Globalisierung

Hamid, Mohsin: So wirst du stinkreich im boomenden Asien. Roman. Dt. von Eike Schönfeld. Köln: DuMont 2013. 223 S. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-8321-9715-5, geb.: 18,99 €

Irgendwo in Asien kämpft sich ein armer Junge nach oben, muss dann aber erkennen, dass das Glück ganz woanders liegt.

Hinter dem nur spielerisch verfolgten Konzept eines Selbsthilfebuchs zum Aufstieg aus der bedrückenden Situation in den Slums dieser Welt versteckt der Autor die spannende und zugleich anrührende Lebensgeschichte eines Jungen, der vom Land in den Strudel einer Megapole gerät. Mit Intelligenz und Ehrgeiz ausgestattet, erkennt er die Funktionsmuster der Aufsteiger und der Wohlstandsgesellschaft, macht sie sich zu eigen, gründet ein Trinkwasserimperium und stürzt ab, weil sein von ihm ernannter Geschäftsführer jünger, noch gerissener und skrupelloser ist als er. Kunstvoll verbindet der Autor diese Kritik an der Globalisierung und den Mechanismen der  Korruption mit der Entwicklung des Gefühlslebens seiner Hauptfigur. Im Mittelpunkt steht das „schöne Mädchen“, das eine ganz ähnliche Karriere macht. Kurz vor ihrem Tod erkennen beide den wahren Wert des Lebens in einer stillen Form der Liebe.

Ein Insiderbericht über die Folgen der Globalisierung in einem Land der Dritten Welt, aber auch ein zeitloser, hinreißender Liebesroman. Engagiert und zugleich distanziert erzählt. 

Signatur: SL
Schlagworte: Globalisierung|Aufsteiger|Asien|Korruption
Bewertung: +++
Rez.: Rüdiger Sareika

Victor, Sylvain: Das rote Trikot. Eine afrikanische Reise. Dt. von Catherine Cornet. Hamburg: Aladin 2013. O. Pag. : überw. Ill. ; 21 cm. Aus d. Franz. ISBN 978-3-8489-0009-1, geb.: 12,90 €

Ein rotes Sporthemd reist einmal um die Welt und nutzt dabei Recyclingwege.

Dieses Bilderbuch braucht keine Worte. Es zeigt, wie ein rotes Trikot in der Kleidungsfirma produziert wird, wie es in ein Sportgeschäft geliefert wird, dort für einen Jungen gekauft wird, der es trägt, bis er es nicht mehr mag. Dann landet es in einem Recycling-Container, wird an die Elfenbeinküste verschifft und erfreut dort weitere Jungen verschiedener Größe, bis es schließlich auch in Afrika auf dem Müll landet. Dort findet es ein kreativer Handwerker, der kleine Holzfiguren herstellt. Das rote Trikot mit der Acht schmückt dann eine handgroße kleine Puppe, die ganz genau die Jubelgeste macht wie die vielen lebendigen Jungen, als sie ihr neues Shirt bekamen. Der erste Besitzer des Trikots kommt sodann als Tourist nach Afrika, und sein Vater kauft ihm die kleine Holzfigur. Ein charmant gezeichnetes Bilderbuch ohne moraline Zwischentöne, das ganz gut geeignet ist, Kindern Recyclingwege vertraut zu machen sowie auch das Leben mit seinen manchmal verrückten Zufällen.

Ein Bilderbuch mit vielen freundlichen Details mit ernstem Hintergrund, das sich hervorragend zum gemeinsamen Anschauen eignet.

Signatur: Jm 1|
Schlagworte: Afrika|Recycling|Sport|Globalisierung
Bewertung: +++
Rez.: Frank Hiddemann

Kuschnarowa, Anna: Kinshasa Dreams. Roman. Weinheim: Beltz & Gelberg 2012. 379 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-407-74369-5, kt.: 14,95 €

Das junge Boxtalent Jengo verlässt Kinshasa, um sich nach Paris durchzuschlagen und Champ zu werden.

Gleich geht es in den Ring und für Jengo mal wieder um alles. Sein Trainer macht ihm noch Mut. Pressetermine. Aufwärmübungen. Aber Jengo nimmt all das kaum noch wahr; in Gedanken lässt er seine Lebensgeschichte vorüberziehen. Wie er Kinshasa und seine Kindheit hier zurücklässt, als sein Vater erschossen wird. Wie er mit einem Freund nach Paris aufbricht, um dort seinen Traum von der Boxerkarriere wahrzumachen. Wie er in den Slums von Kairo hängen bleibt und immer wieder ausgeliefert ist: Sektierern, Schleusern, EU-Grenzbeamten. Und immer wieder findet Jengo in der vermeintlich feindlichen Fremde Freunde, die ihm eine Unterkunft geben, einen Job oder eine Trainingsmöglichkeit. Das rasante Abenteuer durch drei Metropolen lebt von der fundierten Charakterisierung dieser Orte genauso wie von der tiefen Einfühlung in seinen Protagonisten. Und am Ende ist es nicht nur die allgegenwärtige Grenze Europas, in der Jengos Träume ihre Grenze finden.

Ein wichtiges, aber vor allem auch ein gutes Buch. Anregung zu einer Auseinandersetzung mit dem Kongo, Rassismus oder europäischer Flüchtlingspolitik.

Signatur: Ju 3
Schlagworte: Asyl|Sport|Religion
Bewertung: +++
Rez.: Malte Möck

Die Ernährungsdiktatur. Warum wir nicht länger essen dürfen, was uns die Industrie auftischt. Tanja Busse. 1. Aufl. München: Blessing 2010. 334 S. ; 22 cm. ISBN 9783896674203 kt.: 16.95€

Sachbuchthriller über die zweifelhaften Segnungen der industriellen Nahrungsmittelproduktion.

Während in den Industrienationen die Menschen aufgrund von Fehlernährung immer dicker und kränker werden, nimmt der Hunger in anderen Teilen der Welt weiter zu. Tanja Busse zeigt auf, warum dies so ist, mit welchen Methoden die Großkonzerne der Agroindustrie Gewinne scheffeln, und was dabei auf der Strecke bleibt: Geschmack und Nährstoffe in Nahrungsmitteln etwa. Billige Rohstoffe werden z.B gerne mit Aromen aufgepeppt – die Konsumenten aber dank lauer Gesetze in die Irre geführt. Der Preiskrieg der Handels- und Agrargiganten führt letztlich zu Hunger, Umwelt- und Klimazerstörung, zur Verdrängung einer mittelständischen Landwirtschaft, zur Verarmung des Angebots. Besonders bedrückend sind Busses Beispiele dafür, wie die Politik die aberwitzigen Agrar-Strukturen noch unterstützt – etwa wenn durch Exportsubventionen für Fleischmäster in der EU die Existenz afrikanischer Bauern vernichtet wird. Ein wichtiges Buch, das dazu anregt, sein eigenes Einkaufsverhalten zu hinterfragen.

Als Diskussionsgrundlage für eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen Hunger und Armut, Globalisierung, gesunde Ernährung und Umweltzerstörung bestens geeignet.

Signatur: Nm|Sd
Schlagworte: Ernährung|Agrarindustrie |Gesundheit|Globalisierung
Bewertung: +++
Rez.: Michael Freitag

Vier Äpfel. Roman. David Wagner. 1. Aufl. Reinbek: Rowohlt 2009. 158 S. ; 21 cm. ISBN 9783498073688 geb.: 17.90€

Ein Supermarktroman, klug, witzig, tiefsinnig – über das Leben und die Liebe in der Konsumgesellschaft.

Es beginnt mit vier Äpfeln, die der Erzähler in den Einkaufswagen legt. Es endet mit dem Bezahlen und Verlassen des Supermarkts. Das Ganze dauert vielleicht eine halbe Stunde. Trotzdem hat es der Roman in sich – ebenso wie der Schauplatz. In 144 knappen Beobachtungen und Einfällen, versehen mit 52 Fußnoten, räsoniert der Held beim Auswählen von Lebensmitteln über Kaufgewohnheiten, Verkaufspersonal und Warenangebot. Durch Rückblenden in seine Lebens- und damit Konsumgeschichte, etwa seine Assoziationen zu Fischstäbchen und Tütenmilch, wird er zum Ethnologen einer ganzen Generation, die in der Wohlstandsgesellschaft der BRD aufwuchs. Und immer wieder wird der Erzähler während seiner Erklärungen, zum Beispiel über die Erfindung des Einkaufswagens, globale Handelswege oder die Unmöglichkeit unschuldigen Konsums, von Erinnerungen an seine Ex-Frau heimgesucht. „Meine Marken sind noch bei mir, L. nicht.“ Es gibt keinen wa(h)ren Trost im Treffpunkt von Kittelfee und Schnäppchenjäger.

Ein besonderes Lese-Schnäppchen für alle, für die Romane keine Handlung, aber Geist und Anregungspotenzial brauchen. Sehr geeignet für Lesekreise.

Signatur: SL
Schlagworte: Konsum|Moderne Gesellschaft|Liebe|Globalisierung
Bewertung: +++
Rez.: Kerstin Wohne

Der weiße Tiger. Roman. Aravind Adiga. Dt. von Ingo Herzke. München: Beck 2008. 320 S. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 9783406576911 geb.: 19.90€

Indien: Ein Mann vom Land will nach oben und landet als Chauffeur im Dschungel von Delhi. Er ist der Weiße Tiger.

In sieben nächtlichen E-Mails an den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jingbao erzählt Balram Halwai sein abenteuerliches Leben auf dem Weg aus der Finsternis ins Licht: aufgewachsen als Sohn eines Rikshafahrers auf dem Land bringt er es als aufgeweckter Simplicius zum Fahrer des reichsten Grundbesitzers und zieht mit diesem nach Delhi. Die Hauptstadt erweist sich als modernes Babylon. Balrams Bildungshunger führt ihn zu den Büchern des Dichters Iqbal und dessen Erkenntnis: „Sobald man das Schöne in der Welt erblicken kann, hört man auf Sklave zu sein.“ Balrams Befreiung endet mit einem Mord und führt ihn in neue Verstrickungen. In Bangalore, der Hightech-Metropole Indiens, baut er ein Taxiunternehmen auf, spezialisiert sich auf Fahrten für internationale Unternehmen und lebt nun im Licht. Erneut verstrickt er sich in Schuld, aber sein Traum von der Befreiung vom Sklavendasein bleibt.

Befreiungsroman von elementarer Wucht und filigraner Poesie. Gute Ergänzung zu aktuellen Sachbuchtiteln wie „Bombay. Maximum City“ und „Die Rückkehr Asiens“.

Signatur: SL
Schlagworte: Indien|Selbstfindung|Globalisierung
Bewertung: +++
Rez.: Rüdiger Sareika

Die Weltreise einer Fleeceweste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung. Wolfgang Korn. Ill. von Birgit Jansen. Berlin: Bloomsbury 2008. 168 S.: Ill. ; 21 cm. ISBN 9783827052926 geb.: 14.90€

Anschauliche Darstellung der Hintergründe und Zusammenhänge der weltweiten Verflechtung der Märkte am Beispiel einer Fleeceweste.

Eine billige rote Fleeceweste spielt die tragende Rolle im Buch. Der Autor kauft sie in einem Warenhaus; fleckig kommt sie in einen Altkleidercontainer. Zwei Jahre später glaubt der Autor, seine alte Weste in einem Fernsehbericht über afrikanische Flüchtlinge auf Teneriffa wiederzuerkennen. Dies bringt ihn auf die Idee, am Beispiel der Weste zu zeigen, wie in der globalisierten Welt alles zusammenhängt. So wird der Leser von den Erdölfeldern am Persischen Golf über die Polyester- und Textilindustrie Bangladeschs, einem Warenhaus und einer Textilrecycling-Firma in Deutschland über Afrika bis zu den Kanaren geführt. - Die spärlich illustrierte, durchaus spannende Geschichte bietet treffliche Basisinformationen über Ursachen und Begründungen für weltumspannenden Handel, ohne sich in überfrachtendem Detailwissen zu verlieren. Der persönliche Ton erleichtert den Zugang gerade für junge Leser und weckt Empathie für die Opfer der Globalisierung.

Ein vorrangig zu empfehlendes Sachbuch, auch wenn Quellenangaben, Stichwort- und Literaturverzeichnis fehlen. Ab 12 J.

Signatur: Je|Js
Schlagworte: Globalisierung|Wirtschaft
Bewertung: +++
Rez.: Dieter Jeanrond