Foto: Judith Ziegenthaler

"Das Evangelium ist für mich kein Rückzugsort ins Private"

Seit April 2025 ist Eliport Bündnispartner von United4Rescue. Das Bündnis setzt sich seit 2019 öffentlich für Seenotrettung und sichere Fluchtwege ein. Pastorin Sandra Bils prägte in ihrer Predigt beim Abschlussgottesdienst des Dortmunder Kirchentags 2019 die Debatte mit folgendem Zitat „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt." Wir haben mit Frau Bils über ihr Engagement gesprochen:

Liebe Frau Bils!

Sie sind Theologin und arbeiten seit vielen Jahren als Organisationsentwicklerin im Bereich Kirche. Als Gründungsmitglied sind Sie von Anfang an bei United4Rescue dabei. Wie kamen Sie zu Ihrem Engagement? Gab es da einen konkreten Auslöser?

Ich habe schon seit vielen Jahren das Thema Migration und besonders die tödliche Fluchtroute auf dem Seeweg über das Mittelmeer auf dem Herzen. Ich fand - und finde nach wie vor - sehr bedrückend, wie viele Menschen vor den Toren Europas sterben. Als sich bei der Abschlusspredigt des Kirchentags in Dortmund 2019 für mich als Predigende die Gelegenheit bot, anhand eines aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themas deutlich zu machen, wie sich christliche Nachfolge heute praktisch zeigen kann, habe ich das dieses Beispiel gewählt. 

Ein Satz aus der Predigt erhielt besondere Aufmerksamkeit: „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt!“ 

Diese Aussage wurde dann zum Motto und Kernsatz der Organisation United4Rescue – Gemeinsam retten, die ich mit anderen engagierten Christinnen und Christen und Expert*innen aus dem Bereich der zivilen Seenotrettung Ende 2019 gründete.

Wie arbeitet United4Rescue genau und vor welchen Herausforderungen steht die Organisation?

United4Rescue unterstützt Rettungsorganisationen, die akut Geld benötigen, unbürokratisch und organisationsübergreifend. Wir unterstützen zum Beispiel den Kauf von Rettungsschiffen, Rettungseinsätze oder Werftarbeiten, denn auch Schiffe müssen regelmäßig gewartet werden. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf dem Mittelmeer, der tödlichsten Fluchtroute der Welt. Seit 2014 sind hier mehr als 32.000 Menschen ertrunken. Aber auch an anderen Orten der EU-Außengrenze unterstützen wir lebensrettende Projekte, zum Beispiel auf dem Balkan oder seit kurzem auf der Atlantikroute Richtung Kanarische Inseln. 

Mit unserem breiten Bündnis aus fast 1.000 Organisationen machen wir außerdem die breite zivilgesellschaftliche Unterstützung für die zivile Seenotrettung sichtbar. Viele Bündnispartner organisieren zum Beispiel Veranstaltungen, informieren über die zivile Seenotrettung und sammeln Spenden.

Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer steht seit Jahren unter Druck. Als vor zehn Jahren die ersten Einsätze starteten, dachten viele: Wenn die Öffentlichkeit sieht, was auf dem Mittelmeer passiert, wird politisch etwas geschehen. Das Gegenteil ist passiert. Es gibt nach wie vor keine staatliche Seenotrettung auf dem Mittelmeer, die Migrations- und Asylpolitik wird zunehmend verschärft, und Rettungseinsätze werden von den EU-Mitgliedstaaten systematisch blockiert oder behindert. Immer wieder müssen die Rettungsorganisationen nach Wegen suchen, ihre Arbeit fortsetzen zu können. Aber das ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen unser Bündnis und die tausenden Spender*innen und Unterstützer*innen, die sagen “Jetzt erst recht” – und der zivilen Seenotrettung den Rücken stärken. Dafür sind wir sehr dankbar, und das gibt uns Hoffnung und die Stärke, weiterzumachen.

Was waren die größten Erfolge seit der Gründung?

Ein riesiger Erfolg war sicherlich unsere allererste Spendenkampagne 2019: Innerhalb weniger Wochen haben wir mehr als eine Million Euro gesammelt, um unser erstes Bündnisschiff zu kaufen, die Sea-Watch 4. Seitdem haben wir drei weitere Rettungsschiffe und ein Aufklärungsflugzeug mit ermöglicht. Insgesamt haben wir rund 9 Millionen Euro Spenden gesammelt und an lebensrettende Projekte weitergegeben – darauf sind wir sehr stolz.

Ein weiterer Erfolg ist, dass uns gelungen ist, für Thema der zivilen Seenotrettung eine breite gesellschaftliche Repräsentanz und Rückendeckung zusammenzubringen. Die über 1000 Bündnisorganisationen und die Menschen in ihnen stehen für eine starke und kollektive Unterstützung dieses Themas und für die konkrete Unterstützung dieses Engagements.

Vielleicht können Sie für Interessierte noch einmal erläutern, wer Bündnispartner sein darf und wie man es wird?

Alle Initiativen, Unternehmen und Organisationen können Bündnispartner bei United4Rescue werden! Das geht ganz einfach online und ist mit keinerlei Kosten verbunden. Mittlerweile unterstützen fast 1.000 Organisationen im Bündnis die zivile Seenotrettung, das freut uns sehr. Der DGB ist zum Beispiel dabei, Fritz Kola und Ben & Jerry's, viele Kirchengemeinden, Caritas-Verbände und mehrere Bands. Neue Bündnispartner können sich ganz einfach selbst auf unserer Webseite eintragen: united4rescue.org/buendnispartner-werden

Was kann man auch als Einzelperson tun, um United4rescue zu unterstützen?

Da gibt es sehr viele Möglichkeiten: Wer die Möglichkeit hat, kann zum Beispiel spenden oder Fördermitglied werden. Fördermitglieder unterstützen United4Rescue mit einem regelmäßigen Beitrag - das hilft uns, längerfristig zu planen. Aber auch einzelne Spenden – ganz egal ob groß oder klein - helfen enorm. Man kann auch über unsere Arbeit und die zivile Seenotrettung informieren, zum Beispiel im Freundes- oder Bekanntenkreis. Wir schicken gerne Flyer und Sticker zum Weitergeben zu. Oder sich lokal engagieren und Veranstaltungen organisieren, etwa in der Kirchengemeinde oder einer Flüchtlingsinitiative.

Welche Rolle spielt der christliche Glaube für den Verein bzw. für Sie bei Ihrer Arbeit?

Für mich persönlich ist mein Glaube die Grundlage meines Engagements bei United4Rescue. Als ich 2019 beim Kirchentag sagte: „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt!“, war das nicht bloß ein ethisches Statement, sondern Ausdruck dessen, was christliche Nachfolge heute heißt: sich denen zuzuwenden, die gefährdet sind, die keine Stimme haben.

Das Evangelium ist für mich kein Rückzugsort ins Private, sondern ein Auftrag zum Handeln. Es geht um Gnade und um die konkrete Frage, wie wir als Christinnen und Christen heute in der Welt Verantwortung übernehmen. Wenn ich Jesus ernst nehme, dann bedeutet das für mich: Ich kann nicht wegsehen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken. Dann ist Seenotrettung kein politisches Statement, sondern gelebte Menschlichkeit und Ausdruck meines Glaubens.

United4Rescue ist ein breites, zivilgesellschaftliches Bündnis und ist damals besonders durch Engagement aus dem kirchlichen Kontext entstanden. Gerade deshalb ist es mir als Christin und Theologin wichtig, die Stimme des Glaubens dort immer wieder einzubringen. Dass wir mittlerweile mit Menschen zusammenarbeiten, die komplett andere Zugänge und Überzeugungen haben, empfinde ich dabei nicht als Widerspruch, sondern als großes Geschenk. 

Danke für das Gespräch!

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