»Ich sprach mit einer Frau, die den Verdacht hat, dass ihre Tochter damals in der DDR nur für tot erklärt wurde und heute also noch irgendwo lebt. Ich dachte: Was für eine Geschichte! Ich recherchierte und fand heraus, dass mehr als 2000 Menschen diesen Verdacht haben und bis heute nach ihren Kindern suchen. Das hat mich sehr berührt. Also schrieb ich einen Roman, der der Frage nachgeht: Was passiert, wenn man sich nach Jahrzehnten das erste Mal sieht?«
"Für mich sind Inhalt und Form stets verbunden. In dem Sinn, als dass die Form den Rahmen für bestimmte Fragen setzt, dem Erkenntnisgewinn der Geschichte dient.
Ich wusste recht früh im Schreibprozess: Levs Leben wird rückwärts erzählt, denn so begegnen wir einander auch im „echten Leben“. Man lernt jemanden kennen und wenn sich die Begegnung verstetigt, erfährt man nach und nach, was denjenigen zu dem Menschen gemacht hat, der er heute ist.
Jedes Jetzt enthält das Vergangene – das ist eine Erkenntnis, die Lev in Zürich, am Anfang des Romans hat. Ich habe mir gewünscht, dass er die Traumata seiner Kindheit eines Tages hinter sich lassen kann, ein mutigerer Mensch wird. Der Blick zurück erlaubt es, die Vergagenheit besser zu verstehen, das Gewordensein jedes Lebens. Diese Erzählweise legt offen, auf welche Prägungen und Erlebnisse der Vergangenheit sich das Handeln in der Gegenwart bezieht.
Für gab es beim Schreiben immer diese beiden Kräfte: Die Erinnerung und gleichzeitig der Wunsch loszulassen. Um ein gegenwärtiger und freier Mensch zu werden, musste Lev den Rucksack, den er mit sich trägt, aufmachen - hineinsehen und entscheiden, was ihm beim Gehen dient. Wer er, trotz aller Prägungen, aller Erfahrungen zukünftig sein möchte."
"Der Titel des Buches und auch der darauf bezogene Teil des Inhalts passt ja so gar nicht zu der Idee Ihres Buchpreises: Gesucht werden Bücher, die dazu anregen über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken.
Zu Anfang waren da bei mir nur zwei Wörter: Oma verbuddeln, die mir im Sommer 2022 zuflogen. Ich habe bisher überwiegend als Illustratorin gearbeitet, die zwar ihre Bilderbücher gerne selbst textiert, aber bisher keine längeren Texte verfasste. Aber diese beiden Wörter reichten, um weiter herumzufantasieren.
Und das für mich Verrückte war, dass die fiktiven Figuren, die nach und nach entstanden, zu Familienmitgliedern wurden. Paul, der Erzähler, und auch die anderen Figuren schilderten mir ihre Geschichte(n). Ich musste nur noch zuhören und mitschreiben.
So entstand ein Buch, in dem es zwar vordergründig um Verluste geht, diese jedoch nachgründig zu Vertrauen, Geborgenheit und Liebe führen. Und daneben sollte auch eine Menge schräger Humor mitschwingen.
Eine Rezensentin schrieb, dass die Geschichte eine Kraftquelle sei. Und wenn es das wirklich für Kinder (und Erwachsene) ist, dann ist mein, nennen wir es Ziel (aber das war so nicht geplant … nichts war wirklich geplant), mehr als erreicht. Denn eine Kraftquelle, gerade in diesen sicherlich auch für Kinder unübersichtlichen Zeiten, können wir alle gut gebrauchen.
Und vielleicht schließt sich so auch der Kreis. Es ist letztlich ein Buch entstanden, das dazu anregen könnte, über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken. Und das Vertrauen in das Leben zu stärken."
“In »Alte Eltern« beschäftigt mich, wie wir zurechtkommen, wenn sich Dinge so ändern, dass wir die hergebrachten Rezepte nicht anwenden können, weil Zutaten fehlen. Wenn das Vertraute verschwindet, womit füllen wir das Nichts? Inspiriert auf der Suche hat mich Donna Haraway mit ihrem Konzept des tentakulären Denkens: Der Oktopus wächst ohne elterliches Vorbild auf; sein Vater stirbt nach der Zeugung, seine Mutter nach der Geburt. Allein treibt das junge Tier im Meer davon, kann im Nu in Welten geströmt werden, die ganz anders als sein Geburtsort sind. Es muss eigene Lösungen suchen, indem es seine Tentakel ausstreckt und fühlt und tastet und kommuniziert. Meine Interpretation des tentakulären Denkens geht so: Wenn der Lebensweg in die gewohnte Richtung unpassierbar wird, bleibt uns, in die fünf anderen Richtungen zu suchen, zu fühlen, zu finden. Nach oben, nach unten, nach links, nach rechts, nach hinten. Die Lücken füllen mit etwas, das trägt, für diesen Moment. Dann für den nächsten. Dann sehen wir weiter.”
“Jede und jeder war schon mal verliebt. War das die Zeit, in der sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellte? Sicher nicht. Dafür kann es nur einen Grund geben: Die Liebe ist dieser Sinn. Alle bejahenswerten Beziehungen geben dem Leben Sinn, am meisten aber die, die inniger nicht sein kann. Wie ist das zu begreifen? Vermutlich so: Energien begegnen sich und schaukeln sich wechselseitig hoch. Daher verfügen Liebende über Kräfte, mit denen sie alles überwinden können, jede Schwierigkeit, jede räumliche Distanz und selbst noch den Tod. Die energetische Präsenz meiner vor drei Jahren verstorbenen Frau spüre ich weiterhin, ewige Liebe. Das könnte die weltliche Seite dessen sein, was in Religionen als göttlich verehrt wird.”
“Jeden Tag lässt mich unser Garten etwas Anderes beobachten. Jetzt im Januar kommen die ersten wilden Tulpen hoch, die Weiden hängen voller Kätzchen. Äpfel, die wir liegen gelassen haben, wurden von Amseln ausgehöhlt. In eines der Gemüsebeete werden morgen Dicke Bohnen ausgesät. Alles wandelt sich immerzu.”