Depression und Traurigkeit

Möglichkeiten der Arbeit zum Thema Traurigkeit, Depression und selbstverletzendes Verhalten: Was ist eine Depression? Was macht mich traurig und was macht, dass ich mich in dunklen Momenten wieder besser fühle? Und wie thematisiert die Bibel Traurigsein und depressive Stimmungen? 

1. „Die Sache mit der Traurigkeit” - Das Thema Depressionen 

Was wisst ihr über Depressionen? Tragt euer Wissen zusammen.
Recherchiert im Internet zu Depressionen, insbesondere bei Jugendlichen (z.B. als Hausaufgabe) und besprecht die Ergebnisse.

Extra: (Triggerwarnung angebracht!)
Vielleicht seid ihr bei euren Recherchen zum Thema „Depressionen” auch auf den Begriff „selbstverletzendes Verhalten” gestoßen.  Das kann, muss aber nicht im Zusammenhang mit Depressionen auftreten. Es kann auch Zeichen einer anderen psychischen Erkrankung sein. Im Buch zeigt Rouven selbstverletzendes Verhalten. 

Lest ab S.83 „Jetzt klebte der Jeansstoff...” bis S.86 „...verzog den Mund zu einem breiten Grinsen.” 

Frage: 
Wie begründet Rouven, dass er sich selbst verletzt hat? Könnt ihr das Bild, das er sprachlich dafür findet, nachvollziehen? Und wie beurteilt ihr Leons Reaktion?

2. Mal bildlich gesprochen...

Gruppenarbeit (im Plenum): 
Dafür vorab folgende Kapitelvignetten und Textstellen getrennt voneinander jeweils auf ein A4-Blatt kopieren, für 2 Personen je ein Exemplar: 

Beispiel: Vignette S. 75, Text S.79

Manchmal stelle ich mir das so vor: Dass da irgendwo in mir ein Gefäß ist, in dem ist die Traurigkeit drin, und das ist immer ziemlich voll. Manchmal auch übervoll, wie bei einem Becher Kakao. Wenn man den anrührt und etwas mehr Kakao im Becher ist, als eigentlich reinpasst, dann wölbt sich der Kakao ein bisschen nach oben. Und solange niemand am Tisch wackelt, geht das auch gut. Aber die kleinste Erschütterung reicht schon, und alles läuft über. (Leon)

Beispiel: Vignette S. 120, Text S. 125

Der Tod ist wie eine Tür. Irgendwann fällt sie einem das erste Mal auf und man weiß: Durch die werde ich auch mal gehen müssen. (...) Türen sind dazu da, dass man sie aufmacht, und irgendwie lockt sie mich. Und das macht mir Angst. Andererseits reizt es mich auch irrsinnig, mal dahinterzugucken, auch wenn ich weiß, dass es ein totales No-Go ist. (Rouven)

Lest euch zunächst nur die Texte durch. Welche Bilder entstehen vor eurem inneren Auge? Schaut euch dann die Vignetten an. Diskutiert die bildliche Umsetzung der Textpassagen. Was hättet ihr vielleicht anders gemacht?


Aufgabe in Einzelarbeit: 
Die folgenden Zitate auf festes Papier kopieren und einzeln ausschneiden. Es reicht sicher, wenn für 4-5 Personen ein vollständiger „Satz” Zitate vorhanden ist:

  • Ich heulte nicht, heute nicht. Ich starrte nur sinnlos in die Bäume am Schulgarten. Sie wirkten größer als sonst, aber wahrscheinlich nur, weil ich mir gerade so klein vorkam. (S.13)
  • Leer. So fühle ich mich. (S.20)
  • Da sackt mein Herz einfach weg und ich steh rum wie ‘ne leere Hülle (S.22)
  • Rouven hatte diesen kurzen Moment der Traurigkeit, der da über mein Gesicht spülte, natürlich sofort registriert. (S.33)
  • Wenn man Rotz und Wasser heult, ist man ja auch erst mal beschäftigt, da wird alles Denken mit rausgespült. (S.65)
  • Ich spürte, wie sich etwas in mir zusammenzog. (S.79)
  • Es war, als würde sich im Kanal unter mir ein großer schwarzer Strudel bilden, von dem ein kalter Sog aus Traurigkeit ausging. (S.116)
  • Wie ein schwarzes Loch, das gerade meine Seele fraß. (S.116)
  • Es gab ‘ne Zeit, da kriegte mich meine Mutter kaum so richtig wach. Ich lag dann wie festgewachsen im Bett rum. (S.161)
  • Ich konnte einfach nicht aufstehen. (...) In meinem Kopf war nur trüber Nebel und das Aufstehen hatte sich da irgendwie drin verlaufen und fand nicht raus. (S.162)
  • Auf dem Heimweg von der Schule merkte ich, wie der blaue Himmel über mir plötzlich wegbröselte und sich schwarze Wolken zusammenballten und die Traurigkeit in mir hochquoll. (S.208)

Sucht euch von den Textstellen eine aus und setzt sie bildlich um. 

Benötigtes Material: Zusätzlich zu den oben genannten Fotokopien noch Malutensilien. Am ehesten weißes A4-Papier, Blei- und Buntstifte, Radiergummis, Anspitzer. Wer mag, kann aber natürlich auch Filzstifte, Wasserfarben etc. zur Verfügung stellen.

3. Self-Care: Was bringt Licht in deine Dunkelheiten? 

Schaut euch gemeinsam das Cover des Buches näher an. (Auf der Seite des Verlages gibt es das in unterschiedlichen digitalen Formaten zum kostenlosen Download; am besten mehrmals farbig in A4 ausdrucken, sodass immer ca. 3 Personen ein Blatt betrachten können.)
Was ist darauf zu sehen? 
Dabei den Diskurs in folgende Richtung lenken:

  • schwarzer Tropfen - Träne - Zeichen für Traurigkeit, alles „Schwere”
  • gelbes Dreieck - Lichtkegel - Zeichen für Fröhlichkeit, alles „Leichte”

Auch Menschen, die keine Depressionen haben, kennen oftmals das Gefühl, grundlos traurig zu sein. Fast jede:r war schon mal in einer Situation, in der man dachte, dass einem alles zuviel wird. Damit diese „Schwere” nicht überhandnimmt, ist es gut zu wissen, woran man Spaß und Freude hat. Denn mit positiven Erlebnissen kann man seine Akkus wieder aufladen und negativen Erfahrungen einiges entgegensetzen.

Aufgabe (Einzelarbeit, auch als Hausaufgabe möglich): 

  • Überlegt, was euch traurig macht oder belastet. Das kann ganz aktuell sein, aber auch in der Vergangenheit liegen. Schreibt das in die Träne (Vorlage im Anhang).
  • Überlegt euch ebenso, was euch Spaß macht und euch das Gefühl von Leichtigkeit vermittelt. Schreibt dies in den Lichtkegel. (Dafür ein gelbes A4-Blatt quer halbieren, dann jede Hälfte noch einmal diagonal in zwei Dreiecke schneiden, ergibt 4 „Lichtkegel” pro Blatt.)
  • Klebt den Lichtkegel und die Träne zusammen, sodass es ähnlich aussieht wie auf dem Buchcover.

Die Ergebnisse können, je nach Atmosphäre in der Gruppe, auch im Plenum vorgestellt und besprochen werden. Zum Beispiel: Wer hat ähnliches aufgeschrieben? Wer hat etwas sehr Außergewöhnliches im Lichtkegel stehen? 

!!!! Hinweis geben: Wenn man bei sich selbst oder jemand anderem den Verdacht hat, dass eine Depression vorliegen könnte, dann sollte man unbedingt Hilfe suchen! Gute Tipps dazu stehen im Buch auf S.214f!

4. Ihr werdet traurig sein; doch ich sage euch: Eure Trauer wird sich in Freude verwandeln. (Joh.16,20)

Die Bibel ist voll von Textstellen mit der Thematik Licht-Dunkelheit bzw. Freude-Trauer. 

Aufgabe: 
Sucht online (z.B. auf Bibelserver.com) nach entsprechenden Sprüchen (auch als Hausaufgabe möglich).
Tragt dafür zunächst im Plenum geeignete Suchbegriffe zusammen, z.B.: 
Freude, fröhlich, hell, Licht, Glanz, leuchten, Leuchte,…
Trauer, traurig, dunkel, Dunkel, Finsternis, finster,...

Wenn euch ein Spruch davon besonders zusagt, schreibt ihn auf eine Karte (z.B. blanko Karteikarten im Format A6 verteilen) und gestaltet ihn, vielleicht sogar bildlich, wenn es sich anbietet. Womöglich wäre das auch ein schöner Konfirmationsspruch?

5. Depri – Sein: „Ein Stich mitten rein in meine Traurigkeit“ (S. 98)

Der Bezug zum Buch

Bereits vom Titel des Buches her ist Traurigkeit das Schlüsselwort des ganzen Romans. Traurigkeit und Traurigsein oder „depri sein“ sind Gefühlszustände, die sich in dem jungen Protagonisten Leon Hertz immer wieder äußern und ihn zu einer sensiblen und verletzlichen jungen Persönlichkeit machen.

„Jedes Mal, wenn ich an diesem bekloppten Kreuz da vorbeifahre, ist das wie ein Stich mitten rein in mein Traurigsein. Und ich will … endlich wissen, wieso!“ (S. 98).

Das Holzkreuz an der Berliner Straßenkreuzung macht ihn traurig, die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, ebenfalls: ein junger Mensch war dort bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Der Friedhof und seine Gräber machen ihn traurig. Die aufkommende Erinnerung an einen Bruder, den er fast gehabt hätte, stimmt ihn depri. Die Tatsache, dass sein schwuler Freund Rouven gemobbt wird, macht ihn traurig. 

Immer wieder kommt es zu beeindruckenden Beschreibungen seiner Traurigkeit: „Gleich würde die Traurigkeit aus mir rausschwappen“ (S. 79). „Es war, als würde sich im Kanal unter mir ein großer schwarzer Strudel bilden, wie ein schwarzes Loch, das gerade meine Seele fraß.“ (S. 116) Doch nicht nur das. Leon schämt sich für seine Traurigkeit und für die Tränen, die er immer wieder weint. Als er sein zweites Referat vor der Klasse hält, platzt die ganze Traurigkeit aus ihm heraus, wie ein großer emotionaler Outing-Prozess: „Manche rauchen heimlich neben der Turnhalle, ich hab mich dahinter versteckt, damit niemand mitkriegt, dass ich heule. Ich will das nicht, aber dieses Manchmal-depri-Sein gehört zu mir, ist halt so.“ (S. 198)

Theologische Hinweise 

Leichte depressive Verstimmungen oder schwere depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Jugendalter kommt es verstärkt zu Depressionen. Bis zu 10 % der jungen Menschen bis 17 Jahren leiden an einer Depression. Nicht selten in Verbindung mit anderen Erkrankungen wie ADHS oder Angst- oder Essstörungen. 

Da es sich bei Depression und ihren vielen Ursachen und Formen um eine Erkrankung handelt, ist es vordringlich ein medizinisches Thema. Zugleich ist dieses Thema gleichwohl auch eine große pädagogische Herausforderung. Denn gedrückte Stimmung, sich niedergerückt fühlen, müde und antriebsschwach oder interesselos zu sein, sind Erfahrungen, die viele tausend Jugendliche durchleben, auch im Raum von Schule und Unterricht. 

Didaktische Hinweise

In der Schule und insbesondere in einem für die Fragen des Menschseins und des Lebens besonders sensiblen Fach wie dem Religionsunterricht ist es sinnvoll, sich diesem Thema immer wieder einfühlsam zu widmen. Auch den Fachunterricht zunächst mit einer „Gefühlswetterkarte“, also einer Befindlichkeitsrunde zu eröffnen, gehört inzwischen zu den didaktischen Grundstandards der Grundschule, wird aber dann in der Sekundarstufe leider oft vernachlässigt. 

Hier bietet das Fach Religion besondere Chancen der behutsamen und hilfreichen Thematisierung. Um jungen Menschen Möglichkeiten zu geben, auch negative Gefühle zu artikulieren, ohne dabei pädagogisch überwältigt oder bloßgestellt zu werden, bietet es sich an, den Weg über etwas Drittes zu gehen: Das kann die Gefühlswelt des Protagonisten Leon Hertz und dessen „emotionaler „Super-GAU“ (S. 200) vor seiner Klasse sein. Das können, alternativ oder additiv, auch Traurigkeits-Worte aus der Bibel sein: Weinen hat seine Zeit, Lachen hat seine Zeit (Prediger 3,4).  Trauern ist besser als Lachen, denn durch Trauern wird das Herz gebessert (Prediger 7.3). Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben (Psalm 34,18-19). Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen (Psalm 39,13). Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden (Mt 5,4). 

Für die didaktische Arbeit auch mit solchen (oder vielen anderen) Bibelworten gibt es viele didaktische und methodische Möglichkeiten, z.B. in Anlehnung an die Psalmwortkartei von Ingo Baldermann und Rainer Oberthür. 

6. Tränen – „sie gehören zum Leben dazu“ (S. 209)

Der Bezug zum Buch

Der Roman Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit ist nicht zuletzt ein Buch des Weinens und der Tränen, denn der dreizehnjährige Leon muss, wann immer er seine Traurigkeit spürt, weinen: Als er erfährt, was Mitschüler mit den Schuhen von Rouven angestellt hatten, „sammelten sich prompt wieder Tränen in meinen Augen“ (S. 186). Er versteckt sich oft hinter der Turnhalle, „damit niemand mitkriegt, dass ich heule“ (S. 196). Als er sein Referat hält und dabei seinen „emotionalen Super-GAU“ erlebt, laufen ihm „die Tränen aus den Augen“ (S. 199). Schließlich: „Ich heulte schon ein bisschen, als ich über den Friedhof lief, aber so richtig losgeheult hab ich erst an Lukas` Grab…“ (S. 208). „Niemand verurteilt einen auf einem Friedhof für Tränen. Dort gehören sie zum Leben dazu. Das gefällt mir.“ (S. 209)

Theologische Hinweise 

Abgesehen von den Freudentränen sind das Weinen und die Tränen Ausdruck von zumeist negativen Emotionen: Wut, Kummer, Schmerz, Traurigkeit. 

Sie gehören somit elementar zum Menschsein hinzu. Daher ist auch im Alten und im Neuen Testament immer wieder vom Weinen und von Tränen die Rede: 

Der Prediger Salomo berichtet von denen, die Unrecht leiden unter der Sonne: „Und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten. Und die ihnen Gewalt antaten, waren so mächtig, dass sie keinen Tröster hatten.“ (Prediger 4,1). Der Psalmbeter bittet Gott: „Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie (Ps 56,9).

Sogar Gott selbst weint Tränen: „Meine Augen fließen über von Tränen, unaufhörlich Tag und Nacht“ (Jer 14,17).

Den Weinenden wird biblisch die Verheißung gegeben: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (Ps 126,5). „Gott wird abwischen alle Tränen“ (Offb 21,4).

Didaktische Hinweise

Nicht zuletzt Kinder und Jugendliche weinen oft. Tränen kennen sie von sich selbst und von anderen. „Echt emotional“ werden Ereignisse genannt, die einen berühren und zu Tränen rühren.

Aber über diese Emotionen zu sprechen, fällt zugleich schwer. Darüber zu sprechen, warum ich weinen muss, ist oft unangenehm. Hier kann der Religionsunterricht als ein Fach, in dem auch alle sensiblen Themen des Lebens ihren Ort haben, einen vertrauensvollen Raum bieten, auch über negative Gefühle, über Traurigkeit und Tränen zu sprechen. 

Viele Bibelworte können als Ausgangspunkt und Anknüpfungsmöglichkeit für das Gespräch dienen. Die vielen Tränen des Leon Hertz können als Gesprächsanlass fruchtbar gemacht werden. Die Tatsache, dass es beim Weinen des Leon um das Weinen eines Jungen handelt, bietet gerade auch unter dem Gender-Aspekt ein wertvolles Potential. Viele Kreativmethoden sind für die unterrichtliche Erschließung dieses Themenimpulses denkbar. 

Eine besondere Möglichkeit bietet bereits die Grafik des Buch-Covers mit der herzförmigen Träne, in die der Buchtitel eingefügt ist. An dieser Träne fährt links ein junger Mensch mit dem Fahrrad nach oben. Das lässt an die Interpretation denken: Leon Hertz mit seiner Traurigkeit und seinem Weinen wächst an seinen Tränen. Seine Traurigkeit drückt ihn letztlich nicht hinunter, sondern durch seine Tränen und mit seinen Tränen geht es für ihn bergauf. 

Diese Cover-Grafik kann als Leer-Schablone verwendet werden, um eigene Tränen-Erfahrungen oder um Botschaften an den weinenden Leon zu formulieren und die entstandenen Grafiken anschließend zu einer Tränen-Collage zusammenzufügen.


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