglücklichen Kindern und Jugendlichen?
Jeder und jede hat sie, diese angeblichen Mängel. Irgendwas lässt sich immer finden, gerade im Vergleich zu den aufgehübschten Bildern, die uns überall präsentiert werden. Was wir ausstrahlen, wie und womit wir den Raum füllen, den wir betreten, welche Wirkung wir auf unser Gegenüber haben, hängt aber von anderen Dingen ab. Das ist kein dummes Trostgeschwätz, es ist wirklich so. Schönheit hat etwas mit Persönlichkeit zu tun, mit Offenheit, Temperament, Zugewandtheit, Lebenslust, Kreativität. Man kann perfekt aussehen, ohne ein schöner Mensch zu sein. Und umgekehrt.
Das Buch spielt rund um Ostern und passend dazu sind wichtige Themen die Frage nach einem guten Leben und dem Sterben. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Die Geschichte sollte im Frühling spielen und Magali sollte (zu) viel Zeit haben, also Ferien. Das führte mich zwangsläufig zu Ostern. Erst hat mir das Schwierigkeiten bereitet, ich wollte auf keinen Fall, dass die Bedeutung dieses Festes sich in den Vordergrund drängt und der Roman dadurch aufgeladen wird. Dann habe ich gemerkt, dass Ostern Magali aber auch veranlassen kann, sich bestimmte Fragen übers Leben und Sterben zu stellen. Sie glaubt nicht an eine Auferstehung nach dem Tod, glaubt nicht an eine vom Körper getrennte Seele, nicht an Erlösung. Aber es ist kein Zufall, dass sie ausgerechnet am Ostersonntag durch ihren Mittagsschlaf in den Tiefen der Baugrube erfährt, dass man hier, in diesem konkreten Leben, immer wieder „kleine Wunderchen“ erleben kann. Vielleicht reicht einem jemand im richtigen Moment die Hand oder man findet auf andere Weise Kraft, um sich hochzurappeln und den Tag zu bestreiten.
Wir bei Eliport sind bekanntlich große Hundefreundinnen, daher hat uns die Geschichte von Husky Snow natürlich sehr berührt. Haben Sie selbst einen Hund und einen Sendungsauftrag oder ist er eher als Bindeglied zwischen den Wohnungen zu lesen?
Hunde können wunderbare Gefährten sein, besonders, wenn man sich inmitten von Menschen einsam fühlt, wie Magali. Sie nehmen einen auf andere Weise wahr, sind treu ergeben und außerdem verschwiegen. Das habe ich als Kind und Teenager selbst durch unseren Familienhund erleben dürfen, und ich wollte Magali einen solchen Gefährten an die Seite stellen – denn den hat sie bitter nötig. Gleichzeitig hat Snow eine besondere Position in der Hausgemeinschaft inne. Der Husky passt nicht recht in dieses gutbürgerliche Mehrfamilienhaus, schon gar nicht in die Unruhe der Familie Siemerding. Im Grunde ist er ein alter Wolf, genau wie Herr Krekeler, und braucht Magali genauso wie sie ihn.
Zudem sind wir Eliportlerinnen auch notorisch neugierig: Hat Herr Engstler den Brief an Magali und Kieran selbst geschrieben?
Ja. Achim Engstler, der „lebende Philosoph Engstler“, hat meinen Roman von Anfang an lesend und kritisierend begleitet und kannte die Figuren ebenso gut wie ich selbst. Als Magali und Kieran sich mit ihrer Frage nach dem richtigen Leben an ihn wandten, hat er darum auch postwendend geantwortet. Sein Brief ist unverändert in das Buch eingeflossen. Für mich war er eine wunderbare Steilvorlage für die nächsten Kapitel. Darüber hinaus hat es großen Spaß gemacht, Achim als Figur in meinem Buch auftreten zu lassen. Schreiben ist Spiel, und die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion sind oft fließend.
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